Gefühle sind immer gut, vor allem im Fernsehen. Peer Steinbrücks Kampf mit den Tränen hat dem SPD-Kanzlerkandidaten bei einigen Journalisten verloren gegangene Sympathie wiedergebracht. Andere sehen darin hingegen Führungsschwäche. Seit Wochen schon wird nur über die Wahlkampfperformance von Steinbrück diskutiert, aber das Wichtigste fällt dabei unter den Tisch: die Inhalte. Dabei gäbe es viel über Steinbrücks politische Ideen zu sagen. Am Ende sähe man, warum der SPD-Wahlkampf nicht funktioniert.
Nun kann man sich fragen, was für Bundeskanzler ein System hervorbringt, in dem nur der Ellenbogen zählt, sodass selbst langjährig abgehärtete Politiker am Wahlkampf verzweifeln. Ansonsten täte die Öffentlichkeit aber gut daran, einfach mal einen Kanzlerkandidaten anhand seiner politischen Positionen zu beurteilen.
Rechter Kandidat mit linkem Programm
Im Wahlkampf lässt sich nur wenig Überraschendes beobachten. Steinbrück betet schlicht die SPD-Positionen runter, ein Blick ins Wahlprogramm ist daher genauso erhellend. Das ist einerseits gut so, schließlich wird bei der Wahl das Kreuzchen bei einer Partei gemacht und nicht bei einer Person. Andererseits finden nicht alle Forderungen aus dem Wahlprogramm auch Eingang in das Regierungshandeln. Welche das sind, hängt meistens von den Regierungspolitikern ab. Es lohnt sich deshalb schon, den womöglich künftigen Bundeskanzler genauer anzusehen.
Was sagt Steinbrück, wenn er nicht im Wahlkampfmodus ist? Im Jahr 2003 forderte er eine Politik für die Leistungsträger. „Um die – und nur um sie – muss sich Politik kümmern.“ Im Herbst 2010 bremst er den rhetorischen Linksschwenk von Parteichef Sigmar Gabriel aus: „Es reicht nicht, allein über Interessenlagen von Rentnern und Hartz-IV-Empfängern zu reden.“ Bis heute verteidigt Steinbrück die neoliberale Agenda 2010.
Es gibt Dutzende weitere Beispiele. Aber niemand fragt danach, wie ein rechter Kandidat und ein vergleichsweise linkes Programm zusammenpassen sollen. Die Wiederentdeckung des Sozialen nimmt der SPD niemand ab, zu Recht. Vielleicht ist das der wahre Grund für die miesen Umfragewerte der SPD – und nicht der peinliche Auftritt ihres Kanzlerkandidaten.
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