Bruchstelle mit Absicht: Gibt's das wirklich?

Wegwerfgesellschaft Haushaltsgeräte landen schneller im Müll und gehen auch schneller kaputt als früher. Bauen die Hersteller absichtlich Schwachstellen ein, um mehr zu verkaufen?
Ausgabe 10/2015
Qualitätscheck beim Kühlschrank. Ob es was hilft, steht auf einem anderen Blatt
Qualitätscheck beim Kühlschrank. Ob es was hilft, steht auf einem anderen Blatt

Foto: Keystone/AFP/Getty Images

Wegwerfgesellschaft total: Die Deutschen nutzen ihre großen Haushaltsgeräte immer kürzer, bevor diese in den Müll wandern. Zum einen werden Flachbildfernseher inzwischen schneller ersetzt als früher die Röhrenfernseher, selbst wenn sie noch funktionieren. Zum anderen gehen TV, Kühlschrank und Waschmaschine aber auch früher kaputt. Das haben das Umweltbundesamt und das Öko-Institut jetzt herausgefunden. Sofort stellt sich die Frage: Woran liegt’s? Bauen die Hersteller vielleicht sogar absichtlich Schwachstellen ein, damit sie mehr verkaufen können? Es gibt einen Fachbegriff dafür: geplante Obsoleszenz.

Die Wissenschaftler wollen der Frage nach dem beabsichtigten Verschleiß in einer zweiten Studie nachgehen, die Ende des Jahres veröffentlicht werden soll. Bislang hat die Bundesregierung alle Anträge für ein Gesetz gegen die gezielte Verkürzung der Lebensdauer abgelehnt, mit dem Hinweis, dass nicht nachgewiesen sei, ob auf Kosten der Verbraucher getrickst werde. Das ist in der Tat schwer nachzuweisen, aber kein Grund, so weiterzumachen wie bisher.

Unklare Grenzen

Dass absichtlich Schwachstellen eingebaut werden, dürfte der Ausnahmefall sein. Aber was ist mit Ersatzteilen, die schon nach einem Jahr nicht mehr hergestellt werden? Vielleicht ist das geplante Obsoleszenz, vielleicht will die Teile einfach nur fast niemand haben. Was ist mit fest verklebten Bauteilen in Smartphones? Die machen das Handy klein und leistungsfähig, aber das Reparieren nahezu unmöglich. Dann gibt es noch ständig neue Betriebssysteme und natürlich die Werbung, die uns unterschwellig einflüstert, dass wir andauernd neue Geräte brauchen. Hinzu kommen komplizierte Fälle: Beispielsweise kostet ein Gerät in der Produktion vielleicht 100 Euro und hält fünf Jahre. Es gibt ein Zusatzteil, das zwei Euro extra kostet, die Lebensdauer verdoppeln kann – aber nicht eingebaut wird. Das kann geplante Obsoleszenz sein. Oder bloß die Entscheidung für die günstigste Herstellung.

Diese unklaren Grenzen sprechen allerdings nicht gegen eine gesetzliche Regulierung. In Frankreich wurde der Pfusch in dieser Woche verboten und kann mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Dort hofft man auf Hinweisgeber aus den Unternehmen. Zudem sind Hersteller verpflichtet, Ersatzteile vorzuhalten und Angaben zur voraussichtlichen Nutzungsdauer zu machen. Das ist sinnvoll, denn eine freiwillige Mindestgarantie für manche Geräte reicht nicht aus. Wer das Wegwerfen beenden will, braucht einen aufgeklärten Verbraucher. Und den gibt es nur mit deutlich mehr Transparenz.

Hinweis: In der früheren Version dieses Textes war von einer "Sollbruchstelle" die Rede. Dieser Begriff bezeichnet jedoch nicht die geplante Obsoleszenz und wurde daher falsch verwendet

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