Die Angst vor der Unterhaltspflicht

Samenspenden Auch minderjährige Kinder haben ein Recht zu erfahren, wer ihr biologischer Vater ist. Bleiben nun die Samenspender weg? Nein – wenn man Unterhalts- und Erbrecht ändert
Ausgabe 06/2015
Die Anonymität von Samenspendern ist in Deutschland rechtlich passé
Die Anonymität von Samenspendern ist in Deutschland rechtlich passé

Foto: Jochen Tack/Imago

Bekommen Samenspender bald unaufgeforderten Besuch von Kleinkindern? In Deutschland hat jeder Mensch das Recht, die Namen seiner biologischen Eltern zu erfahren. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass dies ohne Altersgrenze gilt. Minderjährige haben also ebenfalls Anspruch darauf, zu wissen, von wem sie abstammen. Viele Samenspender wollen jedoch anonym bleiben. Wurde das von den Richtern verkannt? Sinnvoller wäre es zumindest, zuerst Unterhaltspflicht und Erbrecht grundlegend zu reformieren. Dann würden sich die meisten Probleme in Luft auflösen. Denn die Samenspender haben vor allem Angst vor finanziellen Verpflichtungen.

Im linken Denken sorgt es ja für Irritationen, wenn dem Biologischen eine große Kraft zugeschrieben wird. Hier halten es viele für ausreichend, wenn Kinder ihre sozialen Eltern kennen. Diese haben auf das Leben schließlich einen unmittelbaren Einfluss. Die Herkunft der Gene gilt eher als Hobby für Biologen. Das sagt sich leicht – als Unbeteiligter. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn ich meine biologischen Eltern nicht kennen würde. Ich kann mir aber vorstellen, wie die Neugier auf die Abstammung ins Unermessliche steigen kann.

Begrenzte Hilfe

Daher ist das Auskunftsrecht sinnvoll, auch für Kinder und Jugendliche. Am besten machen die Eltern aus der Samenspende kein Geheimnis und reden darüber, sobald die Kinder fragen. Dann verliert die Spende ihren Ruch, und es gibt für die Kinder kein böses Erwachen, wie es der Fall sein kann, wenn sie erst spät erfahren, dass sie einen anderen Vater haben. Für diese Offenheit ist freilich irrelevant, ob der Samenspender namentlich bekannt ist.

Ob das Auskunftsrecht aber in den schwierigen Fällen hilft, ist fraglich. Wenn der Samenspender Kontakt zum minderjährigen Kind möchte, kann die Samenbank den Namen bereits problemlos weitergeben. Es gibt heute schon Formulare, auf denen der Spender das ankreuzen kann. Wenn er jedoch lieber Abstand möchte, wird das Kind auch mit seinem Namen nichts daran ändern können.

Samenbanken sind alarmiert

Trotzdem: Einigen Spenderkindern ist das Wissen um ihren biologischen Vater so wichtig, dass sie dafür vor Gericht ziehen. Und es spricht auch kaum etwas gegen das Auskunftsrecht – solange es von den Eltern nicht missbraucht wird, um finanzielle Ansprüche gegenüber dem Samenspender geltend zu machen.

Bei der Berliner Samenbank ist man mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs dennoch nicht so glücklich. „Wir haben Angst, dass Spender nun vermehrt wegbleiben“, sagt Laborleiterin Ann-Kathrin Hosenfeld. Einige wollten einfach nicht von ihren künftigen Kindern besucht werden und sich dann für die Erziehung verantwortlich fühlen. Die meisten jedoch hätten Angst vor finanziellen Verpflichtungen. Davor sind die biologischen Väter nämlich keinesfalls sicher – obwohl dazu spezielle Verträge angefertigt werden.

Vertrag kann ausgehebelt werden

Normalerweise wird der soziale Vater auch zum rechtlichen Vater und muss Unterhalt zahlen. Das Kind kann jedoch die Vaterschaft anfechten. Dann muss womöglich der Samenspender, der biologische Vater, Unterhalt zahlen. Zwar ist häufig vertraglich geregelt, dass die Wunscheltern alle finanziellen Verpflichtungen übernehmen und der Samenspender im Notfall den sozialen Vater in Regress nehmen kann. Wenn der aber pleite ist, nützt das nichts.

Vorstellbar wäre höchstens, dass die Wunscheltern vorher ein Konto anlegen, von dem viele Jahre lang der Unterhalt gezahlt wird. Das wäre jedoch rechtlich kompliziert – außerdem würde so das eigene Kind zu einem Luxusgut für reiche Leute.

Blutsverwandtschaft darf keine Rolle spielen

Daher ist der Gesetzgeber gefordert: Der Samenspender muss vor Unterhaltszahlungen sicher sein. Am besten wäre es, wenn es gar keine Unterhaltspflicht mehr gibt und der Staat allen Kindern ein Grundeinkommen zahlt – unabhängig von der finanziellen Lage der biologischen oder sozialen Eltern. Das würde auch mit der Vorstellung brechen, die Kinder seien das Eigentum der Eltern. Solange das nicht der Fall ist, sollte der Samenspender aber auch im Fall des Unterhaltsausfalls des sozialen Vaters von Ansprüchen freigestellt werden.

Das Erbrecht müsste ebenfalls geändert werden. Die Kinder eines Samenspenders haben derzeit Anspruch auf einen Pflichtteil des Erbes. Auch hier wäre eine Reform nötig: Blutsverwandtschaft darf keine Rolle spielen. Jeder Mensch sollte allein entscheiden können, wem er was vererbt.

Ohne finanzielle Pflichten des Samenspenders ist das Auskunftsrecht der Kinder kein Problem mehr. Vorstellbar wäre zwar auch, dass es anonyme und nicht-anonyme Samenspenden gibt und die Wunscheltern entscheiden können, was ihnen lieber ist. Die anonyme Samenspende wäre dann vermutlich die Billig-Variante, weil mehr Männer dazu bereit wären. Das wäre allerdings problematisch, weil die Eltern für ihre Kinder entscheiden, ob sie später den Samenspender erfahren können. Das ist bevormundend und hebelt das individuelle Auskunftsrecht aus.

Wenn die Politik das Unterhalts- und das Erbrecht reformiert, ist schon viel gewonnen. Dann wird es auch mit dem Auskunftsrecht noch genügend Männer geben, die bereit sind, Samen zu spenden.

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