Angeblich empfiehlt der Wahl-O-Mat keine Parteien. Er ist bloß ein „Informationsangebot“, heißt es auf der Internetseite. In Wirklichkeit dürften sich viele der Nutzer von den Ergebnissen beeinflussen lassen. Vor der Bundestagswahl klickten sich 13,2 Millionen Menschen durch die Fragen. Für die Parteien ist der Wahl-O-Mat also vielleicht die wichtigste Werbeplattform. Sie können sich dort positionieren und ihre Ansichten begründen.
Wie kann es da passieren, dass die Linkspartei so schlampig arbeitet? Sie vertritt auf der Internetseite merkwürdige Positionen und manchmal ist es schlicht ein Rätsel, wie diese zustande gekommen sind. Die Begründung passt nämlich nicht unbedingt zur Forderung.
Merkwürdige Fragen
Da helfen auch keine Ausreden. Die Macher des Wahl-O-Mats haben zwar merkwürdige Fragen gestellt. Soll die gemeinsame Außenpolitik ausgebaut werden? Wer die aktuelle Außenpolitik ablehnt, aber grundsätzlich für eine stärkere Zusammenarbeit ist, hat Schwierigkeiten, diese Frage zu beantworten. Aber um solche Probleme geht es nicht. Die Linkspartei versagt selbst bei relativ einfachen Fragen.
Soll die Europäische Union „durch die Einführung eigener Steuern Teile ihres Haushaltes decken können“? Laut Wahl-O-Mat ist die Linke dagegen. Die Position verwundert, weil die Spitzenkandidatin Gabi Zimmer im Europawahlkampf 2009 die gegenteilige Meinung vertreten hat: „Wir befürworten auch eine Ergänzung des Finanzierungssstems der Europäischen Union in Form einer europäischen Steuer.“ Später hat sich zum Beispiel der Fraktionschef im Hessischen Landtag, Willi van Ooyen, für eine EU-Steuer ausgesprochen. Im aktuellen Wahlprogramm zur Europawahl steht nichts zum Thema. Warum also eine eindeutige Ablehnung?
Kein einziges Argument
Erklären lässt sich die Linkspartei-Position im aktuellen Wahl-O-Mat wohl nur durch eine Pressemitteilung des Bundestagsabgeordneten Alexander Ulrich, die jedoch anscheinend missverstanden wurde. Darin werden EU-Steuern zwar als „reines Sommertheater“ bezeichnet. Allerdings heißt es zur Begründung, sie könnten nicht eingeführt werden, ohne den Vertrag von Lissabon zu ändern. Die EU-Kommission solle nicht „den zweiten Schritt vor dem ersten“ machen und sich erstmal dafür einsetzen, dass alle EU-Staaten auf nationaler Ebene eine Finanztransaktionssteuer erheben. Im Klartext: EU-Steuern können ein langfristiges Ziel sein.
Übrigens: In der Wahl-O-Mat-Begründung nennt die Linkspartei kein einziges Argument gegen EU-Steuern. Stattdessen heißt es dort lediglich: „Der EU werden von den Mitgliedsstaaten, insbesondere von der Bundesrepublik, regelmäßig Zahlungen versagt. Wir verlangen von der Bundesregierung, ihre unseriöse Politik im Rat einzustellen und stattdessen dafür zu sorgen, dass die EU ihre gesetzlich verbrieften Mittel unverzüglich erhält.“
Banken verstaatlichen? Jein!
Bei der Frage, ob alle Banken verstaatlicht werden sollen, gibt die Linke ebenfalls ein schlechtes Bild ab. Sie verhält sich dazu „neutral“, mit folgender Begründung: „Wir sehen das differenziert: Wir brauchen keine Banken, die einerseits riskant spekulieren und andererseits gesellschaftlich sinnvolle Investitionen ausbremsen, weil sich damit keine Superrenditen erzielen lassen. Wir wollen die Banken stattdessen dem Gemeinwohl verpflichten, so wie das heute schon bei den Sparkassen der Fall ist. Deshalb ist es geboten, die privaten Großbanken zu vergesellschaften.“
Was wird da „differenziert“? Alle genannten Argumente sprechen für eine Verstaatlichung, zumal die deutschen Sparkassen in der Regel auch von Städten, Gemeinden oder Landkreisen – also dem Staat – getragen werden. Ein Satz aus dem Wahlprogramm wäre sicherlich hilfreich gewesen, denn er lässt zumindest erahnen, dass zum Beispiel Volksbanken vielleicht nicht verstaatlicht werden sollen. Die Linke schreibt, „kommunale und genossenschaftliche Geldinstitute, die vor allem die regionale Wirtschaft und Infrastruktur fördern“ seien „gezielt zu unterstützen“. Der Wahl-O-Mat-Nutzer erfährt davon nichts.
Nicht so verrückt wie die DKP
Eine dritte Frage: Soll sich die EU „langfristig zu einem europäischen Bundesstaat entwickeln“? Die Linke ist laut Wahl-O-Mat mal wieder dagegen. „Ein Bundesstaat bietet nicht die Lösung der Grundprobleme der EU.“ Und alles, was nicht die Grundprobleme löst, wird abgelehnt? Auch die weitere Begründung ist nicht wirklich erhellend: „Uns geht es um die Richtung der Entwicklung. Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht gibt es eine umfassende neoliberale Ausrichtung der EU. Die Grunsatzverträge der EU sollten neu verhandelt werden, um einen Neustart für eine demokratische, soziale, ökologische und friedliche Europäische Union zu ermöglichen.“
Immerhin: Die Linke ist im Wahl-O-Mat nicht so verrückt wie die DKP. Die Kommunisten enthalten sich bei der Frage nach der „Einführung eines EU-weiten Mindestsatzes für die Besteuerung von Unternehmen“. Begründung: „Solange die sonstigen Ungleichgewichte (Produktivität, Reallöhne etc.) bestehen, nützt [der Mindestsatz] höchstens den ökonomisch starken Wirtschaften, also vor allem der des deutschen Imperialismus.“ Alles klar.
Kommentare 19
Service: Vielleicht liegt es nicht an der Linken, sondern am Wahl-O-mat ;-).
Vllt liegt das Problem aber auch bei Herrn Werdermann. Ich kann die Positionen im Allgemeinen gut nachvollziehen.
Die Begründung der DKP für ihre Enthaltung in der Frage des Mindestlohnes empfinde ich sogar als beeindruckend realistisch.
Ich halte diese Wahl-O-Maten inzwischen für ein Instrument zur Bürgerbesänftigung via (gefilterter)Schnittmengenbildung der Parteisachziele.
Man wird wiedereingemeindet in den bürgerlichen Durchschnitt, selbst wenn da Ausreisser in Sachfragen dabei sind. Davon verabschiedet man sich inhaltlich dann lieber als Wähler, denn besser von der Schnittmenge aller profitieren, als extreme Alternativen austesten. Das Diktum von Adenauer wirkt nachwievor, erst recht in der Krise, Ausnahme sind die üblichen Krisenressentiments gegen Systemfeinde des Guten und Bewährten...
Werdermann: "... Die Kommunisten enthalten sich bei der Frage nach der „Einführung eines EU-weiten Mindestsatzes für die Besteuerung von Unternehmen" ..."
aua :-) danke für den Hinweis
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Geht mir genauso. Nun, Werdermanns regelmäßige Beiträge zu Wahlen sind stets kaum nachvollziehbar oder eben wenigstens um drei unmögliche Ecken gedacht.
Nehmen wir das Bspl. 'Verstaatlichung von Banken'. Wenn DieLinke sagt, es sei "geboten, die privaten Großbanken zu vergesellschaften" heißt das ja nicht zwingend verstaatlichen. Das schließt ja auch die Vergenossenschaftung o.ä. ein.
Und nicht zuletzt steht vor Allem ja die Interpretation der Wahl-O-Mat-Macher: Sie formulieren die Fragen, zu denen sie offenbar bei den meisten Parteien etwas finden, und versuchen eben das dann wieder den Fragen an die Seite zu stellen. Kurz: Zu den Fragen kann es gar nicht immer von jeder Partei eine Antwort geben, die sofort als 100% plausibel ins Auge springt.
Man kann ja durchaus der Meinung sein, dass nicht alle Banken verstaatlicht werden sollten. Aber in der Begründung sollte man dann doch wenigstens schreiben, welche Banken nicht und warum nicht.
"nützt höchstens den ökonomisch starken Wirtschaften" heißt doch übersetzt: das beste was ein Mindestsatz bewirken kann, ist, dass es den starken Wirtschaften besser geht. Das heißt, dass ein solcher Mindestsatz irgendeine Umverteilungswirkung haben kann, wird komplett abgestritten. Das ist doch etwas realitätsfremd.
Sie sind aber auch spitzfindig!
Für Verhältnisse des Politik-Sprechs äußert sich DieLinke hier doch nun wirklich hinreichend klar. "Private Großbanken" sollten "vergesellschaftet" werden. Ist mir schleierhaft, was für Sie daran unklar oder "konfus" ist ... So deutliche Ansagen, egal, in welchem Bereich, haben wir von den großen Parteien nie (ein Vergleich der Wahlplakate lohnt dazu auch). Vielleicht liegt es genau daran: DieLinke macht vergleichsweise (!) konkrete Ansagen, während die großen Parteien im nur allzu allgemeinen Gewäsch hängen bleiben. Erstere provoziert Sie so zum über-genauen Hinschauen, über letztere nachzudenken lohnt sich erst gar nicht. Am I right?
Reichweite und Auswirkung einer auf einen solchen Mindestsatz basierende Umverteilung sind mir auch unklar. Heißt ein pauschaler Mindestsatz nicht, dass die Kleinen, die bisher unterhalb dieses Mindestsatzes liegen, zusätzlich belastet werden, während die Großen mit den Schultern zucken?
Bei den großen Parteien habe ich mir nicht angeguckt, wie sie ihre Positionen begründen und bei der Linken war mir das aufgefallen. Aber ich finde, die Linke sollte eine klare und verständliche Begründung für ihre Position liefern - unabhängig von den großen Parteien.
In Bezug auf die EU-Politik der "Linken" und den EURO habe ich mich den Aussagen von Katja Kipping, immerhin eine der beiden Parteivorsitzenden, auf ihrer Webseite angenommen, auch in Hinblick auf die, hier in der Community in den Diskussionen um die Montagsdemos, häufig gestellte Frage, ob es überhaupt noch Sinn macht von "linken" und "rechten" Positionen zu sprechen.
Den Beitrag finden Sie hier
So und ähnlich ist mir das auch des Öfteren unangenehm aufgefallen. Bei die Linke wird noch jede Aussage, jeder Text auf Ansatzpunkte für Kritik gewendet. Und zwar so lange und intensiv, bis sich die Linke selbst polarisiert, um dem Druck irgendwie auszuweichen.
Natürlich spricht das nicht gegen klare Positionierung. Aber jede Positionierung wird einseitig verstärkt und die großen Medien machen daraus eine "Regierungsunfähigkeit" oder anderweitige Diskriminierung.
Und ein "Mindeststeuersatz" wird sich immer nur auf dem kleinsten Nenner bewegen, der von den ökonomisch starken Ländern bestimmt wird. Was nun besser ist, darüber ließe sich trefflich streiten.
Anstatt sich über ein paar Formulierungen im Wahl-o-Mat zu streiten, sollte man lieber die Hintergründe von so einem Kandidaten wie Jean-Claude Juncker sprechen, dessen schillernde Rolle mit seiner Verbindung zu den Banken und Großkapital von Werner Rügemer beschrieben wird:
"Meister der Hintertreppe".
Solche Beiträge könnten das Profil vom Freitag ein wenig schärfen.
Dass ein Wahl-o-mat bestenfalls ein sarkastischer Witz ist, sollte doch eigentlich jedem klar sein: Oder wird etwa erfasst, welche Partei in der Vergangenheit bei ihren Versprechen gelogen hat?
Bei ebay hätte man SPD, CDU und wie sie alle heißen doch längst die Accounts gelöscht wegen Betrugs.
Und natürlich wird durch Auswahl und Formulierung der Fragen auch das Ergebnis mehr als nur beeinflusst.
Am Ende sind wir schon beim Wählen "alternativlos".
Die Bundeszentrale "für politische Bildung" ist mir schon häufiger als Verklärinstitut aufgefallen:
Ich würde beispielsweise unter "politische Bildung" erwarten das der Neo- nicht mit dem Ordoliberalismus gleichgesetzt wird. Die bpb-Verklärung setzt im Artikel Neoliberalismus aber sogar noch zwei gewichtige Fälschungen oben drauf indem sie in dem kurzen Text auch gleich noch Walter Eucken zum Neoliberalismus konvertiert, vermutlich um im letzten Satz folgefalsch verkünden zu können:
"Die meisten Wirtschaftsordnungen der westlichen Industrienationen, so auch die soziale Marktwirtschaft in Deutschland, basieren heute auf den Prinzipien des Neoliberalismus."
Bei so dreister neoliberaler Propaganda sollte sich niemand wundern wenn eine Darstellung der Positionen von Erzfeinden wie Die.Linke zur Europawahl versehentlich™ zur Karikatur wird.
Konfus (wirkende) Positionen der Linkspartei
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Derzeit gilt die Linke immer noch als Ableger der ehemaligen SED: da wirkt ganz und garnichts konfus.
Sollte Gysi indes abtreten kann man Die Linke getrost abhaken: dann dürfte der Linken eine Konfusion bevorstehen, die sie sich selbst vermutlich nicht eingestehen mag: dann wird sich die linke vmtl selbst zerreiben, ohne dass sie noch Gegner dazu bedürfte.
Das wäre schade allerdings.
Am Ende des Tages bleibt vor allem bei linksorientierten Wählern, die sich versuchen intensiver mit den Programmen zur Europawahl auseinanderzusetzen, ein fader Geschmack eben jener Partei der SED-Nachfolge und des gefährlichen Linkskonservativismus – gefährlich für die Linke.
Interessant ist aber die Beobachtung, dass viele Parteien den Wahl-O-Maten nur als untergeordnete Chance zur Wählerüberzeugung sehen. Die Linke wirkt da tatsächlich besonders hinterher.