Zum Schluss war die Rezeptpflicht für die „Pille danach“ vor allem ein gutes Arbeitsbeschaffungsprogramm für Frauenärzte. Ihre Lobby kämpfte heftig gegen einen leichteren Zugang zur nachträglichen Empfängnisverhütung. Nun haben sie ihre letzte Verbündete verloren: die Union. CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe will, dass das Präparat Ellaone künftig in der Apotheke zu bekommen ist – und dass man sich dort beraten lassen kann und nicht vorher zum Arzt muss. Endlich.
Es gibt keinen vernünftigen Grund für die Rezeptpflicht. Die Nebenwirkungen des Medikaments sind nicht gefährlicher als die anderer Mittel, die in der Apotheke rezeptfrei gekauft werden können. Und wie oft kommt es vor, dass sich eine Frau wegen der Risiken umentscheidet und sagt: Dann werde ich doch lieber schwanger? Die Entscheidung darf man getrost den Frauen überlassen, man muss sie nicht zum Arzt schicken, um sich dort den Segen zu holen.
Dramatisch sind vielmehr die Nebenwirkungen der Rezeptpflicht: Die Pille danach soll innerhalb von 72 Stunden genommen werden – aber mit jeder Stunde wird es unwahrscheinlicher, dass sie wirkt. Nachts und am Sonntag müssen die Frauen deshalb in die Notaufnahme einer Klinik, die manchmal kilometerweit entfernt liegt.
Kirchlich-konservative Sexualmoral
Dass die Pille danach keine gleichwertige Alternative zu Kondom, Spirale, „Pille davor“ oder anderen Methoden ist, dürfte allen Frauen bewusst sein. Wer fürchtet, dass diese bald exzessiv die Pille danach schlucken, kann ja den Apothekern vorschreiben, ausführlich auf die Risiken hinzuweisen. Eine Arztausbildung ist dafür nicht nötig.
Wie kann es sein, dass trotzdem so lange an der Rezeptpflicht festgehalten wurde? Vielleicht liegt es daran, dass den Betroffenen die starke Stimme fehlt, weil sie Schuldgefühle haben oder verunsichert sind. Es gibt jedoch große Verbände wie Pro Familia, die seit langem für einen besseren Zugang kämpfen. Die kirchlich-konservative Sexualmoral dürfte aber eine Rolle spielen: „Irgendwas kann doch nicht stimmen mit Frauen, die das brauchen.“ „Die Pille danach ist doch fast eine Abtreibung.“
Schon seit Jahren sind SPD, Grüne, Linke und FDP für einen vernünftigen Umgang mit der Pille danach. Nun hat auch die Europäische Arzneimittelagentur empfohlen, die Rezeptpflicht aufzuheben. Schließt sich die EU-Kommission dem an, wäre das für alle Staaten verbindlich. Die Bundesregierung nimmt das als Anlass, um aktiv zu werden. Da kann man ruhig mal sagen: Danke, EU.
Kommentare 14
Das einzig relevante Kritirium für Rezeptpflicht oder -freiheit sollte die Frage der gesundheitlichen Problematik sein. Wenn diese Frage mittlerweile dahin gehend geklärt ist, dass die Pille danach relativ unbedenklich ist - - und danach sieht es aus -, gibt es kaum einen Grund, die Rezeptpflicht aufrecht zu erhalten.
Was nicht heißt, dass es nicht weiterhin Möglichkeiten zum Klagen geben wird. Ich warte auf die ersten Klagen von Frauen, die sich von ihren Partnern gedrängt fühlen, auf die Schnelle gegen oder für die Pille zu entscheiden. Oder von Männern, dass ihre Partnerinnen sich gegen oder für die Pille entschieden hätten.
Dort wo er vorhanden ist, ändert die Pille danach nur die Art des Konflikts, sie behebt ihn nicht.
Das einzig relevante Kritirium für Rezeptpflicht oder -freiheit sollte die Frage der gesundheitlichen Problematik sein.
Wenn es an's Eingemachte geht, knicken wenigsten die Parteien noch ein.
Es ist ein gesellschaftspolitischer Skandal, dass Hinz u. Kunz, Kirche, Ärzte, Krankenhäuser und überhaupt die holde Männlichkeit in unserem Staat wider das Grundgesetz über das Selbstbestimmungsrecht der Frauen bestimmen (wollen).
Die kath. Moral schreibt Frauen noch immer den Gehorsam vor und ist pervers genug zu verlangen, dass jeder Geschlechtsverkehr das Ziel der Zeugung haben muss, da sonst die Sünde der Frau! Freude empfinden dürfen Frauen nur, wenn der Mann den Akt verlangt/wünscht, damit der Arme nicht gzwungen ist, notfalls die Ehe zu brechen (mit einer anderen Frau evtl. im Freudenhaus). Vergewaltigung in der Ehe gab es daher im Zusammenspiel mit den männlichen konserv. Gesetzgebern nicht. Bis in die 9oer Jahre. Das Eigentum Frau ist immer noch zu gebrauchen. Daher fürchte ich, dass Deine Befürchtung durchaus nicht grundlos ist. Hoffen wir, dass der € an der Apothekentheke auch wirkt. Und wie ist es weiterhin in den kath. geführten, vom Staat finanzierten, Krankenhäusern?
Das religiöse Moraldiktat ist gesetzlich zu unterbinden, da es in jedem Fall das Menschenrecht der Selbstbestimmung übergeht!
Im Arbeitsrecht, s. Kündigungen wg. Wiederheirat nach einer Scheidung. Dabei werden Menschen stigmatisiert und wirtschaftlich mit ihrer Familie zerstört. Die Würde des Menschen ist aber nicht kath.; sie ist Seine Würde.
Die kath. Moral schlägt Purzelbäume wenn es sein muss, wie bei den zölib. Priestern, die sich an Kindern sexuell vergehen, die weder exkommuniziert werden, noch vor ein staatliches Strafgericht gestellt werden. Sie werden vielfach nur versetzt und erhalten ein neues "Wirkungsgebiet". Heimliche Vaterschaften sind möglich. Und wehe, es trifft eine sich so geliebte Frau. Es gibt ja die Babyklappen. Ein Heilmittel gegen erzwungene Schwangerschaften?
Auch Dein letzter Satz ist rundum zutreffend.
Feministischer Religionsboykott ist angezeigt.
Die mangelhafte Trennung von Staat und Kirche in Deutschland ist wie so vieles eine Frage der Lobby. Und der Verträge, inklusive Besitzstandswahrung. Niemand kann den Funktionären der KK Ungeschicktheit in der Durchsetzung ihrer Interessen vorwerfen. Das ist ein Problem, das nicht nur für die hier diskutierte Frage virulent ist.
Es steht nur zu befürchten, dass es dafür keine Lösung gibt, außer einer Revolution, einer echten, meine ich. Darauf kannst du lange warten, in diesem unserem Lande.
Hallo Lethe, das ist insgesamt ein verzweigtes Thema, aber ich glaube nicht, dass es keine Lösung gibt. Man muss das zu allererst wollen.
Vielleicht macht campact einmal einen Einstieg mit einer feministischen Campagne zugunsten der "Besitzstandswahrung der Frauenwürde und der der hilflos unmündigen Kinder", die gleichermaßen um ihre Rechte der Selbstbestimmung geprellt werden. Im Widerspruch zu unserem GG.
Nicht alles kann man mit der Besitzstandswahrung begründen. Schon gar nicht das, was gar nicht zu veräußern ist. Und dazu gehören m. E. auch Verträge u. Gesetze, die keine Personenbindung haben, sondern allgemein verpflichtend sind und vermutlich dann auch sittenwidrig wären, wenn sie keine notwendige situationsbedingte Änderungen ermöglichten.
Die Politik macht uns ununterbrochen vor, was sie kann, wenn sie es will. Auch die Religionen zeigen das, wenn sie sonst ihrer Schäflein verlustig gehen. Wenn der Gesetzgeber z. B. alle Verträge mit den Sozialeinrichtungen, Schulen u. Unis löst, können die kirchlichen Sozialverbände in eigener Verantwortung wirtschaften und in den Unis eigene Seminare auf eigene Kosten anbieten. Bis jetzt machen sie ihre Geschäfte zu Lasten der Betroffenen und der Allgemeinheit. Und diese müssen ihre Mitbestimmungsrechte zur Geltung bringen und sich nicht von der Politik auch noch bevormunden lassen.
Auch noch so eine schöne Geschicklichkeit ist durchschaubar, allerdings geht das nicht über Kanzelreden.
Herzl. G.
Ra.
Nicht alles kann man ...
Alles kann man, solange man juristisch damit durchkommt. Ich lasse mich gern davon überzeugen, dass campact oder andere die besseren Rechtsanwälte finanzieren kann^^ aber einfach wird das nicht
Nein, ich stimme als Arzt der Rezeptfreiheit der Pille absolut nicht zu. Die Risiken für Thrombose oder Embolie sind z.B. für übergewichtige Raucherinnen nicht unerheblich. Ganz davon abgesehen wird hier das völlig falsche Signal ausgesendet: Du musst Dich nicht um Verhütung kümmern, nachher gibt's ja immer noch die Pille. Das lädt geradezu zur Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten ein. Es ist ja nicht so, als ob es die Pille vorher nicht gab, nur musste man sie von einem Arzt verschrieben bekommen, was natürlich eine gewisse Hemmschwelle bedeutete. Na und? So ist das mit dem Austritt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Irgendwelche obskuren Fälle in katholischen Krankenhäusern sind Einzelfälle, die als Argument herhalten müssen. Letztlich hat ganz einfach wieder mal die Pharmalobby gewonnen, so wie immer.
Nein, ich stimme als Arzt der Rezeptfreiheit der Pille absolut nicht zu. Die Risiken für Thrombose oder Embolie sind z.B. für übergewichtige Raucherinnen nicht unerheblich. Ganz davon abgesehen wird hier das völlig falsche Signal ausgesendet: Du musst Dich nicht um Verhütung kümmern, nachher gibt's ja immer noch die Pille. Das lädt geradezu zur Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten ein. Es ist ja nicht so, als ob es die Pille vorher nicht gab, nur musste man sie von einem Arzt verschrieben bekommen, was natürlich eine gewisse Hemmschwelle bedeutete. Na und? So ist das mit dem Austritt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Irgendwelche obskuren Fälle in katholischen Krankenhäusern sind Einzelfälle, die als Argument herhalten müssen. Letztlich hat ganz einfach wieder mal die Pharmalobby gewonnen, so wie immer.
"Na und? So ist das mit dem Austritt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit."
- Solange Sie nicht genauer definieren, wie diese Aussage gemeint ist, klingt sie etwas larmoyant (bzw. für mich: "Halbgott-in-Weiß-mäßig" arogant).
Ansonsten bedeutet es PUREN Stress, am Wochenende auf dem Land, womöglich noch ohne Auto, ein Rezept für die Pille danach sowie eine offene Apotheke zu bekommen/finden.
"...Die Risiken für Thrombose oder Embolie sind z.B. für übergewichtige Raucherinnen nicht unerheblich."
- Heißt das, a) daß solche Patientinnen von Ihnen kein Rezept für die Pille danach bekommen?
Oder b) nur unter anschließender, ärztlicher Dauerbeaufsichtigung?
In Fall a) glauben Sie, daß eine Schwangerschaft oder eine Abtreibung für diese Patientinnen dann ein geringeres gesundheitliches Risiko darstellt, so daß Sie Ihnen stattdessen dann diese "verordnen"?
In Fall b) wie muß ich mir die ärztliche Dauerbeaufsichtigung dann vorstellen: Mit dem Arzt in Dauerrufbereitschaft verbunden? Oder auf einer Intensivstation?
"...Ganz davon abgesehen wird hier das völlig falsche Signal ausgesendet: Du musst Dich nicht um Verhütung kümmern, nachher gibt's ja immer noch die Pille. Das lädt geradezu zur Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten ein."-
- DAS ist eine unverschämte Unterstellung, oberlehrerhafte Anmaßung und ein typisches Beispiel für die Attitüde, mit der ein immer noch (zu) großer Teil der Ärzteschaft ihren Patienten begegnet, BESONDERS, wenn es sich um WEIBLICHE Patienten handelt.
Und was ist mit der Rezeptpflicht für Antibabypillen allgemein? Jedesmal muss man sich untersuchen lassen, wahlweise von (zumeist) groben und unfreundlichen Frauenärztinnen (falschen Beruf gewählt? Warum muss man seinen Patientiennen weh tun?) oder (zumeist) heterosexuellen Frauenärzten. Beides keine echte Option. Von den Krankenkassen so bevormundet zu werden für so eine Banalität wie die Pille: Typisch für den Umgang mit Frauen.
Und was ist mit der Rezeptpflicht für Antibabypillen allgemein? Jedesmal muss man sich untersuchen lassen, wahlweise von (zumeist) groben und unfreundlichen Frauenärztinnen (Falschen Beruf gewählt? Warum muss man seinen Patientinnen weh tun?) oder (zumeist) heterosexuellen Frauenärzten. Beides keine echte Option. Von den Krankenkassen so bevormundet zu werden für eine Banalität wie die Pille: Typisch für den Umgang mit Frauen.
Ich glaube, bei Ihnen kann man nicht gewinnen, außer man gibt Ihnen Recht. Im übrigen empfehle ich Kant.
Es tut mir sehr leid, dass Sie sich als Opfer fühlen.
Sie meinen den Kantschen Imperativ? - Sehr richtig, der sollte in viel mehr Zusammenhängen respektiert werden.
Und nein: Ich bin kein Opfer, sondern kann mich ganz gut wehren. Aber kann mich in die Situation anderer Menschen hineinversetzen.
Nachdem wir das nun geklärt haben: Wie wär´s mit konkreten Antworten?
Was den von mir hochgeschätzten I. Kant angeht:
selbstverschuldete Unvernunft und Mittel zum Überwinden sind Haupthema der "Kritik der reinen Vernunft" und den "Prologomena"
der kategorische (kantsche) Imperativ ist ein ethisches Modell aus der "Kritik der praktischen Vernunft" und ff
greetings from the pit abghoul
Ja, danke, aber das waren nicht die Antworten auf die konkreten Fragen, die ich gestellt hatte.