Übernehmen die Linksextremisten bald die Macht in Deutschland? Forscher der Freien Universität Berlin haben die Bevölkerung befragen lassen und kommen zu dem Ergebnis: „Linksextreme Einstellungen sind weit verbreitet“. Die Studie wird in vielen Medien aufgegriffen, gerne auch mit der unterschwelligen Botschaft, die Situation werde verharmlost. Dabei ist Panikmache genauso verkehrt wie die der Studie zugrunde liegende Extremismustheorie, die Linke und Rechte in einen Topf wirft. Trotzdem lassen sich interessante Schlüsse aus der Befragung ziehen.
Der Forschungsverbund SED-Staat hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap beauftragt, fast 1.400 Personen wurden interviewt. Die Ergebnisse haben Klaus Schroeder und Monika Deutz-Schroeder nun in einer dicken Studie veröffentlicht. Und was ist herausgekommen? Vier Prozent der Bevölkerung weist ein „geschlossenes linksextremes Weltbild“ auf, dreizehn Prozent stimmen einzelnen Aspekten zu. Das „linksextreme Personenpotenzial“ liege somit bei 17 Prozent – im Westen bei 14, im Osten bei 28 Prozent.
Gegen Überwachung? Demokratiefeind!
Diese Zahlen sind wenig aussagekräftig, denn sie hängen davon ab, wie Linksextremismus definiert wird. Die Wissenschaftler räumen in einer Pressemitteilung sogar ein, dass „die Trennlinie zwischen radikaler und extremer Linker schwer zu ziehen“ sei. Sie selbst meinen, dass Radikale „Teil des demokratischen Systems“ seien, während Extremisten „die demokratischen Grundrechte abschaffen“ wollen. Dann hätten sie das für ihre „Linksextremismusskala“ aber auch abfragen müssen und nicht diverse politische Einstellungen, von Antifaschismus über Kapitalismus und Rassismus bis zur Extremismustheorie selbst.
Besonders absurd: Wenn man der Aussage zustimmt, dass die Gesellschaft „durch die zunehmende Überwachung durch Staat und Politik (…) immer mehr zu einer Diktatur“ wird, ist dies aus Sicht der Autoren ein Indiz für Linksextremismus – und damit für den Willen zur Abschaffung der demokratischen Grundrechte.
Jeder Sechste will Nationen abschaffen
Dennoch sind die Studienergebnisse interessant, wenn man sie genau betrachtet. Beachtlich ist vor allem die Zustimmung zu der These: „Der Sozialismus/Kommunismus ist eine gute Idee, die bisher nur schlecht ausgeführt wurde.“ 42 Prozent der Befragten halten diesen Satz für richtig, in Ostdeutschland sind es sogar 59 Prozent. Viele, die unter dem SED-Regime gelebt haben, glauben also weiterhin an eine bessere Gesellschaft, während viele Westdeutschen ohne eigene Erfahrungen den Sozialismus und Kommunismus rundheraus ablehnen. Das sollte zu denken geben.
Es gibt genau eine Aussage, die sogar von der Mehrheit der Befragten unterstützt wird (61 Prozent): „Unsere Demokratie ist keine echte Demokratie, da die Wirtschaft und nicht die Wähler das Sagen haben.“ Auch wenn sie in ihrer Absolutheit durchaus fragwürdig ist, zeigen die Werte doch ein großes Unbehagen gegenüber dem Einfluss von Wirtschaftslobbyisten auf die Politik.
Zudem sind erstaunlich viele Menschen für eine radikal andere Flüchtlingspolitik. Jeder Dritte (33 Prozent) findet: „Deutschland sollte prinzipiell alle Personen aufnehmen, die in unserem Land Zuflucht suchen.“ Und jeder Sechste (16 Prozent) meint: „Nationalstaaten sollten abgeschafft werden.“ Die Zustimmungswerte sind in Westdeutschland geringfügig höher, während es bei den Fragen zu Kapitalismus und Sozialismus anders herum ist.
Insgesamt sind die Deutschen offenbar deutlich offener für linke Utopien als man es vermuten würde, wenn man sich ansieht, wie oft die Forderungen nach Sozialismus oder offenen Grenzen in den Medien vorkommen. Linke können die Studie also als Aufforderung für eine stärkere Einmischung in die öffentliche Diskussion verstehen: Seid mutig, seid laut, seid radikal!
Kommentare 30
Der neue Slogan:
derFreitag
Seid mutig, seid laut, seid radikal!
Schluss mit den harmlosen mittelmäßigen Meinungen ...
Das hilft auch gegen spottbillige Medien ...
Sie sind wieder einmal schneller, als das Bloggoversum, Herr Werdermann.
Ich wollte dazu ein eigenes Blog schreiben, spare mir das nun aber, weil sie die eindeutig ideologische Studie aus dem Otto Suhr- Institut, von den üblichen Verdächtigen verfasst, schon längst durchschaut haben und dazu auch noch viel knapper und eleganter schreiben, als ich es könnte.
Jawohl, linke Ideen können in dieser Gesellschaft populär sein und auch mehr Einfluss gewinnen, weil die Verhältnisse dazu immer mehr Anlass bieten. Die nackten Wirtschaftszahlen besagen wenig.
An Griechenland sieht man, dass es den nicht radikalen und gewiss gar nicht extremistischen EU- Kommissionisten, dem IWF und der EZB spielend gelungen ist, in Zusammenarbeit mit der wirtschaftsmächtigsten europäischen Regierung, sich die fünf Jahre Troika- Herrschaft erfolgreich und notwendig zu quatschen. Das Desaster müssen dann Linke ausbaden, die dafür auch noch allgemein beschimpft werden.
Ich hänge meine völlig unabhängigen und garantiert nicht entlang einer extremistischen Linie entstandenen Gedanken hier an:
Wie man empirische Sozialforschung zugrunde richtet
Schade, dass im Alltagsjournalismus zu wenig Zeit bleibt, einmal wenigstens zu hinterfragen, wenn sogenannte Koryphäen der Wissenschaft steile Thesen verkünden.
Politik- und Sozialwissenschaftler rücken ihren „Bürgerprobanden“ mit Fragebögen auf den Pelz, so, wie das eine Zeit lang auch Psychiater und Psychologen exzessiv bei ihren Patienten taten, teilweise sogar an Stelle anderer spezifischer, zeitraubender und teurer Verfahren. - Viele Einschätzungsfehler schleichen sich da ein, gerade weil die Methode so bestechend empirisch wirkt. - Eine Zeit lang hielten die epidemiologisch arbeitenden Psychiater 35% der Bevölkerung für psychisch krank oder zumindest gestört!
Noch mehr überzogene Einschätzungen ergeben sich, wenn das untersuchende Wissenschaftler- Team die Fragen schon an eigenen, recht ideologischen Definitionen entlang entwickelte und danach die Antworten dort einsortiert. Genau das tat nun das Pärchen Schröder vom Otto Suhr- Institut der FU- Berlin.
Sie wollen, wo doch derzeit alle Welt in Europa auf die neue Rechte und die Rechtsextremen schaut, unbedingt vor dem Linksextremismus und viel mehr noch vor linksradikalen Einstellungen in der Bevölkerung warnen, die sich dort weit verbreitet hätten. - Warum ist ihnen, die sich jahrelang mit dem SED- Staat beschäftigten, plötzlich eine solche Fragestellung so wichtig?
Gerne räumen sie ein, dass es vom eigenen Standpunkt, in diesem Falle der Forscher, abhänge, wo die Grenze zwischen Extremismus und Radikalismus verlaufe. Das kostet sie nichts. Weniger gerne kritisieren sie die eigenen Fragen und die vorher produzierten, -weil sie ja dann bestätigt oder widerlegt werden können-, Definitionen des Linksextremismus und – Radikalismus.
Rechtsextremismus
Zum Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus ist mittlerweile viel untersucht und dauerhaft überprüft worden und noch mehr wird täglich konstatiert. Je nach Studien und Einschätzungen sollen 10- 15% der Bevölkerung alle oder Teile rechtsradikaler Ansichten teilen, 3-4% seien auch aktiv bereit, ihre Haltung mit aller Konsequenz in spezielle Taten und ihr Alltagshandeln einfließen zu lassen, ein Fünftel der Gesellschaft sei zumindest rechtsradikalen Ansichten aufgeschlossen.
Sozialwissenschaftler und Politiologen konnten bisher jedoch nicht aufklären, warum es mit unschöner Regelmäßigkeit, seit es das Phänomen überhaupt gibt, besonders den Rechtsextremen und deren gewaltbereiten Gruppen gelingt, trotz des massiven V- Leute Einsatzes des Staates oder gerade wegen dieses Einsatzes, trotz erheblichen Widerstands aus der Bürgergesellschaft, Straftaten und Gewalthandlungen zu begehen, ein Klima der Angst zu schüren und zum Fürchten öffentlich aufzutreten, sowie ihr Unterstützerumfeld ideologisch wasserdicht zu erhalten, es auch noch zu vergrößern und dabei unbehelligt zu bleiben.
Rechtsradikale Thesen, wie z.B. die soziobiogenetischen Ansichten Thilo Sarrazins oder Gunnar Heinsohns, die seltsamen Vorstellungen, bestimmte Teile der Bevölkerung könnten aufgrund ihres Glaubens nicht vernunftmäßig und kritisch denken oder seien schon von ihrer Herkunft her weniger intelligent, seien gar zur Unwahrhaftigkeit und Lüge durch ihren Glauben oder ihre Sitten und Gebräuche verpflichtet, haben sich weit ins alternde, früher einmal vielleicht sogar eher linke, Publikum hinein, verbreitet. - Da kommt die Gefahr her, für jede offene Gesellschaft, selbst für die im Sinne Karl Poppers, Anthony Giddens oder Ulrich Becks.
Das Maß wäre eigentlich längst voll, zählt man die Toten, die die Amadeu Antonio- Stiftung akrabisch auflistet, erfährt man derzeit Prozesstag um Prozesstag aus dem NSU- Prozess, wie Sicherheitsbehörden, meist mit politischer Deckung oder gar Lenkung, falsch ermittelten oder gar daneben standen; nimmt man zur Kenntnis, welche Abgründe an Vernetzung sich bei den Sicherheits- und Verfolgungsbehörden mit den Unterstützern und Aktiven der Szene herausbildeten.
Da werden sehr geschlossene Weltbilder, -die sind doch das Zeichen von radikalen und extremistischen Einstellungen-, ewig reproduziert. Da kennt man keine Alternativen (Türken und andere Ausländer morden sich gegenseitig, auf berufskriminellem oder familiärem Rache-Hintergrund). Daher klärt man nichts auf!
Andererseits wird kaum einer der bekannten Rechten zu einem besseren Weg gebracht (die V-Leute und die möglichen Zeugen aus dem Unterstützerkreis bleiben Extreme und ändern nicht ein Jota ihrer Ansichten, wie man anlässlich des NSU- Prozesses erfahren konnte). - Da wachsen die wahren Bedrohnisse der freiheitlichen Grundordnung, die zwar unwidersprochen alles abhören und speichern möchte, was Bürger so verzapfen, aber nicht in der Lage oder nicht Willens sind realistisch 1 +1 zusammenzuzählen und zu handeln.
Rechtsextremismus, eine Gefahr? Nein, schaut Links!
Warum aber nun die Lust der beamteten Linksextremismus und SED- Forscher des Otto- Suhr Instituts, den angeblich noch weiter in die Gesellschaft vorgedrungenen Linksradikalismus auszustellen? - Ganz einfach: die Schröders sind schon länger der Überzeugung, dass die eigentliche Gefahr von Links kommt.
Diese Forschung mit Bias muss nicht unbedingt schlecht sein und dem Staat kommt sie sehr gelegen, denn sie lenkt doch vom Staatsversagen ab und beschwört eine neue Gefahr der Bürgergesellschaft durch die vermeintlich linksradikalen Bürgeransichten, mitten unter uns, herauf, was leider auch Teilen der verunsicherten Presse leicht Stoff liefert.
Daher auch das feinsinnige Geschwurbel der Otto-Suhr Forscher, rund um die problematische Abgenzung radikal und extrem. Daher der ganze Bombast an Unterstellungen. Jederzeit kann einer, den das Otto Suhr- Institut ausgewertet hat, von einer Kategorie in die nächste rutschen. Schon der Anschein hat in einer wieder stärker formierten Gesellschaft Auswirkungen.
Zu den Definitionen und dem Bias bei Umfragen dieser Art
Ein Hinweis auf Linksradikalität ist den Forschern schon, wenn Bürger äußern, Gleichheit sei ihnen wichtiger als Freiheit.
Vielleicht liegt es nur daran, -die Soziologen müssten es sich fragen und ihre Probanden ebenso-, dass viele Bürger erkannt haben, wie wenig Freiheiten in einer wachsend ungleichen Gesellschaft tatsächlich übrig bleiben, wiewohl immer und überall die Möglichkeit zur Freiheit propagiert wird.
Die das Individuum vogelfrei stellende Gesellschaft. die aussetzende und ausgrenzende Gesellschaft ist eben keine, die das höchste, derzeitig präsidial lorbeerumgrenzte Gut, die Freiheit, wirklich voran bringt! - Daran verschwenden die Untersucher jedoch keinen einzigen Gedanken und auch keine Nachfrage bei den Objekten der Forschung.
Zumindest auf Linksradikalität verdächtig ist dem Paar, wer die Wirtschaftsordnung der Republik fundamental kritisiert oder gar meint, der Kapitalismus führe zu Kriegen. - Leider erfolgt gar keine Überlegung dazu, ob daran was sein könnte oder eine Begründung warum das keinesfalls so ist! Wer die Behauptung bestätigt, Kapitalismus führe zu Faschismus, der äußert sich übrigens schon linksextrem. Davor warnen die Schröders ganz besonders.
Geradezu erschrocken, konstatieren die Wissenschaftler, ein Viertel der Gesellschaft erhoffe sich nichts mehr von Reformen, sondern wünsche sich eine Revolution.
Seltsam: weit mehr als 80% haben antirevolutionär gewählt und eine erklärt marktkonforme Demokratin erfährt derzeit Zustimmung, wie sie Adenauer in den schwärzesten Zeiten und Brandt, selbst in seinen besten Zeit, nie hatte.
Die Herrschaft der schwäbischen Hausfrauen und Hausmänner, der Pensionisten und Privat-Geschäftler steht in vollster Blüte und die Schröders sehen den linken Weltuntergang in Deutschland kommen, obwohl Rechts, über Jahrzehnte schon, zahlreich gemordet wird.
Eine radikale Einstellung sei, wenn man den Sozialismus/Kommunismus für eine gute Idee halte, die nur schlecht ausgeführt worden sei. - Zapperlot!
Die Schröders sind sich auch nicht zu schade, besonders die „Konfrontationsgewalt“ der Linksextremen gegen rechte Demonstrationen hervorzukehren. - Wer nur ein wenig, z.B. von den Leipziger Verhältnissen um Pfarrer Lothar König Kenntnis hat, der fällt nicht darauf herein und weiß längst, wie die zuständigen Polizeibehörden eine Menge an Anzeigen verfertigen, die in die Statistiken eingehen.
Selbst gegen Leute, die nachweislich beruhigen und mäßigend einwirken, gingen sie vor. Längst ist also bekannt, wie die zahlreichen Strafanzeigen der Gegendemonstranten zustande kommen und wie sie das Bild verzerren.
Welche Auswirkungen hat das aber auf die Bedeutung der Sozialwissenschaften?
Wer unter ideologischen Prämissen forscht, der wird sich nur immer wieder selbst bestätigen können. Er verstößt damit gegen ein Gebot der freien Gesellschaft, sich nämlich grundsätzlich für widerlegbar zu halten und Selbstkritik zu betreiben. Die Schröders wollen von ihren Prämissen nicht lassen.
Viel furchterregender ist jedoch, dass eine solche „Meinungsforschung“ die wahren Gefahren für die Demokratie, den Sozialstaat und die Freiheit als einem der wichtigsten allgemeinen Werte, die sich aus der Mitte und aus dem politischen Absentismus der Mehrheitsgesellschaft ergeben, völlig vernachlässigt.
Gesellschaften zerlegen sich nicht durch Extremisten. Auch nicht durch jene, die schon als radikal gelten, wenn sie nicht zu allem Ja und Amen sagen. - Nein, regelmäßig zerstören sich freiheitlich demokratische Grundordnungen dann, wenn in ihnen gar kein Interessenausgleich unter den gesellschaftlichen Gruppen mehr stattfindet, wenn demokratische Verfahren pro forma durchgeführt werden und die eigentlichen Entscheidungen in Hinterzimmern und durch Lobbyisten beeinflusst erfolgen, die sich auch noch die eigenen Kontrollorgane und Verordnungen bestellen dürfen. Wenn massive Diskriminierungen toleriert werden. Wenn der Staat sich über dem Recht wähnt, und wenn er beginnt, einflussreiche und wirtschaftsmächtige Bürger deutlich besser zu stellen, als alle anderen.
Wer dagegen Einspruch erhebt, gilt nach dieser Studie zumindest als verdächtig linksradikal oder er wird gar als extremistisch diffamiert. Die Schröders machen genau das, indem sie schon Ansichten für radikal erklären, die ihre Ursache in weit verbreiteten sozialen und gesellschaftlichen Misständen haben.
Die zunehmende Frage nach der Gerechtigkeit unserer Gesellschaft ist nämlich eng damit verknüpft, wer denn seine Freiheiten ausleben und verwirklichen darf, und wer zu diesen Freiheiten nur noch die Dienstleistung liefert, die von den Freien gebraucht wird.
Leider ist das dem „SED- Forschungsverbund“ noch nie sonderlich aufgefallen. Vielleicht wissen sie da einfach zu wenig von der freiheitlich demokratischen Grundordnung und haben ihren eigenen einstigen Radikalismus einfach nur in einen dummen und einseitigen Radikalismus der Freiheit gewendet, der nicht nur asozial wirkt, sondern die Welt auffrisst? Das hat dann aber, wie man an den oben angeführten Einschätzungen sieht, wenig Wahrhaftigkeit und Erkenntniskraft.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Klasse – der Freitag bringt jetzt auch lustige Artikel ;-)
Allerdings: Wenn man alles links von Seehofer als linksextrem klassifiziert, wird aus der Studie vielleicht ein Schuh’.
P. s.: … Wenn man das bißchen Murren + Knurren im Land plus 3 mainstreamkritische Blogs zum »linksextremen Massenwiderstand« hochhypt, kann man die neoliberale Ballerorgie, die seit 25 Jahren läuft, eigentlich auch als Zustände kurz vor Ausrufung der Volksrepublik verkaufen.
Richtiges Labeln ist im Kapitalismus halt alles. Schön, dass sich dafür ein paar Sozialwissenschaftler finden (die – hoffentlich – dafür auch ordentlich bezahlt wurden).
Ich wundere mich ja immer wieder, warum niemand vor der großen Mitte und Mehrheit Angst hat. Die bestimmen über Krieg und Frieden, die sagen auch, wenn sie genug von Fremden haben und wählen zunehmend auf Bundesebene, passend altbayrisch.
Massenwahn ohne Massenmedien, das geht nimmer. Nun gibt es auch noch die passenden Studienverfasser auf Staatskosten dazu. Da haben Sie völlig Recht.
Beste Grüße
Christoph Leusch
'Mittelmäßige' Meinungen sind vermutlich oft gar nicht harmlos...
Ich sehe etwa in der NSA-Sache demokratische Rechte unserer Bürger bereits abgeschafft - oder zumindest unterlaufen (was auf das Selbe hinausläuft). Sieht man ja in USA noch viel deutlicher (CIA-Folterbreicht u. dergl.). Diese Form des Extremismus sollten jene Wissenschaftler mal untersuchen...
Ich hab’ mir mal die Links im Beitrag angesehen zur Medienresonanz der Studie. FAZ und Welt sind eingestiegen; ihr Inhalt dürfte demnächst also als »Fact« rumhyperventiliert werden. Nach dem üblichen Motto: Ich erschieß’ einen – Ich mache die Presseberichterstattung zu dem Mord, den ich begangen habe – Ich bin der GRÖSSTE.
"In dem Maße, wie die herrschende Klasse den Boden der Verfassung verlässt, muss sie immer offener zu Zwang und Gewalt greifen."
Das kann man auch in die andere Richtung interpretieren:
In dem Maße, wie die Sparchrohre der herrschenden Klasse den Boden unter den Füßen verlieren, müssen sie immer offener zu konstruierten Zwangsvorstellungen greifen.
Ich weiß nicht, die Agenda 2010 ist doch Ausdruck des kapitalistischen Extremismus.
Also, diese komische Extremismusdebattenunkultur ist doch Ausdruck versteckter, prokapitalistischer Propaganda.
btw.
Heute bei Sacher in Wien ... Sachertorte und Verlängerter, vergiss es. Massenverarsche im Viertelstundentakt.
Man könnte fast darüber lachen, wenn es nicht so ernst wäre. In Spanien zeigt sich, dass die Extremismusideologie durchaus handfeste und existenzbedrohliche Auswirkungen hat: Im Dezember wurden dort mehrere AnarchistInnen unter dem üblichen "Terrorismus-"Verdacht verhaftet - das einzige, was der Staat den AnarchistInnen vorwirft: sie haben Emails verschlüsselt und somit ihre Privatsphäre geschützt - und sie haben bestimmte Bücher im Bücherregal stehen. Also das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen: ein sich demokratisch nennender Staat sperrt Menschen ein, weil sie ihre Privatsphäre vor staatlicher Belästigung und Überwachung schützen und weil sie gewisse Bücher lesen. Wer ist hier eigentlich die echte Bedrohung für die Demokratie?
Ich halte diese Studie für entbehrlich, nicht nur, weil die Zahlen nichts aussagen, sondern auch, weil offenbar die zugrundeliegende Definition von "Linksextremismus" völlig willkürlich an den Haaren herbeigezogen erscheint. Kritik am und/oder Ablehnung von Nationalismus sollte eigentlich längst selbstverständlich sein und hat mit der "Zurückweisung von demokratischen Prinzipien" überhaupt nichts zu tun. Es ist doch eher so: Extremistisch ist der Nationalismus, denn er hat uns nur Leid, Tod und Elend gebracht, u.a. durch zwei Weltkriege. Und auch die Frage der Aufnahme von Flüchtlingen hat ja wohl mit "Extremismus" überhaupt nix zu tun. Es ist nicht einmal ein exklusiv linkes Thema. Fehlt eigentlich nur noch, dass bei dieser Studie die Ablehnung von Krieg, Folter, Mord und Totschlag als Kennzeichen von "Linksextremismus" definiert wird... Insofern: Nach der Sicht der StudienautorInnen ist wohl jede Form von Humanismus und die Befürwortung der Menschenrechte "linksextrem", also lässt sich die Stigmatisierung durch die - wahrscheinlich selber dem rechtsextremen Spektrum zugehörigen - StudienautorInnen als Auszeichnung auffassen: Wenn das alles schon linksextrem sein soll - naja, was ist denn dann eigentlich daran schlecht, linksextrem zu sein?
Alles in allem scheint diese Studie aber voll im Trend zu liegen: Es wird in Zeiten der Syriza-Paranoia Angst und Panik vor linker Politik geschürt, um die tatsächliche Dominanz konservativer und rechtsextremer Politik - heute in Deutschland, morgen auf der ganzen Welt - zu zementieren. Eine ideologisch gefärbte Gefälligkeitsstudie, die vielleicht nicht direkt von CDU und Konsorten bestellt wurde, aber jedenfalls in deren Dienst und Interesse steht.
Und wieder einmal ist eine „Untersuchung“ Wasser auf jedermanns Mühlen. Ob nun Werdermann oder Columbus, Welt oder FAZ, da wird wild im Kuchen nach Rosinen gepickt, munter drauflos gemutmaßt, werden weltbewegende Generalisierungen geboren und, und, und. Leider setzten Sie sich überhaupt nicht mit der Untersuchungsmethodik auseinander, hinterfragen nicht die Prämissen, schauen nicht auf den Aufbau der Fragebögen und Interviewer-Leitfäden, befassen sich nicht mit den statistischen Methoden. Ohne diese Mühe, die Sie sich offensichtlich nicht machen wollten, konnten oder sollten, ist alles Zahlenwerk, das Sie so eifrig präsentieren, sind alle „Schlussfolgerungen“ nichts als beliebige, sinnentleerte Selbstbeweihräucherungen.
Was bitte soll ein Artikel, der lediglich eine Pressemitteilung, noch dazu ungenau, wiedergibt und sich ansonsten aus zwei Tagesszeitungen bedient und als Zugabe noch einen Link auf einen weiteren schlecht recherchierten und oberflächlichen Artikel des Autors liefert?
Wäre es nicht sinnvoll gewesen sich zumindest die von den Machern der Studie angebotene längere Zusammenfassung inhaltlich wie methodisch anzuschauen, vielleicht, den Interviewkontakt zu nutzen, eine Expertenmeinung zur Studie einzuholen und dann einmal zu recherchieren, was es mit dem Anti-DDR-Lobbyverbund der „Forschungsstelle SED-Staat“ eigentlich auf sich hat, wer dort die Strippen zieht, wer dort finanziert und warum sich die BRD 25 Jahre nach der Vereinigung noch immer einen solchen Verbund leistet, der undifferenziert die Argumentationskette links=extremistisch=DDR=Unrecht=verfassungsfeindlich=faschistisch herunterbetet?
Sicherlich, das ist Arbeit, das geht nicht in einer halben Stunde. Aber dafür ist der Freitag halt auch eine Wochenzeitung und kein Newsticker.
@Columbus, Sie brauchen sich nicht klein zu machen, Sie schreiben den GLEICHEN Stil wie Herr Werdermann.
Ansonsten schließe ich mich @Mopperkopp an: Schluss mit den mittelmäßigen Meinungen, Herr Werdermann!
Aha, und woher wissen Sie, ob ich mir die längere Zusammenfassung der Studie besorgt habe?
Ich finde die Argumentationskette des Kollegen, derzufolge man die Fragestellungen im Detail sowie das Lobbyumfeld des Herausgebers hätte genauer unter die Lupe hätte nehmen sollen (eventuell auch mit investigativen Mitteln), gar nicht so verkehrt.
So lange der LinksPopulismus nicht erkennt, dass die Rechtsradikalität nicht genetisch bedingt ist (Autorassismus), so lange wird der faschistoid-anisemitisch und tendentiell totalitaritische ISLAM weiter im nicht-integrierten Zustand abfeiern !
Die AutorInnen der gerade veröffentlichten Studie haben vor allem ihre Definitionen der Begriffe Linksextremismus und Linksradikalismus ausführlich vorgestellt, und dann auch noch sehr ausführlich, wer, bei Beantwortung welcher Fragen, wie von ihnen eingeschätzt wird, Sub.
Herr Werdermann hat die Problematik offenbar sofort erkannt. Er schreibt knapp, denn es muss ja auch zur Zeitung passen, die immer fordert, fasse dich kurz.
Ich habe mir ein paar der Einschätzer herausgezogen und hier vorgestelllt, um zu zeigen, mit welcher Haltung, Meinung, Einstellung man für diese Art Wissenschaft, die ja gar keine ist, schon des Linksradikalismus oder gar Linksextremistismus verdächtig wird, und ich habe auch darauf verwiesen, dass die Art und Weise der Studie aus dem langjährig beibehaltenen "Forschungsansatz" des "SED- Forschungsverbunds" am Otto Suhr- Institut zu erklären ist.
>>Warum aber nun die Lust der beamteten Linksextremismus und SED- Forscher des Otto- Suhr Instituts, den angeblich noch weiter in die Gesellschaft vorgedrungenen Linksradikalismus auszustellen? - Ganz einfach: die Schröders sind schon länger der Überzeugung, dass die eigentliche Gefahr von Links kommt.
Diese Forschung mit Bias muss nicht unbedingt schlecht sein und dem Staat kommt sie sehr gelegen, denn sie lenkt doch vom Staatsversagen ab....<<, usw.
Zu diesem Punkt könnte man ein ganzes Essay schreiben und müsste dabei diffrenzieren, wann die einseitige Methode des Verbundes durchaus brauchbare Ergebnisse erbrachte. Wann und warum sie bei anderen Einschätzungen, z.B. nun mit einer halbwegs annehmbaren Analogie zur Meinungs- und Sozialforschung um rechtes Denken in der Gesellschaft, die meist aber eine Forschung zu autoritären und totalitären Denkenmustern ist (z. B. Heitmeyer,ff.), scheitern muss.
Und selbstverständlich gibt es auch noch die klassische Extremismusforschung und Datensammlung, die sogar sehr klar Gruppen und Personen benennen kann, die diese Haltung nicht nur haben, sondern konkret ausleben. - Da halte ich mich lieber dran und denke auch, dass damit Entwarnung gegeben werden kann, wir stünden vor einer gefährlichen Massenbewegung des Linksradikalismus und des Linksextremismus, zumindest aber, vor der Gefahr die ganz normalen Bürger radikalisierten sich links.
Letztlich habe ich noch meine persönliche, durchaus wissensgestützte Meinung dazu eingestreut, dass offene und demokratische Gesellschaften nicht von den Rändern her zerstört werden, sondern dies die vermeintliche Mitte selbst besorgt, die ja auch die formale Macht immer demokratisch bestellt.
Werden da die anstehenden Aufgaben nicht gerecht, offen und vor allem breit akzeptiert geregelt, entwickelt sich das Gemeinwesen für zahlreiche Bürger dysfunktional. Das führt zu Gefahr des Zerfalls, weil dann Extremisten und Populisten Einfluss gewinnen und Bürger diesem Staat und dieser Gesellschaftsordnung innerlich kündigen, also nicht mehr im tatsächlichen Alltagshandeln und bei politischen Entscheidungsfragen loyal sind, bzw. darauf kein Verlass mehr sein kann.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Angenommen, man hat einen fixen Punkt in der Mitte eines Kreises. Jetzt zieht man den Kreis nach rechts, während der Punkt bleibt, wo er ist. Er wandert also im Kreis nach links.
Es ist natürlich Blödsinn, zu behaupten, es sei linksextremistisch, wenn der Einfluß der Lobbyverbände die Demokratie schwinden läßt. Was mir dabei nicht gefällt, ist der Begriff "Wirtschaft". Dies ist nämlich verallgemeinernd. Wirtschaft sind wir alle: Anbietende oder Nachfragende.
Die Lobbies (oder das große Geld)diktieren nämlich.
Dein Kommentar ist zwar sehr langatmig, dennoch lesenswert! Zum Punkt der "Gleichheit über Freiheit": Ich habe das Gefühl das freiheitliche Dogma, welches unserem liberalem Grundverständnis entspricht, überdeckt den tatsächlichen Missbrauch dieses Gutes im kapitalistischen Sinne. Was als (unternehmerische) Freiheit deklariert wird, ist eine über Jahrhunderte gewachsene Machtungleichheit, welche zwar THEORETISCH "gerecht" genutzt werden könnte, sich aber leider immer wieder selbst produziert. Ich habe schon Stunden damit verbracht, darüber nachzudenken und zu diskutieren, infwiefern man dies entweder auf individuelle oder kollektive Akteure, oder das System, welches dahinter steckt zurückführen kann. Ich habe bis heute keine Antwort darauf. Aber ich bin davon überzeugt, dass die systemische Alternative nicht zum Besseren führen wird. Ich halte es für utopisch eine derartige Machtgleichheit zu erarbeiten, welche nicht derartig missbraucht wird, dass diese wieder in ein Ungleichgewicht verkehrt wird. Jedoch ist es für mich ersichtlich, dass die Strukturen der Freiheit für die "Vielen" ihren Glanz verloren haben, während die weiterhin profitierende Minderheit diese propagiert. Das Problem ist, dass sich auf dieser Basis keine Systemkritik herausbilden kann, da grundsätzlich nichts gegen diesen Grundsatz einzuwenden ist. Vor Allem, wenn nebenbei eine "Bekämpfung der Korruption" gefordert wird, legitimiert sich diese Argumentation wie von selbst. Ein nicht enden wollendes Dilemma.
Meine Gedanken zu dazu.
Liebe Grüße
Dominik Wittschiebe (Ich studiere Sozialwissenschaften)
(Ich habe nun erst den Kommentar weitergelesen)
Ich stimme Ihnen weitgehend zu! Sie führen meine Gedanken eigentlich weiter aus. Die Frage, welche sich mir stellt ist, wie Politik und Intellektuelle intervenieren können, um zumindest eine Basis des Gleichgewichtets herzustellen, wenn mein Gefühl mir sagt, dass die politische Mündigkeit der Bürger (zumindest in diesem Land) permanent am Sinken ist. Ich würde fast sogar behaupten, der Rückgang der Wahlbeteiligung ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass sich der größte Teil der Gesellschaft in einem Vakuum von Erfolg, Lebenssinn, gesellschaftlichen Konformismus befindet und darin keinen Ausweg sieht. Ist das ein Werteverlust im Weberschen Sinne? Falls ja, dann frag ich mich, wie unsere Zukunft aussieht, wenn ich mit der Annahme richtig liege, dass nicht das kapitalistische System daran Schuld hat. Tut mir Leid für meine kulturpessimistische Perspektive, aber das ist meine Wahrnehmung.
Das finde ich sehr spannend., Herr Wittschiebe.
Die Zusammenhänge Recht und Gerechtigkeit, Recht und Gewalt, Freiheit (besonders auch die sogenannte Vertragsfreiheit) und Macht, sowie die vielen Erzählungen/Narrative zum Thema Freiheit beschäftigen mich schon lange.
Schon allein die Rede von der Vertragsfreiheit wird sofort problematisch, wenn man sich z.B. vor Augen führt, dass Voraussetzungen, Wissen, Lebensumstände, Zugang zu Hilfen, Vorhandensein von Unterstützern oder Zeugen, finanzielle Situation, etc. , z.B. bei einem einfachen Akt, wie der Anmietung einer Wohnung oder bei der Finanzierung einer solchen, eine große Rolle spielen, die sofort gewaltige Unterschiede in den persönlichen Möglichkeiten und Chancen bedeuten.
Das Unbehagen an der Gesellschaft wie sie nun geworden ist, viel mehr als Unbehagen ist es ja bisher noch nicht unter den Bürgern, speist sich aus einer durchaus menschlichen/natürlichen Eigenart, es möge doch gerecht unter uns zugehen, obwohl selbst das noch lange ein ideales Versprechen bleiben wird.
Die individuellen, intra- und intergesellschaftlichen Unterschiede wachsen, obwohl es z.B., außer direkt in den ersten 15 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, in dieser Republik nie leichter war, noch vermögender zu werden, als man unter Umständen schon ist, obwohl die Steuereinnahmen sprudeln, obwohl der außenwirtschaftliche Überschuss fast jedes Jahr höher ausfällt.
Die Wahrnehmung dieses Sachverhalts erzeugte lange nur hinnehmende Duldsamkeit. Ein paar Geschenke, Brot und Spiele wie die Römer dazu sagten, deckeln die Frustration eine Zeit lang. Aber auf Dauer geht das nicht gut.
Selbst Menschen, die an die Gerechtigkeit nur spieltheoretisch glauben, selbst solche die persönlich extrem erfolgreich damit sind, bemerken doch, wie sehr Randbedingungen die Position bestimmen. Sogar der Ort der Geburt entscheidet im 21. Jahrhundert immer noch mehr, als zum Beispiel Anstrengung und intellektuelles Vermögen. Dabei strengen sich die meisten Menschen auf diesem Globus an und sind sich, bezüglich der körperlichen und intellektuellen Fähigkeiten, viel ähnlicher, als es uns die gewaltigen realen/materiellen Unterschiede glauben lassen.
Das Problem der Fundamental- oder Systemkritiken war, dass die politischen Ideologien die sie einst besonders speisten und anfeuerten, sich als Katastrophenprogramme herausstellten.
Das lag aber, so jedenfalls ist es meine Ansicht, an der dogmatischen Erstarrung, die z.B. in der Folge von Marx, der persönlich für eine Anpassung durch regelmäßige Analyse der erzeugten und geschaffenen Verhältnisse plädierte, in ausweglose Unmenschlichkeit führte.
Heute könnte aber die Zeit für einen humanistischen Kommunismus oder Sozialismus wieder gekommen sein, womit z.B. Linke bei dem Marx der Frühschriften erneut anfingen und sich für ihre neuen Mühen Bündnispartner suchten, denen sie nicht gleich wieder untreu werden. Katholiken können lesen und hören, was ihre päpstlichen Oberhäupter in Sozialenzykliken schon länger verkünden, wenn es auch das deutsche Episkopat aus Eigennutz anders hält. Die Evangelischen können sich an Müntzer, ff erinnern. Usw.
Wissenschaftlich orientierte Leute können, bezogen auf die biologischen und psychologischen Erkenntnisse, auf die Sozialpsychologie, das Maß der größten Zufriedenheit in gerechten und einander zugewandten Gesellschaften finden.
Tatsächlich könnte man verzweifeln, wenn die Berechtigung auf Förderung oder Anerkennung im Sozialbereich unter Umständen Monate in Anspruch nimmt, während zum Beispiel zig Milliarden Euro innerhalb weniger Tage zur Stabilisierung der Großbanken zur Verfügung stehen. So ganz gesund scheint der Finanzkapitalismus also nicht mehr zu sein.
Jeder Bürger weiß mittlerweile, dass Sparen in einer Volkswirtschaft, die nicht gewaltige Überschüsse zur Verfügung hat oder produktiv erzeugt, nicht von den Schulden wegbringt und defizitäre Volkswirtschaften nicht auf die Erfolgsspur für die Mehrheit zurückführt. - Trotzdem aber, erlauben es die Verhältnisse, dass uns Regierende und Medien in der Mehrheit vorspielen es sei anders.
Selbst nach fünf Jahren des eklatanten Misserfolgs in einem völlig dem Marktprinzip unterworfenen Land, wollen viele ihren Eigensinn dort weiter fortsetzen und durchsetzen.
Selbst das kapitalistische System, ich mag den Begriff System in diesem Zusammenhang eigentlich nicht, kennt in seiner Ursprungsfassung/Beschreibung, z.B.. bei Adam Smith, eine ganze Reihen ethischer und regeltechnischer Vorgaben, die den Keim der wachsenden Ungleichheit auf Märkten aller Art klein halten. Selbst strenge Anhänger müssten doch von Zeit zu Zeit dazu mehr nachdenken, die Vertragsbedingungen anzupassen, wenn sie meist gar keine Vertragsgleichheit und damit individuelle Freiheit mehr erlauben.
An diesem Punkt sind wir, so denke ich. Es reicht (noch) nicht zu einer Revolution. Aber selbst jene, die dem "System" unbedingt die Treue halten, werden unruhig, weil sie ihre eigene Geschäftsgrundlage zerstören, die das allgmeine Vertrauen, es ginge gerecht zu, mit umfasst.
Weil es nicht mehr so ist, muss Zustimmung weltweit immer häufiger erkauft, erpresst oder gar erzwungen werden.
Das müsste selbst Menschen, die sich, stark an Vermögen und Besitz, recht sicher fühlen, nachdenklich machen.
Im zweiten Kommentar-Teil gehen Sie auf eine andere Ebene. Da handeln Sie von berühmte(n) und wichtige(n) Sinnfrage(n) und dem Werteverlust. - Ich bin gespalten, was Optimismus und Pessimismus in diesen Fragen angeht.
Optimistisch stimmt mich, dass sowohl Religionen, als auch ganze Kulturen die Sinnsuche nicht einfach mit der Bereicherung und der allgemeinen Umstelltheit mit allerlei Sachen einstellen. Pessimistisch sehe ich, durchaus mit ihnen einer Meinung, dass vor allem die Gewinn- und Machtmaximierungsstrategien, weil sie auch einfach zu verstehen und zu befolgen sind, an Raum gewonnen haben.
Aber irgendwie, so fühle ich, ist derzeit noch nicht das letzte Gefecht geschlagen. Das Pendel schwingt und das ist gut so.
Daher hat es für mich nichts Radikales und Extremistisches, wenn sich wieder mehr Menschen wünschen, es sollten die drei revolutionären Hauptworte: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, gleichberechtigt in der aufgeklärten neuen Weltgesellschaft gelten.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Ach ja! Die leute sagen viel wenn der tag lang ist. List man mal umfragen zu ausländern in deutschland müßten 80% rechts extreme sein. Am besten wird das deutlich wenn man mal umfragen zur regierung anschaut. Da sind die leute zu 75% unzufrieden mit, finden Mutti (frau merkel) aber zu 90% ganz toll und wählen zu 75% weiter diese politik der mitte aus CDU/CSU/SPD/FDP/Die Grünen.
DIE deutschen wissen doch garnicht mehr WAS sie wollen! Heute links morgen recht und am wochenende die mitte.
Herr westerwelle (FDP) hat mal auf den punkt gebracht.
"Deutschland wird von der Mitte aus regiert, von einer Koalition der Mitte. Und die Ränder haben in dieser Republik nichts zu sagen."
Danke, guter Artikel.
"Viele, die unter dem SED-Regime gelebt haben, glauben also weiterhin an eine bessere Gesellschaft, während viele Westdeutschen ohne eigene Erfahrungen den Sozialismus und Kommunismus rundheraus ablehnen."
Ich (als ausgewanderter Ostdeutscher) halte da das Wohlstandsgefälle für die schlüssigere Erklärung.
Westdeutsche haben meiner Erfahrung nach auch ein kontinuierlicheres Empfinden über diesen Staat. Sie sind in die Institutionen hineingewachsen, die unsereins übergestülpt bekommen hat. Institutionen die etabliert sind und z.B. schon von ihren Eltern mitgeprägt wurden. Dazu wirtschaftswunderbedingt eine andere Einstellung zur Privatwirtschaft und teilweise sehr krasse Unterschiede in der Vermögens- und Einkommenssituation zwischen Ost und West (bei selber Qualifikation und selbem Stand).
Viele empfinden dieses System daher als persönlich beeinflussbar(er), sind saturierter als Ostdeutsche und ihnen fehlt überdies die Phantasie, sich Alternativen vorzustellen. Sie halten die Kontinuität für die Normalität, nicht den Bruch derselben (wie ihn die Ostdeutschen erleben mussten). Eine völlig andere Perspektive sozusagen.
"Jeder Dritte (33 Prozent) findet: „Deutschland sollte prinzipiell alle Personen aufnehmen, die in unserem Land Zuflucht suchen.“
Ein Zeichen dafür, wie nett und hilfsbereit die Deutschen sein wollen. Wird sich nicht ewig halten, spätestens wenn den ersten die Größenordnung dieses Wunsches klar wird und damit die konkreten Auswirkungen auf ihr Leben...
Interessante Gedanken.
"freiheitliche Dogma, welches unserem liberalem Grundverständnis entspricht"
Ich halte den Begriff der Freiheit bereits für einen Denkfehler. Ich glaube Adorno war es, der Freiheit als die Abwesenheit eines konkreten Zwanges definierte. So etwas wie eine allgemeine Freiheit gibt es gar nicht. Man kann nur frei von bestimmten Zwängen sein.
Eine Maximierung von Freiheit, würde also bedeuten, konkrekte Zwänge minimieren zu müssen. Sehr schwierig, denn Zwänge neigen dazu sich zu verlagern. Befreit man die eine Gruppe, ist die anderen dafür größeren Zwängen ausgesetzt.
Da sehe ich das Grundproblem des politischen Liberalismus, der es deshalb auch nie so richtig geschafft hat, den Begriff der Freiheit von seiner Fixierung auf staatliche Obrigkeitszwänge abzutrennen. Was in einer Demokratie aber zu logischer Widersprüchlichkeit führt...
"infwiefern man dies entweder auf individuelle oder kollektive Akteure, oder das System, welches dahinter steckt zurückführen kann. Ich habe bis heute keine Antwort darauf."
Kapitalkonzentration ist ein typisches kapitalistisches Problem.
Ich halte die beste Lösung für einen Mittelweg, etwa eine Vermögensdeckelung oder eine sehr stark progressive Erbschaftssteuer. Abgesichert über Aufklärung und direktdemokratische Teilhabe.
"dass die systemische Alternative nicht zum Besseren führen wird. Ich halte es für utopisch eine derartige Machtgleichheit zu erarbeiten, welche nicht derartig missbraucht wird, dass diese wieder in ein Ungleichgewicht verkehrt wird"
Ja, das ist ein schwieriges Problem. Die perfekte Lösung gibt es m.E. nicht, man kann sich ihr immer nur annähern.
"da grundsätzlich nichts gegen diesen Grundsatz einzuwenden ist."
Das liegt eben nur daran, dass der Begriff Freiheit ein so schön positiv belegter Platzhalter ist, dass er ständig für die Interessen der Starken missbraucht wird.
„Wo der Starke auf den Schwachen trifft, ist das Gesetz die Freiheit des Schwächeren.“ hat schon Jean-Jacques Rousseau erkannt...
Der Kapitalismus ist nur imperial mittelfristig überlebensfähig. Langfristig gar nicht. Das wird aktuell so deutlich wie nie. Ein Linksruck ist die logische Folge.
Diese Umfrage ist verschlüsselt nicht anderes als die Forderung an sämtliche Bürger, daß sie die Schnauze halten sollen.
Das galt auch für das Strategiepapier des AA an den Bundestag bzgl. der Ukrainepolitik, wie man zu denken hat. Und wer jetzt noch nicht geschnallt hat, worum es geht, dem ist eh nicht mehr zu helfen.
Passend dazu dieser Artikel aus der TAZ
Kritisches Nachfragen unerwünscht
Weil er die Bundeswehr kritisierte, erhielt ein Schüler in Bamberg einen Verweis. Seine „linksorientierte Gesinnung“ bedränge andere, sagt sein Direktor.
"Was ein Mitschüler von H. als „kritische Fragen“ beschreibt, ist für Mattausch eine „Störung“."
Wer stört, der fliegt. Oder wie es der BW-Offizier in seinem Vortrag auf den gemeinsamen Nenner brachte: „Man muss eben abwägen, ob man seine eigenen Jungs riskieren will oder die halt.“
Besser kann man (neoliberalen)Frieden und Freiheit 2015 nichtmehr auf den Punkt bringen.
Und wer einen Hammer in der Hand hält, für den sieht plötzlich alles wie ein Nagel aus.
Es geht nicht um Linksextremismus bei dieser Debatte, sondern um die Paranoia der Mächtigen und Pseudomächtigen. Dabei wird automatisch jeder, der ihnen diese Macht streitig machen will, gelabelt. Und Paranoia hat ja kein Ende. Zuletzt trifft es dann die Satrapen und Paladine.
Da hat dieser Schüler aber noch mal Glück gehabt, dass er nicht im Jemen lebt und die USA kritisierte. Da werden die Drohnen schon mal hell(fire)hörig.
Gegen Heuchler in Diktaturen und Demokratie..."Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen"( Kant ) Der Direktor ist ein gutes Beispiel für Spießertum und Zeitgeist der neuen Rechthaber!
Wenn auch verspätet hier noch eine kurze Antwort:
Es kann m.E. nicht darum gehen, ob mir oder Ihnen oder sonst einem Leser die Schlussfolgerung eines Artikelautors gefällt bzw. ins Weltbild passt. Artikel, die oberflächlich, uninformiert und polemisch lediglich den "schnellen Aufreger" suchen und ein Schwarz-Weiß-Zerrbild von "den Guten=Wahrhaftigen" und "den Bösen=Verlogenen" zeichnen, muss man auch dann ablehnen, wenn einem das Ergebnis gefällt. Zum Glück ist die Mehrheit der Autoren beim Freitag nicht so qualitätsresistent wie Herr Werdermann.