Für die Grünen im Bundestag ist die Sache klar: Ein „Angriff auf das Grundrecht auf Asyl“ sei die geplante Neuregelung der Großen Koalition zu den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Doch nun könnten die Grünen selbst den Weg ebnen für die Verschärfung des Flüchtlingsrechts – wenn ein grün mitregiertes Bundesland dem Gesetz im Bundesrat zustimmt. Die Verhandlungen laufen bereits. Und es steht zu befürchten, dass sich einige Landes-Grüne auf einen faulen Kompromiss einlassen. Für die Flüchtlinge wäre das eine Katastrophe.
Der Bundestag hat das Gesetz bereits im Juli beschlossen: Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien sollen zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Für Menschen aus diesen Ländern, betroffen wären wohl vor allem Roma, wird es damit praktisch unmöglich, hierzulande Asyl zu bekommen.
Ihre Anträge werden dann nämlich standardmäßig als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Es sei denn, die Schutzsuchenden können „Tatsachen oder Beweismittel“ anführen, die belegen, dass sie trotz der angeblich sicheren Lage in ihrem Land politisch verfolgt werden. Das Problem: Wer flieht, nimmt die nötigsten Sachen mit, aber keine Beweise für irgendein späteres Asylverfahren.
Keine Gleichbehandlung
Die Regel widerspricht dem Prinzip, dass alle Flüchtlinge gleich behandelt werden – egal, aus welchem Land sie kommen. Und sie verhindert, dass die Behördenmitarbeiter unvoreingenommen mit den Asylsuchenden über deren Fluchtgründe sprechen. Aber wenn es darum geht, dass Deutschland weniger Menschen aufnimmt, dann dürfte das Gesetz durchaus sein Ziel erreichen. Deswegen ist es für CDU und CSU so wichtig.
Die Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter hält es zwar für unwahrscheinlich, dass die Grünen das Gesetz mittragen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu einer Einigung mit der Koalition kommt über deren Wunsch, drei Staaten des Westbalkans zu sicheren Herkunftsstaaten zu machen“, sagte sie jetzt der FAZ. Trotzdem: Kanzleramtschef Peter Altmaier führt bereits Verhandlungen mit den Grünen. Er leitet eine Vermittlungsgruppe, bis zum Ende der Sommerpause soll ein Ergebnis vorliegen. Das heißt: Durch Kompromissangebote soll mindestens eine grün mitregierte Landesregierung zum Einknicken gebracht werden. Als Wackelkandidaten gelten Hessen und Baden-Württemberg.
Alles Verhandlungssache
In Hessen regieren die Grünen mit der CDU, sind damit eigentlich ganz zufrieden, und deswegen vielleicht auch zu Zugeständnissen in dieser Frage bereit. Offiziell hat sich die Landesregierung noch nicht festgelegt.
In Baden-Württemberg setzt pikanterweise die SPD die Grünen unter Druck. Dabei sind die Sozialdemokraten im Südwesten nicht an den Koalitionsvertrag im Bund gebunden, sondern nur an ihren eigenen mit den Grünen. Darin heißt es: „Wir setzen uns (…) für einen humaneren Umgang mit Flüchtlingen ein.“
In einer Landtagsdebatte wurden die Differenzen deutlich: Andreas Schwarz von den Grünen ist gegen die Herkunftsstaaten-Neuregelung, die SPD-Integrationsministerin Bilkay Öney ist dafür. Und die Position der Landesregierung? „Wegen der laufenden Verhandlungen sehen wir derzeit von einer Positionierung in dieser Frage ab“, teilt das Innenministerium trocken mit.
Unterm Strich muss es besser werden
Aber könnten die Grünen in den Verhandlungen nicht tatsächlich der Union ein paar Verbesserungen für Flüchtlinge abtrotzen? Vielleicht. Trotzdem ist Skepsis angebracht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Grünen-Politiker sich nicht nur an die CDU anbiedern wollen, um künftig Regierungsbündnisse zu ermöglichen.
Die Neuregelung der sicheren Herkunftsstaaten muss auf jeden Fall vom Bundesrat beschlossen werden, so steht es im Grundgesetz. Die Grünen können also blockieren und sollten sich daher nicht mit kleinen Änderungen in Teilbereichen abspeisen lassen, sondern nur dann zustimmen, wenn es für die Flüchtlinge unterm Strich wirklich besser wird als bisher.
Im Gespräch sind etwa ein leichterer Zugang zur Gesundheitsversorgung und zum Arbeitsmarkt sowie höhere Geldleistungen für Asylbewerber. Die Geldleistungen müssen allerdings ohnehin aufgestockt werden, weil das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2012 entschieden hat, dass Asylbewerber nicht weniger als das Existenzminimum bekommen dürfen. Derzeit liegen die Leistungen unter dem Hartz-IV-Satz. Ein vermeintliches Entgegenkommen der Union ist also womöglich nur die zwingende Reaktion auf dieses Urteil. Zudem hat die Bundesregierung dazu jetzt ohnehin einen Gesetzentwurf beschlossen. Ob sie daran nochmal rüttelt, scheint fraglich.
Und eine bessere Gesundheits- und Arbeitsmarktsituation? Das würde den Flüchtlingen in Deutschland zwar nützen. Aber es wäre inakzeptabel, im Gegenzug andere Schutzsuchende gar nicht hereinzulassen. Ihnen dürfte es nämlich noch schlechter gehen.
Irreführende Asylstatistik
Problematisch wäre eine Zustimmung der Grünen vor allem deswegen, weil künftig noch weitere Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden könnten. Die Grünen hätten dann sicherlich Hemmungen, das zu kritisieren, weil ihnen der politische Gegner vorhalten könnte, selbst zugestimmt zu haben. Und auch Enthalten bringt nichts im Bundesrat. Ein Gesetz benötigt dort die absolute Mehrheit, eine Enthaltung wirkt wie ein Nein.
Wenn sich bald niemand mehr traut, die Herkunftsstaaten-Regelung zu kritisieren, dann werden auch die Kritiker der Asylstatistik verstummen. Diese zeigt nämlich: Die Anträge Tausender Menschen sind abgelehnt worden. Sie zeigt aber nicht, warum. Und das nährt den Verdacht des „Asylmissbrauchs“, obwohl eigentlich das Gesetz schuld ist. Wenn die Grünen das verhindern wollen, dann müssen sie jetzt standhaft bleiben.
Dieser Artikel wurde für die Online-Ausgabe erweitert und aktualisiert.
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