In Paris wurde ein neues Klimaabkommen beschlossen und selbst Umweltschützer sind begeistert. „Der internationale Klimaschutz hat einen großen Sprung nach vorn gemacht“, sagt etwa Regine Günther vom WWF Deutschland. Greenpeace ist etwas zurückhaltender. „Paris gibt der Welt Hoffnung“, sagt deren Klimaexperte Martin Kaiser. „Doch der Text ist übersät mit den Fingerabdrücken von Industrielobbyisten, die unseren Planeten und seine Atmosphäre zerstören.“ In der Tat gibt der Vertrag Grund zur Hoffnung, dass der Planet noch gerettet wird – aber keinen Grund zu überschwänglicher Freude.
Im Vergleich zu den Ergebnissen der bisherigen Klimaverhandlungen ist der neue Vertrag eindeutig ein Fortschritt. Schon vor der Konferenz in Paris haben 184 Länder ihre Klimaschutzpläne eingereicht, darunter auch zahlreiche Entwicklungsländer, die bisher überhaupt nicht verpflichtet sind, ihren Treibhausgas-Ausstoß zu mindern. In Zukunft wird also hoffentlich die ganze Welt Klimaschutz betreiben.
Nachbessern, alle fünf Jahre
Zudem wird erstmals ein neues Ziel erwähnt: Die durchschnittliche Erderwärmung soll nach Möglichkeit auf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt werden. Bislang konnten sich die Staaten nur auf das Zwei-Grad-Ziel einigen.
Positiv ist auch, dass alle fünf Jahre überprüft werden soll, ob die Klimapläne der Länder mit dem Zwei-Grad-Ziel zu vereinbaren sind. Andernfalls soll nachgebessert werden. Für das Jahr 2030 wird sogar eine Zahl genannt: Der globale CO2-Ausstoß soll 40 Milliarden Tonnen betragen. Außerdem wird für die zweite Hälfte des Jahrhunderts so etwas wie Klimaneutralität angestrebt, auch wenn noch unklar ist, was genau das dann bedeutet.
All die positiven Aspekte haben jedoch auch ihre Haken. Große Ziele sind zwar schön, es kommt aber auf die Umsetzung an.
Sehr großzügig gerechnet
Immer noch wird zu viel Kohlendioxid in die Luft gepustet. Selbst wenn die Länder ihre Klimapläne vollständig umsetzen, läuft es voraussichtlich auf eine Erwärmung um drei Grad hinaus. Selbst das Zwei-Grad-Ziel wird also verfehlt. Zu den 1,5 Grad gibt es ohnehin nur eine sehr vage Formulierung: Die Länder wollen „Anstrengungen unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.“
Zudem ist zweifelhaft, ob die fünfjährlichen Nachbesserungsrunden wirklich den erhofften Erfolg bringen. Es soll dort zwar Fortschritte geben, aber wahrscheinlich können Umweltschützer schon froh sein, wenn die Staaten überhaupt einhalten, was sie in Paris versprochen haben.
Auch die konkrete Zahl für das Jahr 2030 hilft da vermutlich nicht weiter, weil unklar ist, wer die Schuld trägt, wenn der Wert von 40 Milliarden Tonnen überschritten wird. Bislang läuft es eher auf 55 Milliarden hinaus. Zudem sind die 40 Milliarden Tonnen schon sehr großzügig gerechnet. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hatte in seinem Report zur „Emissionslücke“ aus dem Jahr 2013 noch eine Maximalmenge von 35 Milliarden Tonnen für verkraftbar gehalten. Inzwischen wurde die Zahl vom UN-Umweltprogramm nach oben gesetzt – allerdings bloß wegen der Annahme, dass in den kommenden Jahren sowieso nicht genug Klimaschutz betrieben wird und dass dann später eben mehr reduziert wird. Die notwendigen Emissionsminderungen werden also einfach weiter in die Zukunft verschoben.
Das Pariser Klimaabkommen kann nur ein erster Schritt sein. Um die Erde zu retten, sind weit größere CO2-Reduktionen nötig als bislang zugesagt. Die Umweltschützer müssen also weiter kämpfen.
Kommentare 5
Große Ziele sind zwar schön, es kommt aber auf die Umsetzung an.
ich teile deine skepsis. aus verschiedenen gründen.
wem wird die massive kriegführung angekreidet? und wer oder was addiert die co2-tonnen, die durch militärmaschinen in den krisenherden der welt im einsatz sind? nun ab januar ja auch deutsche tornados und seestreitkräfte. zusätzlich zu den maschinen in afghanistan, mali etc.
zusätzlich zum maschinenpark zuhause und zu übungszwecken anderso.
es fehlt insgesamt die mentalität zur ökologischen wende. das eher undurchschaubare klimageschehen und die diversen beiträge der einzeltäter blenden die masse der zerstörungen der umwelt aus wie eine vorgeschobene spanische wand.
Meine Skepsis geht in dieselbe Richtung - ist aber grundsätzlicher im Blick auf den gegenwärtigen Umgang mit den knapper werdenden Ressourcen unserer Erde. Da sind ja die irrsinnigen Kriegszerstörung nur die Spitze des Eisberges.
So ist vermutlich bei den Verhandlungen in Paris die Bekämpfung der Ressourcenverschwendung kombiniert mit dem kapitalistischen Wachstumsfetischismus kaum Thema gewesen.
Siehe ein Interview mit dem Verfasser des Buches "grüne Lügen".
http://www.wiwo.de/politik/deutschland/oeko-pionier-friedrich-schmidt-bleek-gruene-luegen-abrechnung-mit-den-klimarettern/10088074.html - vom 25. 6. 2014 in der Wirtschaftswoche.
Für Schmidt-Bleek ist sie die noch größere Bedrohung: Das wahre Problem, die Ursünde unserer Wirtschaft sozusagen, ist der ungeheure Verbrauch von natürlichen Ressourcen. In jedem technischen Produkt stecken im Schnitt etwa 30 Kilogramm Natur je Kilogramm Produkt. In elektronischen Geräten ist es oft das Zehnfache. Übrigens wird bei der Produktion auch das Zehnfache an Wasser gebraucht! Die meisten unserer Güter sind also extrem materialintensiv.
Wir verbrauchen Öl, Gas, Kupfer oder Seltene Erden, aber auch Holz und Sand, in hohem Maße. Die ökologischen Folgen sind gigantisch. So wie der Abbau von Sand das Meer und die Meeresstrände aus dem Gleichgewicht bringt, stört das Abholzen von Wäldern das Ökosystem. Die Ausbreitung von Wüsten, Artenverknappung und Landflächen, die unfruchtbar sind, sind die Folgen. Noch einmal: Ökologische Probleme entstehen nicht nur durch Kohlenstoffdioxid-Emissionen. Viele unserer Umweltprobleme haben mit CO2 nichts zu tun.
Es ist zu vermuten, dass genau dieses nicht geschieht: nämlich die andere – nach Auffassung von Schmidt-Bleek mindestens genauso brisante – „Weltbedrohung“ ernst zu nehmen: Die Ressourcen-Verschwendung auf einer begrenzten Erde.
Ein historischer Fortschritt? Schön wär's.Für mich klingt es wie Augenwischerei. Die Ziele hochsetzen (1,5 Grad anstelle 2 Grad) und sich dafür feiern lassen, aber die Maßnahmen und deren Verbindlichkeit runtersetzen und möglichst nicht hinterfragen. Dabei war schon in den Rechen-Modellen für das 2 Grad-Ziel z.B. das zwangsläufige Auftauen der Permafrostböden (enthalten fast doppelt soviel Kohlenstoff wie die gesamte Erdvegetation), das zu einer enormen Freisetzung von Kohlenstoff führt, nicht berücksichtigt.Was tun? Warten bis Öl- und Gas-Vorräte erschöpft sind? Auf die nächste Eiszeit warten? Sich anpassen?Diese Frage hat sich auch Singer-Songwriter Sigismund Ruestig gestellt:http://youtu.be/s7Ivdm2-ZCQ
http://youtu.be/LpxSXYw9tC0
http://youtu.be/-q0gF597WEA
Viel Spaß beim Anhören.
Rock-Blogger und Blog-Rocker Sigismund Rüstig posted auf multimediale Weise Meinungen und Kommentare zu aktuellen Reiz-Themen in Form von Texten und Liedern.
Warum werden die Regelungen erst so spät wirksam? Man kann doch nicht erwarten das in 20 Jahren auch alle Staaten noch komform mit den getroffenen Vereinbarungen sind.
>>Meine Skepsis geht in dieselbe Richtung - ist aber grundsätzlicher im Blick auf den gegenwärtigen Umgang mit den knapper werdenden Ressourcen unserer Erde. Da sind ja die irrsinnigen Kriegszerstörung nur die Spitze des Eisberges.<<
Das sehe ich auch so. Man baut einen Separatberg auf, in diesem Falle die Freisetzung von fossilem der Kohlenstoff. Der Berg, während er eine Maus gebärt, verdeckt die Sicht auf das Grundproblem: Das Credo des unbegrenzten Produktionswachstums und der alleinseligmachenden Wirkung des Konsumismus.