Der Schlüssel zu Europa

Asyl Die EU-Kommission will Migranten gemäß einer festen Quote auf die Staaten verteilen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch es gibt eine noch bessere Variante
Ausgabe 21/2015
Die Quotenregelung soll die südeuropäischen Staaten (hier Lampedusa) entlasten
Die Quotenregelung soll die südeuropäischen Staaten (hier Lampedusa) entlasten

Foto: Alberto Pizzoli/AFP/Getty Images

Flüchtlinge sollen künftig per Quote auf die verschiedenen europäischen Staaten verteilt werden. So wünscht es sich die EU-Kommission. Sofort protestiert Großbritannien: Ein „verpflichtendes Ansiedlungsprogramm“ gehe gar nicht. Diskutiert wird nun über die Kosten und einen fairen Ausgleich zwischen den Staaten. Doch was bedeutet die Quote eigentlich für die Flüchtlinge? Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Sinnvoller aber wäre es, die Asylbewerber in einem von ihnen selbst gewählten Land wohnen zu lassen, und die Quote nur zu nutzen, um einen Finanzausgleich zwischen den EU-Staaten zu installieren.

Bisher gibt es kein europäisches Asylsystem. Zuständig ist ausschließlich der Staat, in dem ein Flüchtling zuerst einen Asylantrag stellt. Stark betroffen sind daher die südlichen Länder Spanien, Italien, Griechenland und Bulgarien. Sie fühlen sich überlastet. Nun will die EU-Kommission einen Verteilungsschlüssel einführen. Sie beruft sich auf eine Notfallklausel in den EU-Verträgen, die greift, wenn Mitgliedstaaten „mit einem plötzlichen Zustrom von Migranten konfrontiert sind“. Die Umverteilung wäre zunächst befristet. Bis Jahresende will die Kommission zudem einen Vorschlag vorlegen für eine dauerhafte Quote, die dann bei jedem „Massenzustrom“ gilt. Beiden Vorhaben müssten die Mitgliedstaaten zustimmen.

Quote nach Einwohnerzahl

Innerhalb von Deutschland gibt es schon eine ähnliche Regelung. Die Asylbewerber werden nach dem „Königsteiner Schlüssel“ auf die Bundesländer verteilt, der wird berechnet an Hand der Einwohnerzahl und der Steuereinnahmen. Die EU-Kommission möchte ihre Quote hauptsächlich von Einwohnerzahl und Wirtschaftsleistung abhängig machen, aber auch von Arbeitslosigkeit und der Zahl bisher aufgenommener Flüchtlinge.

Deutschland würde dadurch weniger Flüchtlinge aufnehmen als heute, Innenminister Thomas de Maizière trommelt bereits seit langem für eine Quote. Wenn Wirtschaftsleistung und Arbeitslosigkeit jedoch deutlich stärker gewichtet würden als die Einwohnerzahl, könnte dem Innenminister das Lachen vergehen. Die größten Fans der Quote sind die Länder im Süden. Sie müssen derzeit – allein wegen ihrer geografischen Lage – Tausende von Asylanträgen bearbeiten, die Flüchtlinge unterbringen und später eventuell aufnehmen. All das kostet Geld. Das unfaire Verteilungssystem rechtfertigt zwar weder meterhohe Zäune noch deren Hightech-Überwachung. Trotzdem führt es dazu, dass Staaten glauben, sich stärker abschotten zu müssen. Mit einer Quote könnte sich das ändern.

Flüchtlinge sollten aussuchen dürfen

Die Hilfsorganisation Pro Asyl lehnt die Quote dennoch ab. Dadurch werde Europa zum „Verschiebebahnhof“ für Flüchtlinge. Zudem würden die Menschen in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich behandelt, eine willkürliche Zuweisung an einen bestimmten Staat sei daher ungerecht. Das stimmt zwar, ist aber eigentlich schon heute so. Theoretisch können Flüchtlinge im Land ihrer Wahl Asyl beantragen. Praktisch bleibt ihnen aber nur der Staat, in dem sie zuerst registriert werden. Wer sich nicht illegal bis nach Deutschland durchschlägt, hat kaum Chancen, hier überhaupt einen Asylantrag stellen zu dürfen. Wenn es die Quote gibt, können die betroffenen Flüchtlinge immerhin nach ihrem Wunschland gefragt werden, auch wenn sich nicht alle Wünsche erfüllen lassen.

Noch besser als die Quote wäre jedoch ein Modell, das auch Pro Asyl bevorzugt: Flüchtlinge dürfen sich ihr Land aussuchen. Sie können in die Nähe von Verwandten, Freunden oder Landsleuten ziehen – oder in das Land, dessen Sprache sie sprechen. Die Quote dient dann bloß als Indikator für einen Finanzausgleich zwischen den EU-Staaten. Wenn genügend Geld fließt, haben die Länder sogar ein Eigeninteresse, die Situation für Flüchtlinge zu verbessern – um sie anzuwerben.

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