Radikale Liebe zum Tier

Doku Ein ZDF-Film zeigt Aktivisten, die mit radikalen Methoden gegen Tierversuche und Schlachthöfe kämpfen. Er stellt die Frage, wie weit man gehen darf - leider ohne Antwort

Es ist dunkel. Mitten in der Nacht fahren die Aktivisten von der Tierrechtsorganisation Animal Equality zu einem Stall in Brandenburg. Ein Team vom ZDF ist mit dabei. Die Aktivisten gehen mit ihren Kameras in die Anlage, filmen die Zustände. Die Bilder zeigt später auch das ZDF. Dazu die Erklärung: „Es sind Bio-Hennen.“ Man sieht, dass vielen Tieren Federn fehlen, weil sie sich die gegenseitig bepicken.

In dem halbständigen Dokumentarfilm Aus Liebe zum Tier geht es allerdings nur in zweiter Linie um die Zustände in Deutschlands Ställen. In erster Linie geht es um die Aktivisten. Um Menschen, die gegen die katastrophalen Zustände kämpfen – auch mit radikalen Methoden. Die Doku, die am Mittwochabend ausgestrahlt wurde und in der Online-Mediathek zu sehen ist, gibt einen guten Einblick in die Szene. Sie stellt aber auch die Frage: „Wie weit dürfen Aktivisten gehen?“ – und mogelt sich um eine klare Antwort. Im Film heißt es zwar, sie gingen zu weit. Eine Begründung fehlt allerdings. Auch wo die Grenze liegt, bleibt nebulös. Wenn gegen das Gesetz verstoßen wird? Wenn Sachen beschädigt werden? Wenn Menschen in Gefahr sind? Wenn Menschen persönlich angegriffen werden?

Protest vor der Privatwohnung

Man erfährt beispielsweise, dass radikale Tierschützer in den vergangenen zehn Jahren laut Bundeskriminalamt mehr als 2.000 Straftaten begangen haben. Dazu zählen aber Brandstiftungen genauso wie Sachbeschädigung oder Hausfriedensbrüche, die begangen werden, um heimlich im Ställe zu filmen.

Man erfährt auch, dass Tierschützer vor den Privatwohnungen ihrer Gegner protestieren, sogenannte „home visits“, etwa bei Forschern, die Tierversuche durchführen. Allerdings wird dazu ein Statement der Aktivistin Martina Kunze gezeigt, das nicht so eindeutig ist: „Wir denken, dass Menschen aus der Anonymität zu ziehen, in gewissem Sinne gerechtfertigt ist, um darauf aufmerksam zu machen, was Tieren in dieser Gesellschaft angetan wird.“ Es stimmt: Man soll die Verantwortlichen nennen dürfen. Es ist allerdings unnötig, den Kampf ins Private zu verlegen und einzelne Personen einzuschüchtern. Schließlich handelt es sich nicht um individuelle Verfehlungen, sondern um strukturelle Probleme. In unserer Gesellschaft werden Tierlabore und Schlachthöfe akzeptiert. Was Martina Kunze über die „home visits“ denkt, bleibt im Film offen.

Auch bei Briefen an Forscher und Bauern differenziert die Dokumentation nicht weiter. Handelt es sich immer nur um „Drohbriefe“, die Angst machen sollen, oder gibt es auch Protestschreiben, die durchaus gerechtfertigt sind?

Breites Spektrum der Szene

Der Film lässt die Gegner der Tierschützer manchmal etwas leicht davonkommen. Forscher vom Max-Planck-Institut in Tübingen experimentieren beispielsweise an Affen. Das ZDF-Team schaut sich das an. „Wir dürfen mit rein.“ Dass es sich um eine Vorführung für die Öffentlichkeit handelt und die Tiere deswegen vermutlich außergewöhnlich nett behandelt werden, erwähnt das Team nicht. Tierschützer hatten zuvor einen Aktivisten eingeschleust, der heimlich Aufnahmen machte.

Im Film kommt auch ein Wissenschaftler zu Wort, der behauptet, die Tierschützer würden die Forschung in Deutschland kaputt machen. Dass es in vielen Bereichen längst Alternativen zu Tierversuchen gibt, wird nicht erwähnt. Und dann ist da noch der Mann aus dem Ledergeschäft, der sich darauf beruft, dass Tiere fürs Essen geschlachtet werden: „Ich verkaufe doch nur Abfallprodukte.“ Dass Lederprodukte Geld einbringen und sich dadurch das Töten der Tiere wirtschaftlich stärker lohnt, auch das bleibt unerwähnt.

Insgesamt ist der Film allerdings sehenswert, denn er lässt Tierrechtsaktivisten zu Wort kommen, nimmt ihre Aussagen ernst bildet ein breites Spektrum der Szene ab. Die Animal Liberation Front greift zur Sabotage, Animal Equality filmt in Tierställen, der Philosoph Peter Singer hält Vorträge, andere Tierschützer demonstrieren vor Versuchslaboren oder blockieren die Zufahrt zu einem Schlachthof. Am Ende bleibt die Frage, die Edmund Haferbeck von der Tierrechtsorganisation PETA stellt: „Wer ist der Extremist? Ist das derjenige, der hier in Deutschland drei Milliarden Tiere umbringt, nur um den kurzen Gaumengenuss von zehn Minuten auf dem Teller zu haben, oder derjenige, der tatsächlich ersucht, gegen die Zustände anzugehen?“

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