Im Zweifel für die Raute

Wahlkampf Die Unternehmensgruppe Tengelmann wirbt in einer Zeitungsanzeige für Merkel. Die Empörung ist groß, jedoch völlig zu unrecht: Die Werbung ist transparent und entlarvend
Im Zweifel für die Raute

Foto: Johannes Eisele/ AFP/ Getty Images

Was war die Aufregung groß: Ein Unternehmen mischt sich in den Wahlkampf ein, dabei haben Firmen doch politisch unabhängig zu sein! Oder?

Zwei Tage vor der Bundestagswahl schaltet die Tengelmann-Gruppe eine ganzseitige Anzeige im Handelsblatt. Links der Steinbrück-Stinkefinger, rechts die Merkel-Raute. Darunter die Wahlempfehlung: "Im Zweifel für die Raute."

Solch eine direkte Sympathiebekundung eines Großkonzerns via Zeitungsanzeige war in diesem Wahlkampf bislang noch nicht zu sehen. Und sofort stellt sich die Frage: Ist das legitim? Darf ein Unternehmen seine wirtschaftliche Macht nutzen, um das Ergebnis der Bundestagswahl zu beeinflussen?

Politik für Großkonzerne

Alle, die jetzt entsetzt aufschreien, sollten sich fragen, was denn die Alternative gewesen wäre. Antwort: Tengelmann hätte direkt an die CDU gespendet und die Partei schaltet eine Anzeige. Da hat die Tengelmann-Anzeige doch zwei große Vorteile: Sie ist transparent und sie ist entlarvend.

Transparent, weil alle sehen, wer sie finanziert hat. Und entlarvend, weil jetzt alle wissen, dass Merkel eine Politik für Großkonzerne macht. Zu Tengelmann gehören unter anderem die Supermarktkette Kaiser's, die OBI-Baumärkte und der Textil-Discounter Kik. Jahresumsatz: mehr als zehn Milliarden Euro.

Die Unternehmensgruppe gehört der Haub-Familie, die nach Schätzung des manager magazins rund 3,7 Milliarden Euro an Privatvermögen angesammelt hat. Insofern kann man sich zwar empören, dass die Merkel-Anzeige laut Preisliste knapp 62.000 Euro gekostet hat und damit mehr als das komplette Jahresgehalt eines einfachen Kaiser's-Verkäufers. In Wirklichkeit jedoch konnte die Haub-Familie die Anzeige aus der Portokasse zahlen.

Alte Freunde der CDU

Erivan Haub und sein Sohn und jetziger Firmenchef Karl-Erivan Haub sind nicht erst in diesem Wahlkampf für die Union mit dabei. Im Jahr 1994 schalteten sie auch schon eine Anzeige: "Im Zweifelsfall für Kohl". Im Merkel-Wahlkampf 2005 hieß es dann: "Im Zweifel für eine Frau." Und zwischendurch wurde immer mal wieder gespendet. Der letzte verfügbare CDU-Rechenschaftsbericht ist der für das Jahr 2011. Dort ist eine Tengelmann-Spende in Höhe von 15.000 Euro aufgeführt.

Solche Großspenden nutzen zwar alle möglichen Unternehmen zur politischen Landschaftspflege. In der Regel werden jedoch verschiedene Parteien bedacht, man will es sich ja nicht verscherzen. Der Tengelmann-Konzern spendet jedoch nur an die CDU. Das liegt an der Struktur: In einer Aktiengesellschaft mit hunderten Aktionären wäre eine solche Unternehmenspolitik wohl schwer zu vermitteln, ebenso wie in einem Industrieverband mit hunderten Unternehmen.

Negative Reaktionen? Egal

Kann die öffentliche Merkel-Anzeige der Tengelmann-Gruppe schaden, weil einige Kunden die Parteinahme unverschämt finden? Das ist dem Eigentümer offenbar egal. Eine Unternehmenssprecherin sagte Spiegel Online: "Negative Reaktionen nimmt er einfach in Kauf."

Wenn ein Oligarch mehr oder weniger alleine über ein Firmenimperium herrscht, dann verschmelzen privat-politische und wirtschaftliche Interessen. Dafür spricht auch eine etwas peinlich Aktion von Firmenchef Karl-Erivan Haub: Die Kantine der Unternehmenszentrale durfte am Freitag nur vegetarische Gerichte anbieten - damit sollte gezeigt werden, wie brutal ein von den Grünen unterstützter "Veggie Day" wäre.

Was lernen wir aus all dem? Um mehr Transparenz beim Einfluss der Wirtschaft auf die Politik zu bekommen, sind Werbeanzeigen mit einem offenen Bekenntnis für eine Partei schonmal ein erster Schritt. Die meisten Unternehmen bleiben jedoch lieber im Verborgenen und spenden an ihre Lieblingsparteien, davon profitieren vor allem Union und FDP mit ihrer wirtschaftsfreundlichen Politik.

Parteispenden von Unternehmen sollten komplett offen gelegt werden, nicht erst ab einer Höhe von 10.000 Euro. Oder noch besser: Sie werden komplett verboten. Die Linkspartei zeigt, dass es auch ohne Subventionen aus der Wirtschaft geht. Sie nimmt Unternehmensspenden einfach nicht an. Auch wenn es Karl-Erivan Haub versuchen würde.

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