Kohle für die Kunst

Protest Umweltaktivisten stürmen eine Kunstausstellung der Berlinischen Galerie. Der Grund: Sie wird vom Energiekonzern Vattenfall finanziert. Den Protest soll niemand sehen
Ein verbotenes Foto: Umweltaktivisten protestieren gegen das Vattenfall-Sponsoring
Ein verbotenes Foto: Umweltaktivisten protestieren gegen das Vattenfall-Sponsoring

Foto: der Freitag

Fotografieren verboten – bei der Ausstellungseröffnung. Die Berlinische Galerie wünscht offenbar keine Öffentlichkeit. Zumindest keine solche. Wer die Kohlebriketts in der Eingangshalle fotografiert, wird von einem Security-Mitarbeiter in Anzug freundlich aber bestimmt darauf hingewiesen: Das ist nicht erwünscht.

Dabei sind einige Pressefotografen anwesend, dazu hunderte Gäste. An diesem Donnerstagabend wird die Ausstellung „Drehmoment“ in Anwesenheit der Berliner Künstlerin Katja Strunz eröffnet, es gibt Sekt und Brezeln. Eine Handvoll Gäste aber ist aus einem anderen Grund gekommen. Sie wollen gegen die Kohle demonstrieren, die Kohle vom Energiekonzern Vattenfall.

160.000 Euro für die Imagepflege

Das Unternehmen vergibt jährlich den Kunstpreis „Vattenfall Contemporary“, in diesem Jahr an Katja Strunz. Diese Art der Imagepflege ist dem Konzern 160.000 Euro wert, davon wird unter anderem die Ausstellung bezahlt. Zum Vergleich: Die Bundesrepublik Deutschland will Vattenfall wegen des Atomausstiegs zu einem Schadensersatz von 3,5 Milliarden Euro verdonnern.

Auch der Betrieb von klimazerstörerischen Kohlekraftwerken kommt bei manchen gar nicht gut an. Und so haben Aktivisten der Gruppe Gegenstrom eine kleine Aktion geplant. Als Galerie-Direktor Thomas Köhler an das Rednerpult tritt, ahnt er noch nichts davon. Er redet über die Kunstwerke und über die prekäre Finanzsituation der Galerie. Es gibt weder Ausstellungs- noch Sammlungsetat. Die Ausstellung sei deshalb dem Großsponsor zu verdanken. „Ohne die Partnerschaft von Vattenfall könnten wir das Projekt nicht realisieren.“ Applaus. Köhler wirbt danach aber auch für den Förderverein der Berlinischen Galerie.

Im Publikum werden schon die ersten Faltblätter herumgereicht. „Gute Freunde braucht die Kunst“ steht vorne drauf. Nur wer den Innenteil aufschlägt, stellt fest, dass hier nicht die offiziellen Prospekte im Umlauf sind. „Keine Kohle von falschen Freunden!“, heißt es da. Und weiter unten: „Für Vattenfall geht es einzig darum, sein Image aufzubessern.“

Vattenfall-Manager ist schlagfertig

Den Schwindel hat anscheinend noch niemand bemerkt, da kommt Alexander Jung ans Rednerpult, Vattenfalls Generalbevollmächtigter für das Land Berlin. Er berichtet stolz vom Kultur-Engagement, da kommen die Umweltaktivisten auf ihn zu. Keine Rufe, kein Schlagabtausch. Einer hält eine „Atomkraft? Nein Danke!“-Fahne hoch, andere legen Kohlebriketts vor und auf das Rednerpult. Dazu fliegen Zettel durch die Luft: „Keine Kohle von Vattenfall“.

Mitarbeiterinnen der Galerie versuchen, die Aktivisten abzuhalten, aber nach wenigen Sekunden haben diese ohnehin ihre Show gehabt. Alexander Jung von Vattenfall bleibt professionell: „Mehr Kohle für die Kunst“, sagt er ins Mikro, die Stimme etwas lauter als sonst.

Die Pressestelle des Konzerns gibt Auskunft über die offizielle Vattenfall-Position: Viele Städte kürzten bei der Kulturförderung. „Dass hier Unternehmen einspringen, um das kulturelle Angebot aufrecht zu erhalten, halten wir für sinnvoll.“ Bei Veranstaltungen wie den umstrittenen Vattenfall-Lesetagen in Hamburg gehe es um das "Engagement vor Ort". Und das Image? "Um mehr geht es nicht."

Die Berlinische Galerie muss jetzt erstmal den Müll wegräumen. Eine Mitarbeiterin packt die Kohlebriketts mit Plastikhandschuhen in eine Mülltüte, danach wird einmal durch den Raum gewischt. Nach 15 Minuten ist nichts mehr zu sehen.

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