Ethik-Kommission: Was sie schreibt, wo die Hintertüren sind

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der schwarz-gelbe Atomausstieg nimmt Formen an. Heute hat die von Bundeskanzlerin Merkel eingesetzte Ethik-Kommission zum Atomausstieg ihren Abschlussbericht vorgestellt. Empfehlung: Noch zehn Jahre Atomkraft. Das ähnelt dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss. Doch es gibt einige Hintertüren.

Der Atomausstieg in zehn Jahren: „Dieses Ziel und die notwendigen Maßnahmen sollte sich die Gesellschaft verbindlich vornehmen.“ Verbindlich vornehmen? Oder verbindlich aussteigen? Die Formulierung ist nicht die einzige, die Zweifel an dem gesicherten Ausstieg bis 2021 aufkommen lässt.

Das Ausstiegsdatum: In einem bekannt gewordenen Zwischenbericht war noch vom Jahr „2021“ die Rede, diese Zahl wurde gestrichen. Stattdessen ist nun von „zehn Jahren“ und „einem Jahrzehnt“ die Rede.

Bei der Vorstellung rechnet der Kommissionsvorsitzende Klaus Töpfer zwar vor: Übergeben im Mai 2011, plus zehn Jahre, das ergebe das Jahr 2021. Doch ob man das Jahrzehnt soweit ausdehnen kann, dass darunter einen Ausstieg bis 2022 fällt (wie ihn die Bundesregierung derzeit offenbar plant), lässt er offen.

Der Weg dahin: Die sieben ältesten AKW und der Reaktor in Krümmel sind derzeit wegen des Moratoriums vom Netz. Das soll nach Ansicht der Ethik-Kommission auch so bleiben, ein Reaktor als Kaltreserve sei „nicht empfehlenswert“.

Was mit den anderen Anlagen passiert, wird nicht genauer erläutert. Für die einzelnen Reaktoren fehlen sowohl Jahreszahlen für das Abschalten als auch (alternativ dazu) sogenannte Reststrommengen, die noch produziert werden dürfen, bevor ein AKW stillgelegt wird.

In welcher Reihenfolge die AKW vom Netz genommen werden, „sollte sich nach ihrem verbleibenden Risiko und ihrer Bedeutung im regionalen Stromnetz richten“. Was das zu bedeuten hat, darüber werden sich noch viele Experten streiten.

Die Ausstiegskontrolle: Das Auslaufen der Atomenergienutzung soll überwacht werden – von einem Parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende, vergleichbar mit dem Wehrbeauftragten. Er oder sie soll prüfen, „ob die getroffenen Maßnahmen tatsächlich zu den gewünschten Zielen führen und überwacht die Beendigung der Nutzung der Atomkraftwerke in Deutschland mit allen flexiblen Möglichkeiten zur sicheren Energieversorgung.“ Dazu soll mindestens einmal jährlich ein Bericht erstellt werden.

Nun, was passiert, wenn die Maßnahmen nicht ausreichen, um Erneuerbare, Energieeffizienz, etc. voranzutreiben? Dann sollten „zusätzliche Maßnahmen“ getroffen werden, sagt Kommissionschef Töpfer. Das Zeitfenster habe man „nicht nach hinten geöffnet, sondern nach vorne“. Schneller ist also möglich.

Wenn aber noch „zusätzliche Maßnahmen“ getroffen werden können, werden anscheinend (noch) nicht alle Mittel ausgeschöpft. Dabei heißt es in dem Bericht auch: „Aus ethischen Gründen sollen die Atomkraftwerke nur so lange laufen, bis ihre Leistung durch eine risikoärmere Energieversorgung ersetzt werden kann.“

Vielleicht könnte sich das Monotoring aber auch als Hintertür für einen späteren Ausstieg erweisen. Greenpeace kritisiert bereits, dass dadurch Abschalttermine für einzelne AKW nach hinten verzögert werden könnten.

Die Akzeptanzbeschaffung: Massenproteste und gesellschaftliche Spaltung sollen der Vergangenheit angehören. Denn: „Das Nationale Forum Energiewende organisiert den öffentlichen Diskurs zur Energiewende.“ Alle Interessierten können sich beteiligen, Transparenz sei „das oberste Gebot“.

Wer sich hinter dem Forum verbergen soll, ist dem Kommissionsbericht nicht zu entnehmen. Aber eine weitere Aufgabe: Der Träger „soll die Anregungen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger aufgreifen und den politisch Verantwortlichen zuleiten.“ Als ob die zahlreichen Vorschläge zum Atomausstieg nicht seit Jahren bekannt wären – auch den Regierungspolitikern. Möglicherweise funktioniert das Nationale Forum Energiewende eher als Beruhigungspille für eine atomkraftkritische Bevölkerung.

Die Endlagersuche: Seit Jahren gibt es politischen Streit zur Frage, ob neben Gorleben auch an anderen möglichen Endlagerstandorten erkundet werden soll. Die Ethik-Kommission empfiehlt nun, den radioaktiven Abfall „auf rückholbare Weise zu lagern“. Das „erweitert“ nach Ansicht der Kommission zwar „den Suchraum“, eine vergleichende Untersuchung empfiehlt sie aber nicht ausdrücklich. Vielleicht entscheidet man sich am Ende dann doch für die einfachste und billigste Lösung: Gorleben.

Hier noch einmal zum selber und komplett nachlesen: Der Abschlussbericht von Merkels Ethik-Kommission (pdf).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden