Mit Sicherheit ein falsches System

Asylbewerber In deutschen Flüchtlingsheimen wurden Bewohner vom Personal gequält. Die Politik verspricht kleine Verbesserungen. Nötig wäre aber, Privatfirmen hinauszuschmeißen
Ausgabe 40/2014

Das Foto schockiert: Ein Asylbewerber liegt am Boden, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Ein Wachmann posiert daneben, der Fuß im Nacken des Flüchtlings. Diese Szene spielt nicht in Abu Ghraib, sondern in einem Flüchtlingsheim im nordrhein-westfälischen Burbach. Die Bewohner sind von den Sicherheitsleuten gedemütigt und misshandelt worden. Als das bekannt wurde, war der Aufschrei groß. Nun ermittelt die Polizei, und die Politik verspricht ein paar kleine Verbesserungen. Doch niemand zieht die notwendigen Konsequenzen: In Flüchtlingsunterkünften müssen private Sicherheitsdienste tabu sein. Generell sollten die Heime nicht von profitorientierten Privatunternehmen betrieben werden.

Das ganze Ausmaß des Skandals ist noch gar nicht absehbar. Es gibt ein weiteres Video, auf dem ein Flüchtling aufgefordert wird, sich in Erbrochenes zu legen. Die Polizei ermittelt inzwischen auch in anderen Einrichtungen des Betreibers European Homecare. Eilig gibt es die ersten Reaktionen: European Homecare hat sich in Nordrhein-Westfalen vom in der Kritik stehenden Sicherheitsdienst getrennt, der Sicherheitsdienst selbst hat den beschuldigten Mitarbeitern fristlos gekündigt.

Und die Politiker? Finden auch ganz flott die Schuldigen. CDU-Landeschef Armin Laschet sagt, die rot-grüne Regierung in Düsseldorf habe „die Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen wie das erforderlich wäre“. Der SPD-Innenminister Ralf Jäger hingegen sieht einen „Angriff von Kriminellen“. Er will nun mehr Personal bereitstellen zur Kontrolle der Standards in Flüchtlingsheimen. Und Politiker aller Parteien zusammen versprechen schnelle Aufklärung. Damit die Welt morgen wieder in Ordnung ist.

Aber so wird es nicht sein. Es geht nämlich um mehr als einen Einzelfall.

Lohndumping und miese Stimmung

Die Bedingungen in den Heimen sind oft miserabel, die Probleme seit langem bekannt. Die Flüchtlinge aus dem Abschiebegefängnis im nordrhein-westfälischen Büren berichten beispielsweise, das private Sicherheitspersonal sei noch unfreundlicher als die Beamten, die dort arbeiten. Man kann nun, wie etwa der Verein Pro Asyl, eine unabhängige Beschwerdestelle fordern, bei der Flüchtlinge anonym Vorfälle melden können. Das ist ein erster Schritt, aber mehr auch nicht. Notwendig ist etwas anderes: Der Staat muss sich wieder um die Unterbringung der Asylbewerber kümmern und darf dies nicht länger Privatunternehmen überlassen.

Das Outsourcing wird gemacht, um Kosten zu sparen. Die Folge: Die Heime verfallen, die Löhne des Personals werden gedrückt. Kein Wunder, dass dort nur schlecht ausgebildete Leute arbeiten. Kein Wunder, dass die Stimmung mies ist. Kein Wunder, dass man gerne nach unten tritt, auf Menschen vermeintlich zweiter Klasse.

Für den Staat ist es stets aufwendiger und fehleranfälliger, die privaten Heimbetreiber zu kontrollieren als die eigenen Beamten. Warum sollte überhaupt eine Firma mit Flüchtlingen Gewinn machen? Zumal dadurch eine Industrie entsteht, mit einem wirtschaftlichen Interesse am Fortbestand des jetzigen Unterbringungssystems. Das ist vielleicht der größte Fehler. Denn es gibt eine simple Methode, um weitere Skandale zu verhindern: Heime auflösen, Flüchtlinge in normalen Wohnungen unterbringen.

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