Die überflüssige Karotte

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Umweltschützer essen Eis für das Klima. Carrotmob nennt sich die Aktionsform, bei der gezielt in einem Laden eingekauft wird – der wiederum einen Teile seines Umsatzes für Umweltschutzmaßnahmen ausgibt. Doch nun entwickelt sich der Carrotmob zur Farce, denn Energie sparen lohnt sich für manchen Laden auch ohne Zusatzeinnahmen.

Vor einem Jahr ist die Aktionsform von den USA nach Deutschland geschwappt. In Berlin haben Aktivisten bereits einen Spätkauf, eine Imbussbude und ein Blumengeschäft mit ihrem Besuch geehrt. Nun ist eine Eisdiele im West-Stadtteil Wilmersdorf dran.

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„Ein Carrotmob ist ein ideales Instrument, die Macht des Verbrauchers im positiven Sinne zu nutzen und einen Laden für sein Interesse an der Umwelt zu belohnen“, schwärmt Leon Ginzel, einer der Organisatoren von der BUNDjugend. 200 Kunden möchte er in die Eisdiele mobilisieren. Dem Laden soll im übertragenen Sinne eine Karotte vor die Nase gehalten werden, um ihn in die richtige Richtung zu locken. Daher der Name: Carrotmob.

Energiesparsame Geräte lohnen sich ohnehin

Nur: Die Karotte ist überflüssig. Denn mit dem Geld, dass die Eisdiele „Vanille&Co“ an diesem Tag verdient, werden energiesparsame Geräte gekauft, die sich für den Laden ohnehin lohnen. „Wenn wir jedes Jahr mehrere hundert Euro an Strom sparen, ist das eine gute Investition“, sagt Besitzerin Gisela Trögele. Als zusätzliches Bonbon sind am Sonntag jede Menge neue Kunden gekommen, Trögele erwartet am Nachmittag einen „Umsatzrekord“.

Dass die Eisdiele anscheinend ohnehin neue Geräte kaufen wollte, stört Organisator Ginzel wenig. „Das ist ja für beide Seiten gut – fürs Klima und für den Laden.“ Dennoch: Eigentlich kommen die vielen Menschen umsonst, nein, ihnen wird etwas vorgegaukelt: Mit einem Eis etwas Gutes für die Umwelt tun. Dieses Versprechen wird nicht eingelöst.

Ralf zum Beispiel ist aus Friedrichshain gekommen und ist dafür durch halb Berlin gefahren. Er sitzt im Laden und sagt: „Ich hoffe, dass möglichst viel Geld eingenommen wird, damit der Laden umweltfreundlicher sein kann.“ Da schleckt man doch gerne ein teures Eis. Die Kugel kostet 1 Euro, im Haus sogar 1,50 Euro.

Wechsel zu Ökostrom bringt am meisten

Was mit dem Geld passiert, wird in zwei Wochen festgelegt. Vorher war bereits ein Energieberater vom Umweltverband BUND in der Eisdiele und hat Einsparpotentiale ausgemacht. Ergebnis: Neue Geräte und Lampen sollten gekauft werden, außerdem solle der Laden auf Standy-By-Schaltung verzichten.

Den größten Nutzen für das Klima bringt aber der Wechsel zu einem Ökostromanbieter. Vannille&Co ist inzwischen nicht mehr Kunde von Vattenfall, sondern von Lichtblick. So könnten jährlich insgesamt 12,7 Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) eingespart werden, hat der Energieberater ausgerechnet – das ist etwas mehr als der Durchschnittsdeutsche im Jahr ausstößt.

Damit hat der Carrotmob wohl doch noch einen positiven Nebeneffekt. Die Energieberatung alleine hätte es aber wahrscheinlich auch getan. Dann hätten all die Umweltbewussten ihr Eis auch bei sich zu Hause schlecken können. Oder eben gar nicht – denn das ist wohl immer noch das beste für das Klima.

Bilder von der Aktion gibt es hier.

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