Lieber wegsehen

Tierquälerei Schwarz-Rot will gegen schreckliche Bilder aus Ställen vorgehen – auf ganz eigene Art
Ausgabe 14/2018
Beim Tierschutz eine Spitzenposition (in der Durchsetzung von Lobby-Interessen)
Beim Tierschutz eine Spitzenposition (in der Durchsetzung von Lobby-Interessen)

Foto: Carsten Koall/Getty Images

Grauenhafte Aufnahmen von Tierquälerei in deutschen Ställen gibt es immer wieder; nun geht die Politik endlich dagegen vor – allerdings auf sehr eigentümliche Weise. Die Große Koalition will die Bilder verhindern, indem sie den filmenden Tierschützern das Leben schwer macht. „Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden“, heißt es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Eine Portion Selbstironie gehört schon dazu, wenn diese Ankündigung dann unter dem Titel „Deutschland soll beim Tierschutz eine Spitzenposition einnehmen“ zu finden ist.

Tierschützer rätseln nun, was dieser Satz konkret bedeuten soll. Ein neues Gesetz? Werden Einbrüche in Ställe bald härter bestraft als die in Wohnhäuser? Würde damit die Privatsphäre der Tiere nicht höher bewertet als die der Menschen? Besonders verwirrend: Die Tiere in den Ställen freuen sich wahrscheinlich sogar über den nächtlichen Besuch.

Vielleicht dient dieser Satz aus der Koalitionsvereinbarung auch lediglich der Befriedigung von Lobbyinteressen. Der Deutsche Bauernverband empört sich schon seit Jahren über heimliche Recherchen von Tierschützern – statt dafür zu sorgen, dass zumindest die eigenen Funktionäre in ihren Betrieben gewisse Mindestanforderungen an die Haltungsbedingungen erfüllen. Vor eineinhalb Jahren kamen verstörende Aufnahmen aus dem Familienbetrieb von Johannes Röring ans Licht. Röring ist CDU-Bundestagsabgeordneter und Bauernverband-Lobbyist (gleichzeitig und bis heute) und behauptete damals allen Ernstes, die Tierschützer hätten extra ein totes Schwein in seinen Stall gelegt. Kann man ihn und seinen Spaßverein da noch ernst nehmen?

Sollte die Bundesregierung die Forderung nach einem härteren Vorgehen gegen Undercover-Recherchen tatsächlich aufgreifen, wird es richtig absurd. Am Dienstag hat der Bundesgerichtshof dem MDR Recht gegeben und geurteilt, dass die Ausstrahlung von schockierenden Bildern selbst dann erlaubt sein kann, wenn in den Ställen alle Gesetze eingehalten werden. Und vor wenigen Wochen wurden Tierrechtler in dritter und letzter Instanz freigesprochen, die Tierschutz-Verstöße in einer Schweinezucht aufgedeckt hatten. Das Oberlandesgericht Naumburg sah zwar einen Hausfriedensbruch, begründete den Freispruch aber mit rechtfertigendem Notstand, da mit dem Eingreifen der zuständigen Behörden nicht zu rechnen gewesen sei.

Wenn also die Staatsgewalt das Verfassungsziel Tierschutz offensichtlich nicht gewährleisten kann oder will, dann soll sie nach dem Willen der Großen Koalition nun eben die Überbringer der Wahrheit bekämpfen und das eigene Versagen vertuschen.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden