Bisher war die Pkw-Maut für Ausländer vor allem ein Stück aus dem Koalitionstheater: Die kleine CSU musste ihre Stärke beweisen und deshalb den abwegigen Vorschlag durchbringen, den sie wahlkampftrunken gemacht hatte und dessen Umsetzung sich europarechtlich als so kompliziert erweist, dass man über die Bemühungen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt nur den Kopf schütteln kann. Jetzt aber könnte die Maut zu einem ernsten Problem werden. Alle Autofahrer sollen mit dem Nummernschild erfasst, die Daten 13 Monate lang gespeichert werden. Es droht die Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür.
Bisher hatte das Problem niemand auf dem Schirm, weil von einer Vignette die Rede war. Nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfs jedoch laufen Datenschützer Sturm. Wie berechtigt ihre Sorgen sind, sieht man am Vorstoß des Bundeskriminalamts. Dessen Präsident Jörg Ziercke forderte bereits, dass die erhobenen Daten „in besonderen Ausnahmefällen der Schwerstkriminalität“ auch für Ermittlungen genutzt werden dürfen.
Eine Beruhigungspille
Dobrindt wies dies zwar zurück, aber die Diskussion wird uns sicher noch öfter einholen. Das beste Beispiel ist die bereits bestehende Lkw-Maut. Dort werden zwar keine Nummernschilder, sondern spezielle Zähler registriert, zudem ist im Gesetz festgeschrieben, dass die Daten nur für die Maut genutzt werden dürfen. Trotzdem vergeht kaum ein Monat, in dem kein Unionspolitiker mit neuen Forderungen versucht, den Datenschutz aufzuweichen.
Wenn die Kameras einmal installiert sind, wird es bei der Pkw-Maut genauso sein. Ein Verbot, die Daten auch für polizeiliche Zwecke zu nutzen, wäre lediglich eine Beruhigungspille, um die Maut durchzukriegen. Früher oder später wird das Verbot ausgehebelt werden.
Den Sprit besteuern
Dabei gibt es keinen nachvollziehbaren Grund für die Erfassung der Kennzeichen. Es kann ja durchaus sinnvoll sein, die Autofahrer an den Kosten für die Instandhaltung der Straßen zu beteiligen, anstatt alles der Allgemeinheit aufzubrummen. Aber dafür würde eine Vignette reichen. Wenn Vielfahrer stärker belastet werden sollen als Wenigfahrer – was auch ökologisch sinnvoll wäre –, muss stattdessen der Sprit höher besteuert werden.
Zwar entspräche diese Zusatzsteuer nicht exakt der Abnutzung der Straßen, weil der Spriverbrauch pro Kilometer nicht bei allen Autos gleich ist. Doch dafür könnte auf die Kontroll-Infrastruktur verzichtet werden, das spart Kosten. Das alles ginge schnell und unbürokratisch. Und die Datenschützer wären auch zufrieden.
Kommentare 10
Dann schließe ich mich doch lieber dem ultimativen Mautkonzept von Sigismund Ruestig an. Der schlägt - in Anlehnung an den letzten Seehofer-Kompromissvorschlag (Landstraßen ausnehmen), den jetzt auch beflissen Minister Dobrindt leicht modifiziert übernimmt, vor: Neben Landstraßen werden auch Bundesstraßen und Autobahnen aus dem bisherigen Konzept herausgenommen.
Bei den verbleibenden Verkehrswegen sind die Eisenbahnverkehrswege künftig als unkritisch zu bewerten, nachdem sich die Deutsche Bahn entschlossen hat, Autozüge aus ihrem Portfolio zu streichen. Wasser- und Luftstraßen stellen allerdings noch ein konzeptionelles Problem dar. Zwar spielen fliegende bzw. schwimmende PKW - sogenannte Amphibienfahrzeuge - mengenmäßig - noch - keine Rolle ( nebenbei: die Frage, ob fliegende PKW mit dem steuerbegünstigten Flugbenzin betrieben werden können, harrt auch noch einer Regelung), allerdings ist nicht auszuschließen, dass bei Einführung dieser Maut die Verkehrsströme derart umgelenkt werden, dass PKW vermehrt im sogenannten Huckepack-Verfahren per Transportflugzeug oder Containerschiff durch Deutschland geleitet werden. Experten haben jedoch schon erkundet, dass in derartigen Fällen anstelle einer PKW-Maut eine Flugzeug- bzw. Schiffsmaut erhoben werden müsste, was definitiv nicht mehr durch den Koalitionsvertrag abgedeckt wäre. Damit würde man auch der Problematik von neu einzurichtenden Mautflug- bzw. -schiffshäfen aus dem Wege gehen, auf denen die entsprechenden Transportflugzeuge bzw. -schiffe zwecks Abwicklung der erforderlichen Mautformalitäten natürlich zwischenlanden bzw. - anlegen müssten.
Auch ist noch offen, wie Amphibienfahrzeuge mauttechnisch zu behandeln wären, die wie z.B. bei dem Jahrhunderthochwasser von 2002 die überschwemmte Elbe-A9-Autobahnbrücke überfahren wollten.Und für die -natürlich von keinem gewollte- Erstellung von Bewegungsprofilen schlägt Sigismund Ruestig eine einfachere Lösung vor: das Mitführen von Handys im Auto sollte künftig, wie z.B. ein Verbandskasten, Pflicht werden. Das sollte dann auch dem BKA gefallen!
Singer Songwriter Sigismund Ruestig hat humorvoll und kritisch weitere Politkonzepte auf YouTube besungen:
http://youtu.be/-5X2P5J6MiA
Viel Spaß beim Anhören!
Vom „fälschungssicheren“ Kennzeichen zur Totalüberwachung
Das Vorgeplänkel hat länger gedauert als zu erwarten, aber jetzt ist die Katze aus dem Sack: wir stehen kurz vor der Legalisierung der flächendeckenden, individualisierten Erfassung der Bewegungen aller motorisierten Bürger, auch derer, die keine Ortungswanze aka Mobiltelefon mit sich führen.
Als unter dem bewusst irreführenden Schlagwort „fälschungssicher“ die OCR-Kennzeichen eingeführt wurden, war schon klar, wohin die Reise gehen soll. Sind die Mautbrücken erst mit Kameras nachgerüstet, wird es kein Halten mehr geben. Was man erfassen kann, wird erfasst, Rechtfertigungen finden sich immer.
Das treuherzige Versprechen, die Daten würden nach Abgleich gelöscht, wird auch schon relativiert. Es ist oohnehin wertlos. Dank des guten Einvernehmens deutscher Behörden mit den US-Geheimdiensten** werden auch diese Daten so oder so den Weg aller Daten nehmen: zu unseren überaus neugierigen Freunden in Fort Meade, Langley und Washington.
Es sollte jetzt klar sein, dass die Maut ganz anderen Zwecken dient als den behaupteten. CSU, Kanzlerin, Innenministerium und BKA fahren Ablenkungsmanöver mit verteilten Rollen. Schäubles Traum droht wahr zu werden.
Die Entwicklungen der letzten Jahre gehen alle in eine und dieselbe Richtung. Viele kleine Schritte auf diesem Weg mussten wir schon über uns ergehen lassen. Am Ende des Weges steht der totalitäre Überwachungsstaat. Wieviel Kontrolle lassen wir uns noch gefallen?
--
**) www.spiegel.de/media/media-34000.pdf
Manches lässt sich nur noch mit Humor ertragen!
Hier meine satirische Antwort zum Thema:
Horsty und die Maut. --- Viel Vergnügen! https://www.youtube.com/watch?v=Qg9R4eKGzHE
Man möge sich nicht vorstellen, wenn diese Daten dann mit Daten aus Handy- und Kreditkartennutzung abgeglichen werden. Sollte man sein Nummernschild mit Pferdemist verpixeln?
daß finanzamt, behörden, krankenkassen usw. darauf zum teil zugriff erhalten werden darf man mit 100%iger sicherheit annehmen. ebenso nsa und andere.
daß die maut und später auch wieder die kfz steuer steigen wird dürfte auch sicher sein, da die verwaltung fast den gesamten gewinn auffrißt.
datenschutz? nun ja, der existiert in unserer demokratie kaum noch. wir werden sicher ein überwachungsstaat in kleinen schritten. bisher geht es meist nur in eine richtung. wann in letzter zeit wurde der datenschutz verschärft?
geringer datenschutz, überwachung usw. sind zeichen einer marschrichtung in die anfänge einer diktatur. wie ausgeprägt sie sein wird ist die frage.
ein schleichender prozess wird kaum bemerkt und im zeichen der sicherheit läßt sich vieles einführen, was man vorher als diktatorische maßnahme bezeichnet hätte.
Und irgendwann gibt es dann den 'Verichip' für alle.
In den USA stehen schon jede Menge 'FEMA-Camps' bereit, für die Leute, die nicht orbrigkeitshörig genug sind und Homeland Security bunkert tonnenweise Munition für den Inlandseinsatz...
Die Menschen sind wie Frösche im heißer werdenden Wasser. Solange der Temperaturanstieg nur langsam voranschreitet, bleiben die Frösche sitzen, bis sie gekocht werden. Schöne neue Welt.
Hallo Herr Werdermann, schön, dass Sie sich der "Mautdiskussion" annehmen. Ich möchte das ganze mal von hinten her aufrollen:
"Zwar entspräche diese Zusatzsteuer nicht exakt der Abnutzung der Straßen, weil der Spriverbrauch pro Kilometer nicht bei allen Autos gleich ist. Doch dafür könnte auf die Kontroll-Infrastruktur verzichtet werden, das spart Kosten."
Der Zusammenhang hier ist mir nicht deutlich, ein voll beladener 40-Tonner LKW belastet die Fahrbahn einer Straße in etwa so stark wie 100.000 PKW, der individuelle Personenverkehr ist in diesem Kontext vollkommen vernachlässigbar.
Um so interessanter ist die Frage, was tatsächlich hinter diese Plänen steckt. Ich hatte selbst einen Beitrag in der Community verfasst, und bei einem anderen Mitschreiber einen Kommentar hinterlassen, der sich auf die Aussage von H. Seehofer beim BR bezieht: "Die Pkw-Maut ist im besonderen bayerischen Interesse, da der Freistaat als Transitland stark betroffen ist. Sie bringt ein Stück weit Gerechtigkeit, weil in fast allen angrenzenden Ländern und im europäischen Ausland eine solche Abgabe erhoben wird." (H. Seehofer)
Hierzu mein Kommentar:
"Mich törnt vor allem diese Lüge, in anderen europäischen Ländern wäre das, was jetzt geplant ist bereits Realität, ab. Ich bin von Norddeutschland bis nach Lissabon gefahren und habe knapp 12,00 EUR Mautgebühren bezahlt, weil ich keinen Bock hatte, mich in den Pyrenäen für 20 Kilometer Luftlinie 1,5 Stunden über eine Serpentinennationalstraße zu quälen, aber noch vor Burgos war ich da bereits wieder runter von der Autovia und später, ab Vittoria-Gasteiz, ist die Autobhan bis an die portugisische Grenze komplett kostenfrei. Entweder der Seehofer Horschtl hat keine Ahnung oder er ist einfach ein Lügner, ob da aber nun eines von beiden oder beides in Kombination Grundvoraussetzung für den Posten des Könichs von Bayern ist, das müssen die Bajuwaren beantworten. Ein Hindernis scheint es immerhin nicht zu sein."
Hinzufügen möchte ich noch, dass ich es als eine ausgemachte Frechheit empfinde, aus dem Mund dieses Mannes das Wort "Gerechtigkeit" vernehmen zu müssen.
Das mit den 100.000 ist interessant. Wobei ich schätze, dass die Straßen sich mit der Zeit auch ohne Verkehr abnutzen. Was bedeuten würde, dass den Pkw alleine für das Wegnehmen des Platzes eine gewisse Abnutzung angerechnet werden müsste.
Danke für die Antwort. Natürlich "nutzt" ein Fahrzeugbesitzer ohne eigenen Standplatz oder Garage den öffentlichen Raum, aber nur solange er das Fahrzeug nicht benutzt, denn die Straßen an sich, sind ja ausschließlich für den Verkehr vorhanden. Die "Verwitterung" von Straßen ist ebenfalls zu vernachlässigen, der Unterbau von Straßen ist so solide, dass Unkraut da kaum eine Möglichkeit hat durchzuwuchern. Erst wenn erste Schäden an der Oberfläche entstanden sind, zumeist durch den LKW-Verkehr, haben Frost + Co. eine Chance.
Viel wichtiger ist in dieser Diskussion für mich der Datenschutz. Wie kommt es, dass über die gesamte Dauer der Überlegungen und Diskussionen nur über eine Vignette geredet wird, und ganz plötzlich zaubert der Herr V-Minister, mit seinem x-ten Plan, wo alle der Diskussion bereits überdrüssig sind, diese E-Vignette aus dem Hut! Das ganze, ohne hinreichende Argumente und auf die Gefahr hin, das Land zu einem potenziellen Überwachungsstaat zu machen. Hier überschreitet der V-Minister nicht nur seine Kompetenzen, denn solche ein "Plan" muß gesamtgesellschaftlich diskutiert werden, sondern er gibt zusätzlich auch noch eine Garantie, von der jeder weiß, dass er dieses nicht garantieren kann.
Wenn BND, V-schutz, Staatsschutz ode MAD bei Toll-Collect anklopfen, denn die haben den Zugriff auf die Daten, nicht der Staat selbst, dann werden diese Daten herausgegeben, das ist so sicher, wie das "Amen" in der Kirche.
Und da stelle ich mir erneut die Frage, ob D-land mit einem Minister glücklich werden kann, der entweder zu doof ist, oder den seine eigenen gegebenen Garantien am Allerwersten vorbei gehen?