Das Karl-Liebknecht-Haus war der richtige Ort für den Protest: Greenpeace besetzte nicht die Landeszentrale, sondern die Bundeszentrale der Linken. Dass die Partei in Brandenburg einen neuen Braunkohle-Tagebauabschnitt genehmigt hat, ist nämlich nicht bloß Regionalpolitik. Die Entscheidung stellt die Glaubwürdigkeit und damit die Existenzberechtigung der Linkspartei in ganz Deutschland in Frage.
Die Linkspartei positioniert sich immer wieder gegen die klimaschädliche Braunkohle, bringt im Bundestag einen Gesetzentwurf für einen Ausstieg ein. Auch in Brandenburg wurde ein Wahlkampf gegen neue Tagebaue gemacht. Doch in Regierungsverantwortung zählen solche Versprechen offenbar wenig. Das rot-rote Kabinett hat am Dienstag den neuen Tagebaubschnitt Welzow-Süd II genehmigt. Die Argumente der verantwortlichen Linken-Minister sind allesamt realitätsfern.
Keine inhaltliche Begründung
Sie beziehen sich gar nicht auf Inhalte, sondern nur noch auf Formalitäten. Schon als das Thema erstmals aufkam, hieß es, Welzow-Süd II sei gar kein neuer Tagebau, sondern bloß die Erweiterung eines bestehenden – also habe die Linke gar nicht gegen ihre Wahlversprechen verstoßen. Das kann man so sehen, ist aber recht spitzfindig.
Jetzt sagt beispielsweise der linke Justizminister und Vize-Regierungschef Helmuth Markov, der Beschluss könne noch revidiert werden, zum Beispiel stehe noch das förmliche Verfahren aus, Bürger können klagen. Aber wer beschließt schon einen Tagebau in der Hoffnung, dass er später von Gerichten gekippt wird? Das ist absurd.
Ähnlich abwegig ist auch das Argument der Brandenburger Minister, bei Ablehnung wäre die rot-rote-Koalition geplatzt. Im September sind ohnehin neue Landtagswahlen. Die Braunkohlepolitik würde bei einem Bruch der Koalition zum wichtigsten Wahlkampfthema und davon würde die Linkspartei profitieren. 73 Prozent der Brandenburger und 88 Prozent aller Deutschen halten neue Tagebaue mit großen Umweltschäden nämlich für unverantwortlich, hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag von Greenpeace ergeben. Bei den Linke-Anhängern in Deutschland sind es sogar 91 Prozent.
Dass nun die Minister in Brandenburg – wahrscheinlich auch auf Druck des ohnehin kohlefreundlichen Wirtschaftsministers Ralf Christoffers – anders abgestimmt haben, konnte die Bundespartei nicht verhindern. Ein Zwang von oben ist weder möglich noch wünschenswert. Klar sollte aber auch sein: Wer so krass gegen die Parteilinie verstößt und damit die Glaubwürdigkeit zerstört, sollte sich für einen Posten in der Bundespolitik disqualifiziert haben.
Kommentare 13
Die Entscheidung stellt die Glaubwürdigkeit und damit die Existenzberechtigung der Linkspartei in ganz Deutschland in Frage.
nein, lieber felix, das sehe ich anders. die existenzberechtigung und die glaubwürdigkeit des parteienregiments stellt die linke allerdings in frage, und damit auch sich selbst als teil des parteiensystems.
Witzig witizg, da versucht Die Linke doch tatsächlich sowas wie DIE Politik zu machen, die von allen Seiten von ihr gefordert werden, fast allen Seiten, nämlich bürgerlich verantwortungsvoll ökonomiefreundlich oder was sonst noch von den Etablierten so dahergeschwafelt wird, und wird darauf prompt bezichtigt nicht politikfähig zu sein, weil populistisch. Bezichtig dann von ALLEN Seiten. Ja was denn jetzt? Sollen die Linken, aka Ex-SPD, nun die breiten Wählerschichten erreichen oder nicht? Oder soll alles beim alten Scheiss bleiben?
Was man seit Jahren seitens der Politik erfährt dürfte auch seinen Ursprung in genau diesen Verhaltensmustern haben: Das große leckt-uns-doch-am-Arsch von oben nach unten.
Wundert mich nicht mehr.
Auch nicht das große leckt-uns-doch am-Arsch von unten nach oben in Form rechter Protestwähler.
Ist das evtl. das Deutsche in der Politik? Oder einfach nur miefiges sattes Kleinbürgergekeife?
...Bürger können klagen.
Entzückend! Das Kostenrisiko eines Rechtsstreits mit einem moderat angenommenen Streitwert von € 1 Mio. beläuft sich auf € 40.452,45 + die Kosten für Sachverständigengutachten. Diese können locker nochmal ebenso hoch werden. Das verlockt die Bürger ja richtig zum Klagen.
so, so nun soll sich die existenzberechtigung einer partei, wohl gemerkt: einer politischen gruppe, die an wahlen teilnimmt und mit positionen zu themen die die potentiellen wähler interessieren um wählerstimmen konkurriert(!), also an der kohlefrage entscheiden!?
Mit verlaubt - entweder hat Greenpeace das politische system (mehrparteien-scheinkonkurrrenzdemokratie) nicht verstanden oder es geht um etwas ganz anderes: statt die wirklichen kohl(e)parteien ob ihrer schein-energie-wende anzugreifen, soll eine potentielle gegenkraft eleminiert werden!?
Wessen geschäft betreibt Greenpeace eigentlich?
Glaubwürdigkeit: Glaubwürdig wäre Greenpeace, wenn sie die Bundeszentralen von SPD und CDU besetzen würden ... aber da gäbe es einen hochkantigen, undogmatischen Rauswurf.
Warum der Felix im verkrusteten Mainstream der Antilinken fabuliert, erschließt sich mir nicht.
Es ist eigentlich ziemlich desillusionierend, was sich da gerade in Brandenburg abspielt. Nicht nur, dass die Linkspartei im Programm eine vernünftige Position formuliert, diese Position dann aber wie jede abgehalfterte Partei in diesem Land in Regierungsverantwortung verrät. Nein, es kommt noch schlimmer: die linken Funktionäre (Minister) "sehen sie sich gezwungen, Welzow-Süd II ihren Segen zu geben, denn das haben sie der SPD 2009 in den Koalitionsgesprächen mündlich zugesagt, wie »nd« von jemandem erfuhr, der dabei gewesen ist. Das wurde aber weder schriftlich fixiert, noch öffentlich gesagt."
Was hier geschah ist schnöder Wahlbetrug - eine Katastrophe für Demokratie in diesem Land, denn wem soll man noch glauben und vertrauen?
Es ist ja nicht so, dass es hier nur um ein kleines Alltagsproblem ginge - es geht grundlegende Positionierung in einem der Hauptprobleme unserer Zeit, der Ökologie.
Man zitiert in diesen Kreisen ja gerne die Klassiker - dazu wurde mir ein interessantes Facebook-Posting zugesand (ich selber enthalte mich FB):
Das dialektische Verhältnis von Natur-Mensch-Arbeit kommt bei M&E sehr ausführlich vor : "Die Natur ist der unorganische Leib des Menschen, nämlich die Natur, soweit sie nicht selbst menschlicher Körper ist. Der Mensch lebt von der Natur, heißt: Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozess bleiben muss, um nicht zu sterben. Dass das physische und geistige Leben des Menschen mit der Natur zusammenhängt, hat keinen anderen Sinn, als dass die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Teil der Natur.“ K. Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW 40,S. 516. Ergo: Wenn wir uns der Natur als vitaler Lebensgrundlage berauben, berauben wir uns unseres eigenen Lebens - oder einfacher: Wenn wir an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen, fallen wir nicht auf die Schnauze, sondern brechen uns gleich das Genick!
Soviel zu dem Thema.
Was die Frage der Realpolitik anbetrifft um die es hier ja auch geht, konnte man ebenfalls im nd in einem lesenswerten Beitrag von Raul Zelik u.a. lesen:
"Linke in Regierungsfunktionen haben letztlich nur zwei Optionen: Entweder sie akzeptieren und unterwerfen sich diesen Machtverhältnissen und versuchen, die herrschende Verteilungssituation »möglichst wenig schlecht« zu verwalten, oder aber sie stellen die »Sachzwänge« in den Mittelpunkt und versuchen, jene Verhältnisse strategisch zu verändern, die den vermeintlichen Sachzwang produzieren."
Genau letzteres geschieht in Brandenburg nicht, die Linkspartei versagt auf ganzer Linie. Obwohl Zelik im selben Artikel eine Erklärung dafür liefert: "Wer als Abgeordneter, Staatssekretär oder Mitarbeiter eines Politikers ein Einkommen bezieht und mediale Anerkennung erhält, entwickelt naheliegenderweise ein Interesse daran, seine spezifische Position zu bewahren. Er/sie muss es bis zu einem gewissen Punkt sogar, wenn er/sie bei den Wahlen nicht scheitern will.
Die LINKE muss allerdings in der Lage sein, diese Anpassungsmechanismen zu erkennen, sichtbar zu machen und Gegenstrategien zu entwickeln. Die massenmedial vermittelte Berufspolitik ist kein Kennzeichen der Demokratie." (ebenda).
Man möchte dem Autoren in diesem Fall zurufen: Schön wär's!
Und wer nun meint, dieses sei ein einmaliger Ausrutscher auf wichtigem realpolitischem Parkett, dem sei eine Pressemitteilung der Brandenburger Linkspartei zur Luftfahrtausstellung (ILA) empfohlen. Hier wird zwar die Präsents der Bundeswehr und des militärischen Blocks "konsequent" kritisiert, dann heißt es aber weiter: "Wir sind uns aber auch der Bedeutung von Messen für die Region bewusst. Die ILA, leistet durchaus einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und sorgt für den Zufluss von zusätzlicher Kaufkraft."
Au Backe - Zusammengefasst heißt das für mich: Auch die Linkspartei setzt letztendlich auf das Totschlagargument "Arbeitsplätze". Egal ob dabei die Umwelt ruiniert oder die Rüstungsindustrie relativiert wird.
Was ist an so einer Politik noch emanzipatorisc, links und fortschrittlich? Es ist beliebig und lässt mich in Zukunft der Wahlurne fern bleiben.
"Klar sollte aber auch sein: Wer so krass gegen die Parteilinie verstößt und damit die Glaubwürdigkeit zerstört, sollte sich für einen Posten in der Bundespolitik disqualifiziert haben."
Mir scheint eher, da üben bereits einige für eine tragende Rolle auf der bundespolitischen Ebene. Oben beschriebene Verhaltensweisen sind dort doch seit Jahren gang und gäbe.
Wenn dort im September sowieso gewählt wird, warum positioniert man sich dann nicht mit einer klaren Aussage und vertagt die Entscheidung auf nach der Wahl. Das würde mir logisch erscheinen, zumal die Förderung wohl nicht umgehend beginnen würde und die Regierenden es in den zurückliegenden 3,5 Jahren auch nicht für so dringend erachtet haben.
Die Existenzberechtigung der Linkspartei besteht doch darin, dass sie vorgibt, eine Alternative zu den anderen Parteien zu sein. Wenn sie allerdings in Regierungsverantwortung genauso handelt wie alle anderen auch, dann hat sie ihre Existenzberechtigung verloren. Ich will damit nicht sagen, dass sie genauso handeln wird in allen Punkten, deswegen schreibe ich ja auch "stellt in Frage".
Es ist natürlich eine interessante Frage, was passiert, wenn die Koalition in die Brüche geht, ob es dann wirklich besser wird. Natürlich kann es danach eine große Koalition geben, die es genauso schlecht macht. Aber warum sollte die Linke dem jetzt schon zuvorkommen? Mit dieser Argumentation ließe sich ja alles begründen: Besser wir machen den Mist als dass die GroKo kommt und den Mist macht...
Sie schreiben, die Linke wäre beim Platzen der Koalition trotz einer Art Glaubwürdigkeit als "nicht durchsetzungsfähig rübergekommen". Na, jetzt hat sie es doch gerade nicht geschafft, sich durchzusetzen, sondern ist eingeknickt!
Man könnte aber auch ebenso sagen, daß die Existenzberechtigung der Linkspartei darin besteht, daß das Publikum sich gegenseitig vormacht, sie sei eine Alternative zu den anderen Parteien.
Wenn sie dann genauso handelt wie alle anderen, nämlich als Kompromissmaschine, wird sie ganz besonders hart bestraft oder mit mittigen Gesellschaftsmantren a la "Naja die waren eh schon immer unwählbar" usw.
Ist die Linkspartei denn überhaupt inhaltlich und personell so links wie man sie zurechtbeschreibt in den Medien oder ist sie eher das künstliche Gespenst der Konservativen?
Hier ein paar Daten zu dem Projekt:
https://www.freitag.de/autoren/alalue/braunkohle-tagebau
Damit erkennt man das Ausmaß dieses Unsinns.
Das Problem sollte nicht die Legitimation der Linken sein, sondern wie man so etwas verhindern kann.