Rassismus in Behörden und Polizei? Gibt’s nicht!

Diskriminierung Die Bundesregierung sieht keine Probleme mit Rassismus in Behörden und der Polizei. Sie schiebt die Schuld den Betroffenen zu: Sie hätten einen falschen Eindruck
Ausgabe 29/2015
Die Regierung bekämpft den institutionellen Rassismus, indem sie über ihn schweigt
Die Regierung bekämpft den institutionellen Rassismus, indem sie über ihn schweigt

Foto: Thomas Eisenhuth/Imago

Polizisten, die nur Schwarze kontrollieren? Behördenmitarbeiter, die Ausländer abfällig behandeln? Gibt es nicht in Deutschland! Das verkündet die Bundesregierung – und man weiß nicht, ob man weinen oder lachen soll. Es ist schließlich eine absurde Vorstellung, dass Rassismus zwar in weiten Teilen unserer Gesellschaft existiert, er sich aber in staatlichen Institutionen plötzlich in Luft auflöst.

Selbst die Bundesregierung räumt indirekt ein, dass es Probleme geben kann. Schließlich wären sonst die Anti-Rassismus-Programme in Polizei und Behörden überflüssig. „Im Bereich der Bundespolizei sind Menschenrechte, Verhütung von Rassismus und rassistischer Diskriminierung integraler Bestandteil während der Aus- und Fortbildung“, schreibt die Regierung stolz. Reale Probleme eingestehen will sie aber nicht. Stattdessen verschanzt sie sich hinter einer Pseudo-Diskussion über Begrifflichkeiten.

Zahl der Beschwerden angeblich zu klein

In einem Schreiben an den Grünen-Politiker Volker Beck heißt es: „Eine pauschale und unreflektierte Verwendung des Begriffs ‚institutioneller Rassismus‘ lehnt die Bundesregierung ab, da der Begriff sowohl unbeabsichtigte, unbewusste und indirekte Diskriminierungen als auch eine staatlich organisierte, systematische Benachteiligung von Bevölkerungsgruppen (bspw. Apartheid, Rassegesetze u. ä.) erfasst.“ Der Bundesregierung steht es frei, ein anderes Wort zu nutzen, um die verschiedenen Bedeutungen besser voneinander abzugrenzen. Aber darum geht es ihr gar nicht.

Die Regierung bekämpft den Rassismus, indem sie über ihn schweigt und ihn somit für nicht existent erklärt. Das zeigt sich in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion. Zu rassistischen Polizeikontrollen erklärt die Regierung, es bestehe „bisher kein Ansatz für die Feststellung eines Strukturproblems“. Die Zahl der Beschwerden sei zu klein. Nur: Welcher Ausländer wendet sich schon an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, wer kennt sie überhaupt? Und wer wendet sich an die Polizei, nachdem er von der Polizei rassistisch behandelt wurde? Zumal viele Flüchtlinge aus Ländern mit Polizeiwillkür kommen.

Alles kein Problem, meint die Bundesregierung. Es gebe „weder organisations- oder behördenspezifische Gründe, noch strukturelle Hürden dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger bei vermeintlichem Fehlverhalten jeglicher Art von Polizeibeamten an die bundespolizeilichen Beschwerdestellen wenden“.

"Subjektiv als unberechigt empfunden"

Die Schuld schiebt sie den Betroffenen zu: Wer die Antworten liest, bekommt den Eindruck, mit deren Wahrnehmung könne irgendetwas nicht stimmen. Die Bundesregierung schreibt von „subjektiv als unberechtigt empfundenen polizeilichen Maßnahmen“ und davon, dass „bei den betroffenen Personen u.a. mangels Mitteilung der jeweils vorliegenden Lageerkenntnisse und Verdachtsmomente im Einzelfall fälschlicherweise der Eindruck erweckt werden kann, als würden die ethnischen und äußerlich erkennbaren Merkmale die einzigen Kriterien für polizeiliche Maßnahmen darstellen“.

Offiziell sind Passkontrollen aufgrund des Aussehens verboten. Praktisch sieht es anders aus. Die Polizei soll illegale Einreisen verhindern und darf „verdachtsunabhängig“ die Ausweise überprüfen. Aber bloß nicht diskriminieren. Die Beamten müssten blind durch die Gegend laufen und nach dem Zufallsprinzip Leute herausgreifen. Das widerspricht aber jeder Erfahrung. Wer „Racial Profiling“ verhindern will, muss vorschreiben, dass nur bei konkretem Verdacht kontrolliert werden darf.

Wenn die Bundesregierung eingesteht, dass es in staatlichen Institutionen auch Rassismus gibt, wäre das ein erster Schritt. Und die Voraussetzung, um zu untersuchen, ob der Rassismus dort sogar stärker ausgeprägt ist als im Rest der Gesellschaft. Es gibt Gesetze, gegen die nur Ausländer verstoßen können, etwa bei der sogenannte Residenzpflicht für Asylbewerber. Wer solch diskriminierende Regeln umsetzt, sucht nach Rechtfertigungen und findet es vielleicht irgendwann normal, dass Ausländer anders behandelt werden. Oder es könnte auch andersherum sein: dass nämlich der Staatsdienst zu wenige Menschen mit linker, vorurteilsfreier Haltung anzieht. All das sollte untersucht werden.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden