Es sollte der „ultimative Tsunami in der Blogosphäre“ werden: Ein vermeintlicher Schleichwerbungs-Skandal, der bereits „Bloggergate“ getauft wurde. Es geht um zahlreiche kleine Blogs, die Geld dafür erhalten, dass sie unter bestimmten Schlagwörtern Links zu kommerziellen Webseiten setzen – ohne darauf hinzuweisen, dass sie so selbst ein Geschäft machen.
Sascha Pallenberg, der Betreiber von netbooknews.de, hat einen entsprechenden Vertragsentwurf der Firma onlinekosten.de veröffentlicht. Blogbetreiber können dem Entwurf nach 25 Euro pro Link und Monat erhalten, laut Pallenberg seien sogar Beträge bis 65 Euro möglich. Dazu gibt es eine lange Liste an Schlüsselwörtern, die verlinkt werden können – zum Beispiel mit Internetseiten von Neckermann Reisen oder dem Elektronikversand Conrad. Angeblich machen bereits über 100 Blogs mit, eine Auflistung fehlt aber, weil Pallenberg die Betreiber als „die armen Schweine in diesem Spiel“ sieht.
Nun ist der eigentliche Skandal, dass der Skandal gar kein Skandal mehr ist: Solche Geschäfte sind anscheinend üblich, wie die Debatte nach der Veröffentlichung zeigt.Selbst Pallenberg räumte später ein, dass es sich bei dem von ihm aufgedeckten bei weitem nicht um den einzigen Fall handle, einmalig sei aber die strenge Verschwiegenheitsklausel: Es wird mit einer Strafe von 5.001 Euro gedroht, sollte die Kooperation öffentlich gemacht werden.
Illegal ist das umstrittene Geschäft nicht: Zum einen ist Schleichwerbung in Blogs erlaubt, wie Medienanwalt Markus Kompa erklärt. Schließlich könne man dort kein redaktionelles Angebot erwarten. Zum anderen handelt es sich bei den gekauften Links gar nicht um Schleichwerbung: Die Produkte müssen nicht in ein gutes Licht gerückt werden, wichtig ist bloß der Link auf sie. Denn viele Links, die auf eine Seite führen, helfen ihr beim Suchmaschinen-Ranking. Wer bei Google auf den vorderen Plätzen landet, hat gute Karten bei kaufwilligen Kunden.
Das Prinzip, sich mit viel Geld in Trefferlisten nach vorne zu drängen, wäre auch dann problematisch, wenn Google kein Milliardenkonzern wäre. Doch diese Kritik ging in der Debatte über diesen Fall unter, stattdessen wird über Pallenbergs eigene Methoden diskutiert: Der setzt nämlich zum Beispiel Links zu Amazon und soll angeblich eine Provision erhalten. Verdeckte Werbung zu betreiben, bestreitet er. Wie er seine Werbekunden gewinnt, hört sich allerdings schon auch merkwürdig an: „Guck dir mal meinen Blog an, können wir nicht in irgendeiner Weise zusammenarbeiten?“
Kommentare 4
Die ganze Story von Pallenberg ist halb so wild, wahrscheinlich setzt er sich damit einfach nur wieder in den Fokus. Unternehmen sind gar nicht so willig, für eigene Links auf Blogsseiten Knete abzudrücken. Ich führe einen zweisprachigen Blog, der sich mit maritimen Themen auseinandersetzt. Monatlich registriere ich knapp über 80.000 individuelle User. Dabei bin ich auch in den Medien präsent: News zur entführten Hansa Stavanger (Buch des Kapitäns dieses Schiffes), momentan zur Gorch Fock u.a. gehen auf mein Konto.
Auf meinen Seiten sind grafische Links angebracht, zu größtenteils Forschungsinstituten aber auch einigen Unternehmen, einige davon stehen sogar unter dem Begriff "Werbung" - was für jeden Besucher sichtbar ist. Dennoch: ich grenze damit die Links ab, die eher informativ sind von denen, die eigentlich meine Konkurrenz darstellen, ich sie aber für sehr gut halte (oder als Journalist mit ihnen arbeite).
Geld bekomme ich dafür keines. Es ist pure non profit Tätigkeit.
Und ich vermute, dass es vielen, ob gewollt oder ungewollt, eben so ergeht. Auf der anderen Seite gibt es in der angestammten Presse kaum noch Texte, die nicht werbe- und kundenorientiert sind, dennoch regt sich hier keiner auf. Glauben sie mir, ich habe Zugang zur medialen Umsetzung einiger deutschen Konzerne im Ausland - Menschen, die dies machten - und man beruft sich dort auf "in Deutschland überprüfte und besten funktionierende Strategien".
Leo / 4mare.com
Bemerkenswert, dass Sie sogar ohne Geld zu bekommen, bestimmte Links als Werbung ausflaggen - da würde ich ja sagen, Werbung ist es erst, wenn einer dafür zahlt.
Und über die "bestens funktionierenden Strategien" würde man natürlich gern Genaueres wissen.
Ob Unternehmen für Links zahlen, hängt wahrscheinlich auch von den Themen ab. Grundsätzlich sind vor allem Unternehmen, die ihre Produkte übers Internet verkaufen oder vor allem Internetnutzer ansprechen wollen, besonders interessiert, würde ich mal schätzen.
Auf der Liste stehen aber schon jede Menge unterschiedliche Unternehmen: bit.ly/dielinkliste
Und dass auch in vielen (vor allem Lokal-)Zeitungen wohlwollende Artikel über ein Unternehmen stehen, das gleichzeitig der größte Anzeigenkunde ist, kritische Artikel aber fehlen, ist selbstverständlich auch problematisch. Macht aber die Situation im Netz nicht besser.
@ Jan: Mir gings eben darum, dass ich unterscheiden wollte zwischen einem "Medium" (oder einem Unternehmen), dessen Wissen, Informationen oder Bilder ich hin und wieder benutze und im Austausch stehe, und einem Medium/einer Firma, bei denen, sagen wir, ein Artikel von mir erschien, "längst vergangen" zwar, aber das ich dennoch gerne anderen als Quelle oder einfach "Lektüre" empfehle.
Was die Praktiken angeht: ich spreche besonders von Polen. Der printmediale Markt hier ist grundsätzlich zwischen deutschen, österreichischen und schweizerischen Konzernen aufgeteilt. Ein kleiner Anteil gehört Polen und Franzosen. Und es werden "kaum Artikel" gedruckt, in denen nicht eine Schleichwerbung betrieben worden wäre oder die inhaltlich zu einer Werbung passen (in dem Sinne sind sie zwar neutral, aber erlauben es, direkt einen Werbeträger anzusprechen und auszuwählen). Ich sprach in den letzten 5 Jahren mit einigen Fachleuten, die zu diesem Zwecke hier aus Hamburg, Berlin und München angereist waren und selbst ein Jahr den hiesigen Medien es beibrachten, bis es lief.
Da die Umsätze der Printausgaben in Deutschland fallen und "alles ins Netz umsteigt", wird das auch in Deutschland praktiziert, damit halt Werbeträger bei Laune, sprich Verlagskasse, gehalten werden.
Ich erlebte auch manch ein Medium, das bei uns - in Deutschland also - zu den renommiertesten zählt, bei Recherchen, wo Mittel und Strategien oder Schritte, um an Infos zu gelangen, eingesetzt wurden, die einer Watergate-Story wert wären.
Deswegen bin ich zutiefst davon überzeugt, dass gerade deswegen gut recherchierte Blogs so populär sind, weil man einfach auch auf paar neutrale Infos, als Leser, stoßen will.
@ Felix: Ich weiß, dass unter meinen Leser viele Entscheidungsträger selbst großer Konzerne sind. Man fragte bei mir mal an, ob es nicht möglich sei, auf der Seite zu werben, "ich müsste dafür jedoch öfter neue Texte veröffentlichen". Für mich, als Solo-Autor auf dieser Seite, wäre es aber zu viel Aufwand, also physisch kaum möglich, selbst, wenn ich pro Woche genug Material habe, um damit eine kleine Zeitung zu füllen.
Ich denke, den Unternehmen geht es auch nicht immer um eine Werbung im Sinne "kauft mich". Oft sind sie daran interessiert, das ihr Produkt oder Idee einfach erwähnt und öffentlich zur Diskussion gestellt werde, weil sie schlicht in der Infomenge untergeht. Oder aber, was auch passiert, weil man damit eine zwar kritische Diskussion anregen will, die jedoch ganz andere Folgen hätte haben können.
Schauen Sie sich mal, bitte, die jetzige Debatte zur Bundeswehr an. Es wird sehr linksorientiert darüber berichtet und keiner sieht darin die Gefahr, der wir entgegen laufen und die ich persönlich für sehr gefährlich halte: je weniger wir unserer Armee zutrauen und sie demokratisch kontrollieren in dem wir sie beschneiden und verkleinern, desto mehr "zwingen" wir den Staat, gewisse Jobs mithilfe privater Unternehmen zu erledigen. Das frühere Blackwater kauft mittlerweile Ausrüstung in Deutschland ein, und setzt es im Kampf ein, bevor bei uns entsprechende Einwilligung zur Ausfuhr überhaupt erteilt wurde. Ich denke, da sind bestimmt viele daran interessiert, solche Firmen auch in Deutschland zu etablieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in 10 Jahren bei uns auch solche Verhältnisse haben werden wie in den USA oder Großbritannien, wenn der Trend anhält.
Wer denkt bei uns beim Kauf eines Buches von Frederick Forsyth darüber nach, dass der Mann Aktionär bei solchen Sicherheitsunternehmen ist? Das Unternehmen, an dem er sich beteiligt, entstand aus einer Firma, die in den 90ern in allen relevanten Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent präsent war und diese... gewann, natürlich für private Auftraggeber. Solche Informationen sind für mich der Auslöser, sich auch mal in einem so kontroversen Thema, wie Bundeswehr, zu äußern. Ich lauf zwar Gefahr, als pro-militärisch bezeichnet zu werden, aber ehrlich gesagt, habe ich lieber eine staatliche Armee beim mir im Land, als eine private, die kaum einer kontrollieren wird.