Lasst die Bürger wählen!

Rundfunkräte In Karlsruhe wird über die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verhandelt. Die demokratischste Lösung hieße: Die Bevölkerung wählt die Aufsichtsgremien
Ausgabe 44/2013

Mit dem Zweiten sieht man besser – nicht so genau hin, wenn es um Staatsferne geht. Denn dann würde man erkennen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk kontrolliert wird von Parteipolitikern, und zwar so weit das Auge reicht. Beim ZDF bestehen die Aufsichtsgremien fast vollständig aus Personen, die von den Landesregierungen, der Bundesregierung oder den Bundestagsparteien bestimmt werden.

Das könnte sich bald ändern. Als Folge des Streits um die Nichtverlängerung des Vertrags von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, die 2010 maßgeblich von Roland Koch (CDU) betrieben wurde, klagten die SPD-regierten Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hamburg vorm Verfassungsgericht, am Dienstag beginnen die mündlichen Verhandlungen.

Für echte Gewaltenteilung

Wer es ernst meint mit einem unabhängigen Rundfunk, darf nicht nur mit ein wenig Kosmetik den Einfluss der Parteipolitiker beschränken. Wir brauchen eine echte Gewaltenteilung. ARD und ZDF müssen unabhängig sein von Legislative und Exekutive. Deswegen sollten die Aufsichtsgremien direkt von der Bevölkerung gewählt werden.

Man könnte es sich leicht machen und herkömmliche Manager in die Aufsichtsräte setzen. Das wäre falsch. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine wichtige Funktion in der Demokratie, er sollte daher nicht nach rein wirtschaftlichen Kriterien funktionieren. Die Programmauswahl ist immer eine politische Entscheidung, vollkommen „neutrale“ Berichterstattung gibt es nicht. Die neuen Aufpasser sollen nicht jeder einzelnen Journalistin vorschreiben, was sie zu sagen hat. Aber sie sollen alles beaufsichtigen und gewährleisten, dass gutes Radio und Fernsehen gemacht wird, unabhängig von Quote und Werbeeinnahmen.

Medienwahlen mit Vorbildcharakter

Heute sitzen in den Kontrollgremien viele Vertreter von Interessengruppen – vom DGB bis zum Bund der Vertriebenen. Die Repräsentanten werden von den Landesregierungen berufen, und man könnte sich vorstellen, dass die Verbände künftig eigenständig entscheiden dürfen, wen sie entsenden. Das würde zwar die Macht der Parteipolitiker beschränken, ist aber extrem fragwürdig: Welche demokratische Legitimation haben die Lobygruppen in den Gremien? Welche Gruppen bekommen einen Platz, welche nicht?

Es bleibt als Lösung nur die freie und geheime Wahl zur Rundfunkleitung. Dort könnten neben Einzelpersonen durchaus Listen mit bestimmten (medien)politischen Vorstellungen antreten. Wichtig ist bloß, dass es keine personellen Verknüpfungen mit den „Parlamentsparteien“ gibt. Schließlich sollen ARD und ZDF den Politikern genau auf die Finger schauen.

Ein so gewähltes Aufsichtsgremium wäre nicht nur besser legitimiert, es würde auch ein breiteres politisches Spektrum abbilden. Heute nämlich werden die meisten Rundfunk-Oberen von den Ministerpräsidenten der Länder bestimmt, also von SPD- und Unions-Politikern (und dem Grünen Winfried Kretschmann). Selbst wenn ein Verbandsvertreter im Aufsichtsgremium seine Unabhängigkeit zeigen will, hat er dort ohne die Unterstützung der „Roten“ oder „Schwarzen“ kaum eine Chance, seine Ideen zu verwirklichen.

Eigenständige Medienwahlen hätten auch Vorbildcharakter für die Justiz: Sie könnte sich von der Legislative emanzipieren, wenn die Verfassungsrichter künftig nicht mehr von Bundestag und Bundesrat bestimmt würden. Ob die Richter daran denken, wenn sie über das ZDF urteilen?

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