Die CCS-Taktierer

CO2-Endlager Gesetz beschlossen, Zukunft unklar: Bei der unterirdischen Verpressung von Kohlendioxid geht es Politikern um parteipolitische Erwägungen, nicht um Sicherheit

Für einen normalen Menschen ist der Streit um das CCS-Gesetz nicht mehr zu verstehen: Union und FDP sind für die Erprobung der umstrittenen CCS-Technologie zur Abscheidung und unterirdischen Verpressung von Kohlendioxid, sie haben gestern spät abends ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Die schwarz-gelben Landesregierungen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind zwar gegen CCS, befürworten aber gleichwohl das Gesetz. Die Opposition im Bundestag hält wie diese Landesregierungen nicht viel von der CO2-Verpressung, sie wiederum stimmte gegen das Gesetz. Die rot-rote Regierung in Brandenburg sträubt sich ebenfalls gegen das Gesetz, findet CCS aber wiederum gut. Alles klar?

Längst geht es in der Frage um parteipolitische Taktiererei und nicht mehr um die Inhalte, geschweige denn um die Sicherheit der CO2-Endlager. Das hat jetzt zu einer reichlich absurden Situation geführt: Der Bundestag hat zwar nach jahrelangem Hin und Her den Weg frei gemacht für die unterirdische CO2-Verpressung, mit der Kohlekraftwerke klimafreundlich werden sollen. Trotzdem ist unsicher, ob es überhaupt zu der Erprobung der Technologie kommt.

Länder sollen CCS verbieten können

Das hat zwei Gründe: Zum einen muss der Bundesrat dem Gesetz noch zustimmen, bevor es in Kraft treten kann. Der Ausgang dieser Abstimmung ist ungewiss, es dürfte vor allem auf die Position der SPD-geführten Länder ankommen. Auf Bundesebene hatten die traditionell kohlefreundlichen Sozialdemokraten in Zeiten der großen Koalition noch ein sehr ähnliches Gesetz geplant, nun stimmten sie im Bundestag dagegen. Wie die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat sind, wird sich nach der Sommerpause zeigen.

Zum anderen findet sich anscheinend kein Bundesland, das zum CO2-Endlager werden will. Geologisch geeignete Lagerstätten finden sich vor allem im Norden Deutschlands. Doch die schwarz-gelben Regierungen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben dem Protest der Bevölkerung nachgegeben und wollen auf ihren Landesgebieten keine Einlagerung des Treibhausgases zulassen. Dann käme nur noch Brandenburg in Frage, doch das Bundesland möchte nicht zur Müllkippe der Nation werden.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat – um seine Parteikollegen auf Länderebene nicht zu vergrätzen – eine Klausel ins Gesetz geschrieben. „Die Länder können durch Landesgesetz bestimmen, dass eine Erprobung und Demonstration der dauerhaften Speicherung nur in bestimmten Gebieten zulässig ist oder in bestimmten Gebieten unzulässig ist.“

Die unionsgeführten Länder wollen nun die CO2-Einlagerung zügig verbieten, dabei ist rechtlich fraglich, ob ein pauschales Verbot für das gesamte Landesgebiet möglich ist. Ein Gutachten vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags kommt nämlich zu einem anderen Ergebnis.

Müllkippe der Nation

Spannend wird es nun in Brandenburg. Die rot-rote Regierung war schon immer gegen ein Gesetz, mit dem andere Bundesländer die CO2-Einlagerung verbieten können und Brandenburg letztlich alleine dasteht mit seiner Pro-CCS-Politik. Ein Alleingang wäre der Bevölkerung nur schwer vermittelbar, der Linkspartei-Basis erst recht. Die Linke ist nämlich im Wahlkampf noch gegen CCS angetreten.

Was passiert nun, wenn solch ein Gesetz tatsächlich kommt? Bislang ist die rot-rote Regierung solchen Fragen ausgewichen. Nun sieht es allerdings so aus, als stehe der CCS-Erprobung in Deutschland das Ende bevor. Gegenüber dem Berliner Tagesspiegel sagte Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke), dass die Landesregierung auf Grundlage eines solchen Bundesgesetzes „kein eigenes Landesgesetz“ verabschieden werde, um CCS zu ermöglichen. „Wir schlagen keinen Sonderweg ein.“

Eine Hintertür gibt es aber dennoch: Brandenburg müsste Gebiete ausweisen, in denen die CO2-Verpressung verboten ist. Wenn das juristisch schlecht begründet ist, könnte der Energiekonzern Vattenfall – der sehr an der CCS-Erprobung interessiert ist – dagegen klagen. Die Landesregierung könnte sich dann gegenüber der Bevölkerung als CCS-Gegnerin präsentieren und gleichzeitig Vattenfall weiterhelfen.

FDP-Politiker stimmt gegen seine Fraktion

Was auch immer passiert: Den Politikern geht es in erster Linie um parteitaktische Erwägungen, wie derzeit deutlich zu beobachten ist: Die schwarz-gelben Landesregierungen wollen ihre Wähler nicht verprellen und sind gegen CCS. Die Bundesregierung greift den Parteikollegen auf Landesebene unter die Arme und führt eine Länderklausel ein. Das wiederum stört die rot-rote Koalition in Brandenburg, die Angst vor der Wut ihrer Wählern und Parteimitglieder hat. Um Klimaschutz oder Sicherheit der CO2-Endlager geht es niemandem.

Bei soviel Taktiererei ist zumindest die Position von FDP-Politiker Horst Meierhofer erfrischend. In einer persönlichen Erklärung macht er deutlich, warum er gegen seine Parteikollegen stimmt. „Mit der Länderklausel wird ein Präzedenzfall geschaffen, dessen negative Folgen für unser föderales System verheerend sein können.“ Tatsächlich ist es problematisch, wenn Umweltpolitik in Zukunft nur noch den Ländern überlassen wird und kein Bundesland mit bestimmten unangenehmen Folgen leben will.

Doch im Falle der CCS-Technik ist diese Verhinderungsstrategie der Länder ausnahmsweise mal vernünftig. Denn CCS hilft nicht dem Klimaschutz weiter, im Gegenteil: Kohlekraftwerken wird ein grünes Mäntelchen umgehängt. Und bis die Technik möglicherweise angewendet werden kann, sind erneuerbare Energien wahrscheinlich sowieso billiger.

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