Medien: Zu schnell für die Wissenschaft

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Ein offener Brief der deutschen Klimaforscher wurde von den Medien mal wieder ignoriert. Kein Wunder, denn Wissenschaftler sind keine PR-Experten

Man könnte es Kommunikationsproblem nennen: Da schreibt ein breites Bündnis an deutschen Klimawissenschaftlern einen offenen Brief und die Medien beachten ihn gar nicht. Zwei Tage nach dem Veröffentlichen findet sich bei GoogleNews gerade mal einen Beitrag dazu. Viel mehr wurde wohl auch nicht berichtet.

Dabei ist durchaus beachtlich, wer alles zu den Unterzeichnern des Briefes gehört: Das ist zum einen das Nationale Konsortium für Global Change Forschung (NKGCF), das die Deutsche Forschungsgesellschaft und das Bundesforschungsministerium berät. Zum anderen steht aber auch das Deutsch Klima-Konsortium (DKK) hinter dem Brief, und darin sind zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen vertreten: Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Deutscher Wetterdienst, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Forschungszentrum Karlsruhe, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, Max-Planck-Institute und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, um nur einige zu nennen.

Nun, warum kommen Wissenschaft und Medien anscheinend nicht auf den grünen Zweig? Erstens ist der Inhalt des Briefes nicht sonderlich revolutionär. Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), ein Gremium internationaler Klimawissenschaftler, wird dort verteidigt, nachdem der IPCC wegen kleinerer Fehler im letzten Sachstandsbericht in die Kritik geraten war. Die deutschen Klimaforscher schreiben dazu, die Kernaussage bleibe bestehen: „Der Klimawandel ist weitgehend von Menschen verursacht und wird sich in Zukunft verstärken.“ Wirklich neu ist diese Erkenntnis nicht.

Zweitens kommt der offene Brief viel zu spät. Die Debatte lief im Januar und Februar, aber die Wissenschaftler brauchen bis Ende Mai, um die Erklärung zu veröffentlichen. Das mag zum einen daran liegen, dass sich so viele Institute und Forscher auf einen Text einigen mussten. Zum anderen spielt die Langsamkeit der Wissenschaft aber sicherlich auch eine Rolle. Die Forscher sind es nunmal nicht gewohnt, von einem Tag auf den nächsten ihre Meinung darzulegen. Da muss der Sachverhalt zunächst in Ruhe geprüft und eingeschätzt werden.

Drittens ist der Brief in einem sehr moderaten Ton gehalten. Selbst die einzige Forderung – sodenn sie eine sein soll – ist als Rat formuliert: Man empfehle, „genau zu prüfen, ob Wissenschaftler alle vom Panel auferlegten Aufgaben adäquat erfüllen können oder ob hier eine stärkere Aufgabenteilung zwischen internationalem Panel und nationaler Politikberatung erfolgen sollte“. Als vor etwa einem Monat US-Forscher im Wissenschaftsmagazin Science ebenfalls einen offenen Brief veröffentlichten, waren die Formulierungen sehr viel schärfer. Da heißt es (in der deutschen Übersetzung): „Wir sind tief beunruhigt wegen der jüngsten Eskalation politischer Angriffe auf die Wissenschaft im Allgemeinen und auf die Klimawissenschaftler im Besonderen.“ Und viele dieser Angriffe seien „üblicherweise durch Interessengruppen oder Dogmen getrieben“.

Man muss als Wissenschaftler keine reißerischen Töne anschlagen, man muss auch nicht tagesaktuell seine Meinung abgeben, und die Weltneuheit muss man auch nicht verkünden. Vielleicht legen auch die Medien falsche Maßstäbe an bei der Frage, worüber berichtet wird und worüber nicht. Aber dass der offene Brief ignoriert wurde – wundern sollte man sich darüber auch nicht.

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