Kein Grund für Überschwänglichkeit

Klimakonferenz Selbst Umweltschützer jubeln über das Pariser Abkommen. In der Tat wurden Erfolge erzielt, doch die Beschlüsse haben ihre Haken
Daumen hoch von der Führungsriege: Laurence Tubiana, Christiana Figueres und Laurent Fabius (v.l.n.r.) zum Ende der Klimakonferenz
Daumen hoch von der Führungsriege: Laurence Tubiana, Christiana Figueres und Laurent Fabius (v.l.n.r.) zum Ende der Klimakonferenz

Foto: FRANCOIS GUILLOT/AFP/Getty Images

In Paris wurde ein neues Klimaabkommen beschlossen und selbst Umweltschützer sind begeistert. „Der internationale Klimaschutz hat einen großen Sprung nach vorn gemacht“, sagt etwa Regine Günther vom WWF Deutschland. Greenpeace ist etwas zurückhaltender. „Paris gibt der Welt Hoffnung“, sagt deren Klimaexperte Martin Kaiser. „Doch der Text ist übersät mit den Fingerabdrücken von Industrielobbyisten, die unseren Planeten und seine Atmosphäre zerstören.“ In der Tat gibt der Vertrag Grund zur Hoffnung, dass der Planet noch gerettet wird – aber keinen Grund zu überschwänglicher Freude.

Im Vergleich zu den Ergebnissen der bisherigen Klimaverhandlungen ist der neue Vertrag eindeutig ein Fortschritt. Schon vor der Konferenz in Paris haben 184 Länder ihre Klimaschutzpläne eingereicht, darunter auch zahlreiche Entwicklungsländer, die bisher überhaupt nicht verpflichtet sind, ihren Treibhausgas-Ausstoß zu mindern. In Zukunft wird also hoffentlich die ganze Welt Klimaschutz betreiben.

Nachbessern, alle fünf Jahre

Zudem wird erstmals ein neues Ziel erwähnt: Die durchschnittliche Erderwärmung soll nach Möglichkeit auf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt werden. Bislang konnten sich die Staaten nur auf das Zwei-Grad-Ziel einigen.

Positiv ist auch, dass alle fünf Jahre überprüft werden soll, ob die Klimapläne der Länder mit dem Zwei-Grad-Ziel zu vereinbaren sind. Andernfalls soll nachgebessert werden. Für das Jahr 2030 wird sogar eine Zahl genannt: Der globale CO2-Ausstoß soll 40 Milliarden Tonnen betragen. Außerdem wird für die zweite Hälfte des Jahrhunderts so etwas wie Klimaneutralität angestrebt, auch wenn noch unklar ist, was genau das dann bedeutet.

All die positiven Aspekte haben jedoch auch ihre Haken. Große Ziele sind zwar schön, es kommt aber auf die Umsetzung an.

Sehr großzügig gerechnet

Immer noch wird zu viel Kohlendioxid in die Luft gepustet. Selbst wenn die Länder ihre Klimapläne vollständig umsetzen, läuft es voraussichtlich auf eine Erwärmung um drei Grad hinaus. Selbst das Zwei-Grad-Ziel wird also verfehlt. Zu den 1,5 Grad gibt es ohnehin nur eine sehr vage Formulierung: Die Länder wollen „Anstrengungen unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.“

Zudem ist zweifelhaft, ob die fünfjährlichen Nachbesserungsrunden wirklich den erhofften Erfolg bringen. Es soll dort zwar Fortschritte geben, aber wahrscheinlich können Umweltschützer schon froh sein, wenn die Staaten überhaupt einhalten, was sie in Paris versprochen haben.

Auch die konkrete Zahl für das Jahr 2030 hilft da vermutlich nicht weiter, weil unklar ist, wer die Schuld trägt, wenn der Wert von 40 Milliarden Tonnen überschritten wird. Bislang läuft es eher auf 55 Milliarden hinaus. Zudem sind die 40 Milliarden Tonnen schon sehr großzügig gerechnet. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hatte in seinem Report zur „Emissionslücke“ aus dem Jahr 2013 noch eine Maximalmenge von 35 Milliarden Tonnen für verkraftbar gehalten. Inzwischen wurde die Zahl vom UN-Umweltprogramm nach oben gesetzt – allerdings bloß wegen der Annahme, dass in den kommenden Jahren sowieso nicht genug Klimaschutz betrieben wird und dass dann später eben mehr reduziert wird. Die notwendigen Emissionsminderungen werden also einfach weiter in die Zukunft verschoben.

Das Pariser Klimaabkommen kann nur ein erster Schritt sein. Um die Erde zu retten, sind weit größere CO2-Reduktionen nötig als bislang zugesagt. Die Umweltschützer müssen also weiter kämpfen.

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