Schwierige Beziehung: Köhler und das Internet

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Der ehemalige Bundespräsident vorm Computer; unterwegs in der weiten Welt, nicht per Flieger sondern digital – können Sie sich das vorstellen? Auf das Internet kann kein Politiker verzichten und so wird auch Horst Köhler zwischen seinen Reisen nach Afrika im Netz vorbeigeschaut haben. Köhler und das Internet – eine besonders innige Beziehung ist das aber nicht. Vier Beispiele:

Erstens: Als Bundespräsident hat man nicht viel zu melden, aber immerhin verfügt man über ein Vetorecht bei Gesetzen, die nicht verfassungskonform erscheinen. Als es um Internetsperren ging, hat er das Gesetz der schwarz-roten Regierung zunächst zurückgewiesen – um es einige Zeit später dann doch noch zu unterzeichnen. Unter Netzaktivisten hat er sich damit nicht beliebt gemacht. Immerhin hat er sich mit dem Thema beschäftigt.

Zweitens: Sogar in der FAZ wird spekuliert, ob Köhler von Bloggern gestürzt wurde. Das ist zwar etwas übertrieben, aber ein Stück Wahrheit ist doch dran. Denn als Köhler sich zu den deutschen Kriegseinsätzen und zu den deutschen Wirtschaftsinteressen geäußert hat, wurde das zunächst von fast niemandem wahrgenommen – nur im Internet wurde fleißig gebloggt. Ein paar Tage später hat SpiegelOnline das Thema aufgegriffen. Die Internetzeitung hat die umstrittenen Äußerungen erst richtig auf die Tagesordnung gebracht.

Drittens: Selbst nach seinem Rücktritt kommt Köhler im Internet nicht besonders gut weg. Da gibt es zum Beispiel die Satire-Seite www.horst-koehler-consulting.de, die dem Internetangebot einer Beratungsfirma ähnelt. Dort wird unter anderem „Entlustigung“ angeboten: „Mit uns wirken Sie seriös und respektvoll. Darauf bestehen wir.“ Anscheinend aber verstehen manche Menschen tatsächlich keinen Spaß. Denn schon nach 10 Stunden kam über den Umweg des Servers die erste Beschwerde, berichtet Website-Macher Jean Peters. Daraufhin hat er die Inhalte vorübergehend von der Seite und sich selbst anwaltlichen Beistand genommen. Wer dahinter steckt, ist bislang unklar.

Viertens: Der Abgang Köhlers wird im Netz auch noch kommerziell ausgeschlachtet: Die Firma BASE wirbt in ihrer Online-Werbung mit einem Bild des ehemaligen Bundespräsidenten für ihre Telefonflatrates. Neben dem etwas miesepetrig dreinschauenden Köhler ist der Text zu lesen: „Job weg? Nichts mehr zu sagen?“ Kurz danach wird die Antwort eingeblendet: „Dann wechsle einfach Deine Flats!“ Ob Köhler wohl dafür zumindest bezahlt wird wie andere Stars, die Werbung für Handy, Bier oder Auto Werbung machen? Wahrscheinlich hat man im Präsidialamt andere Sorgen, als sich bei BASE oder deren Werbeagentur zu beschweren.

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