Eigentlich könnte sich Annette Schavan jetzt ein ruhiges Leben machen. Nachdem die CDU-Politikerin wegen ihrer Plagiatsaffäre als Bildungsministerin zurückgetreten war, wurde sie mit einem Posten als Botschafterin im Vatikan versorgt. Doch nun wird sie von ihrer Vergangenheit noch einmal eingeholt. Dass sie bei ihrer Doktorarbeit vor mehr als 30 Jahren getäuscht hat, ist inzwischen zwar gerichtlich festgestellt. Welcher Druck aber zuvor auf die Universität Düsseldorf ausgeübt wurde, die den Plagiatsvorwurf prüfen sollte, das zeigt jetzt ein geheimer „Abschlussbericht“ des Dekans der Philosophischen Fakultät.
Der Bericht wurde im Internet geleakt und beleuchtet das Innere des Hochschulbetriebs, das sonst oft verborgen bleibt. Der Bericht zeigt: In der Wissenschaft geht es nicht um das hehre Ideal der Wahrheit oder des herrschaftsfreien Diskurses. Es geht um gute Freunde, um Netzwerke und Machtstrukturen. Der Autor spricht von „massiven Interventionen“ und einer „Rettungskampagne“ für Schavan. „Aktive Präsidenten von Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen waren ohne Kenntnis der Aktenlage an vorderster Front.“
Es geht nicht ums beste Argument
Erwähnt werden amtierende und ehemalige Chefs der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Wissenschaftsrats sowie des katholischen Cusanuswerks. Und der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler. Er habe gefordert, „die politischen Dimensionen zu würdigen und den Gleichheitsgrundsatz zu verletzen“. In einem vertraulichen Brief, der im Anhang des Berichts dokumentiert ist, bittet Hippler darum, die „Reichweite der anstehenden Entscheidung“ zu bedenken. Einige dürften das als subtile Aufforderung verstanden haben, Schavans Arbeit mit Nachsicht zu behandeln.
Der Autor des Berichts und ein Kollege von ihm wurden inzwischen mit der Universitätsmedaille ausgezeichnet. Gelobt wurde „ihre beispielhafte akademische Zivilcourage“. Das passte dem Bundestagspräsidenten und CDU-Politiker Norbert Lammert überhaupt nicht. Er sagte nun deswegen eine Rede an der Uni Düsseldorf ab.
Ist der Wissenschaftsbetrieb von der Politik korrumpiert? Es gibt keine Belege dafür, dass die Einflussnahme von Schavan gesteuert gewesen wäre. Auch über die Frage, ob die Wissenschaftselite der Ministerin nur deswegen zu Hilfe geeilt ist, weil ihr das später nützlich sein könnte, lässt sich lediglich spekulieren. Aber eines ist sicher: An den Unis geht es nicht nur ums beste Argument, sondern auch um Macht. Wie überall.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.