Heiraten ist ein Grund zur Freude – oder zur Kündigung. Ein Chefarzt eines katholischen Krankenhauses hat seinen Arbeitsplatz verloren, nachdem die Klinikleitung davon erfuhr, dass er ein zweites Mal geheiratet hatte. Die katholische Kirche akzeptiert nämlich nur die erste Ehe – als Bund fürs Leben. Der Chefarzt klagte gegen die Kündigung, der Fall ging bis zum Bundesarbeitsgericht, das die Kündigung für rechtswidrig erklärte. Doch nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Urteil unwirksam ist und neu verhandelt werden muss. Das ist ein Skandal.
Eigentlich weiß man gar nicht, worüber man denn nun den Kopf schütteln soll: Über den Chefarzt, der einen Arbeitsvertrag unterschrieben hat, aus dem hervorgeht, dass einezweite Heirat inakzeptabel ist? (Wobei man bei der Wahl des Arbeitgebers leider nicht immer die große Entscheidungsfreiheit hat.) Über die Kirche, die sich bei ihren Schäflein und in der Öffentlichkeit unbeliebt macht, weil sie ihren Mitarbeitern eine Moral vorschreibt, die überhaupt nicht zur modernen Gesellschaft passt? Oder über die altmodischen Karlsruher Verfassungsrichter?
Teilweise rechtsfreie Zone
Der sperrige Titel der Pressemitteilung des Gerichts lässt erahnen, worum es wirklich geht. „Vertraglich vereinbarte Loyalitätsobliegenheiten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen unterliegen weiterhin nur eingeschränkter Überprüfung durch die staatlichen Gerichte.“ Man kann es auch anders sagen: Es geht um eine teilweise rechtsfreie Zone in den Kirchen. Dabei berufen sich die Richter auf das Grundgesetz: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.“ Daraus leiten die Richter ab, dass Kirchen alleine zu entscheiden hätten, wie wichtig bestimmte Moralvorstellungen für sie seien. Gerichte dürften darüber nur in extremen Ausnahmefällen befinden. Das hätte man auch anders auslegen können – zu Gunsten der Arbeitnehmer.
Das eigentliche Problem ist größer: Für Kirchen gilt leider nicht das Betriebsverfassungsgesetz wie für alle anderen, sondern ein Parallelsystem mit Sonderrechten. Solange das so bleibt, wird es weitergehen mit der Diskriminierung – nicht nur von Wiederverheirateten, sondern auch von Homosexuellen und Andersgläubigen.
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