Sie suchen eine gute Vorsorge für das Alter? Oder eine inflationssichere Geldanlage? Der Naturschutzbund (Nabu) hat einen heißen Tipp: Wie wäre es mit einem kleinen Stückchen Wald? Die Umweltorganisation fordert nämlich, dass der Staatswald in Nordrhein-Westfalen (NRW) privatisiert und zu weiten Teilen an eine Bürgerwald-Aktiengesellschaft verkauft wird. Nur zum Nutzen des Waldes, versteht sich.
Noch im letzten Jahr hatte der Nabu gegen den Verkauf einer 2.600 Hektar großen Waldfläche in der Eifel an den Großinvestor Bofrost protestiert. Damals hatte sich der Verband mit anderen Umweltorganisationen zur „Allianz gegen den Staatswaldsverkauf in NRW“ zusammengeschlossen.
In einer Stellungnahme aus dem Februar heißt es: „Die vier anerkannten Naturschutzverbände appellieren daher an den Landtag, (…) zu den alten und neuen Prinzipien der Staatswaldvermehrung zurückzukehren!“ Und: Sollten die Waldstücke trotzdem veräußert werden, „bleibt für die Naturschutzverbände Voraussetzung, dass ein solcher Verkauf nur an die öffentliche Hand und/oder eine gemeinnützige Natur- und Umweltstiftung erfolgt.“
Ein Stück Wald - für jedermann erschwinglich
Nun hat der Nabu seine Prinzipien anscheinend über Bord geworfen. In dieser Woche hat er das „NRW-Bürgerwaldkonzept“ vorgestellt, das der Diplom-Forstwirt Wilhelm Bode im Auftrag der Organisation erarbeitet hat. Das über 300 Seiten dicke Papier sieht vor, dass der Großteil des NRW-Staatswaldes verscherbelt werden soll. Bürgerinnen und Bürger können Aktien erwerben, die das Land schrittweise verkauft.
Johannes Enssle, Forstexperte beim Nabu, erklärt, es gehe um „bürgerlichen Streubesitz“, möglichst viele Privatpersonen sollten den Wald besitzen. Konkret heißt das: Kein Aktionär darf mehr als zehn Prozent der Anteile halten, die einzelne Aktie solle „für jedermann erschwinglich“ sein – Enssle spricht von rund 200 Euro.
Der verkaufte Wald werde dem Land rund eine Milliarden Euro bringen, glaubt der Nabu. Der Großteil dieser Finanzspritze soll in eine neu zu gründende Stiftung fließen, die sich um die besonders schützenswerten Wälder kümmert. Diese Flächen gehen nämlich nicht an die Aktiengesellschaft, sondern werden der Stiftung übertragen. Außerdem besitzt die Stiftung noch ein Fünftel der Bürgerwald-Aktien, erhält dadurch Geld und eine Sperrminorität für Satzungsänderungen in der Aktiengesellschaft.
Entmachtung des Staates
Ein etwas kompliziertes Konstrukt, das den Staat in Sachen Forstwirtschaft entmachten soll. Bislang hatte der Nabu an das Land appelliert, den Wald „im Sinne des Gemeinwohls vorbildhaft zu bewirtschaften“. Doch der Umweltverband stellt ein miserables Zeugnis aus: „Ökologisch und ökonomisch fragwürdige Betriebsmodelle, überhöhte Wildbestände, Stellenabbau, harte Holzerntetechniken und massive Holzeinschläge in Schutzgebieten sind Zeugnis von schlechten forstpolitischen Rahmenbedingungen und Folgen des zunehmenden Rationalisierungsdrucks im öffentlichen Dienst.“
Jetzt hat der Nabu die Hoffnung aufgegeben und vollzieht einen Kurswechsel. Es gibt aber noch ein weiteres Argument für die Privatisierung: Der Schutz vor Privatisierung. Denn ein weiterer Verkauf an Großinvestoren müsse verhindert werden, so der Nabu. Angesichts angespannter Haushaltssituation sei davon auszugehen, dass der Verkauf des Eifel-Waldes an Bofrost „kein Einzelfall bleiben wird“. Für die Umweltschützer ist klar: „Der Staatswald und die darin liegenden Schutzgebiete sind beim Land nicht mehr in sicheren Händen.“
Betreten verboten
Privatisierung als Wundermittel gegen Privatisierung? Ein fragwürdige Argumentation, denn eine Aktiengesellschaft bleibt eine Aktiengesellschaft und wird auch durch Streubesitz nicht zu einer gemeinnützigen Umweltorganisation. Die Vorstände sind sogar verpflichtet, zum (finanziellen) Wohle der Aktionäre zu handeln.
Der Nabu pocht auf die Satzung, doch der wirtschaftliche Druck zur Profitmaximierung bleibt. Und der richtet sich immer wieder gegen die Umwelt und gegen die Bürger. Denn private Wälder können auch als Erholungsgebiet ausscheiden. Betreten verboten – wenn es der Eigentümer so will.
Das Nabu-Konzept verweist auf ein „Waldbetretensrecht in den Waldgesetzen“. Doch wie lange lässt sich das gegen neue wirtschaftliche Interessen aufrecht erhalten? Nabu-Referent Enssle kann sogar erzählen, wie ein belgischer Privatinvestor in der Stadt Radevormwald dieses Recht austrickst. In Zeiten der „Holzernte“ darf der Wald nämlich doch vorübergehend gesperrt werden – und welcher Spaziergänger kann schon nachweisen, ob im Wald tatsächlich abgeholzt wird oder noch ein paar Tage der geschlossenen Tür drangehängt werden?
Gegen die Lobby der Jäger
Aus Sicht des Nabus arbeiten private Forstbetriebe profitabler und umweltschonender zugleich. Forstexperte Enssle erklärt das beispielsweise damit, dass im Staatswald zu viel Wild zugelassen werde. Viele Förster und Politiker seien Jäger und Jäger gehen nun mal gerne auf die Jagd – ein Wald, in dem es an Rehen und Wildschweinen wimmelt, ist für sie ein wahres Paradies.
Nun müsste man aber an diesen Zuständen etwas ändern – anstatt wie der Nabu die Flinte ins Korn zu schmeißen. Denn auf Entscheidungen über einen Staatswald lassen sich zumindest geringfügig demokratisch beeinflussen. Aktiengesellschaften aber sind beinahe unkontrollierbar – hier gibt die Sucht nach Profiten den Ton an. Nur wer Geld hat, darf mitreden.
Ein Glück, dass sich wenigstens andere Umweltverbände wie der BUND klar von der Nabu-Position distanzieren. Auch die Grünen lehnen die Wald-Aktien ab. Und die könnten schließlich in NRW bald durchaus am entscheidenden Hebel sitzen.
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