So viel Kohle für die Kohle

Klima Für das Abschalten einiger Kohlekraftwerke bekommen die Betreiber 1,6 Milliarden Euro. Das schadet jedoch der Umwelt, denn der komplette Ausstieg wird nun schwieriger
Ausgabe 44/2015
Abwrackprämie für Kohlekraftwerke: Das Herumgejaule der Kohlelobby hat gewirkt
Abwrackprämie für Kohlekraftwerke: Das Herumgejaule der Kohlelobby hat gewirkt

Foto: Jochen Tack/Imago

Die Braunkohlelobby hat gewonnen, die Stromkunden und der Klimaschutz haben verloren. Die Kraftwerksbetreiber einigten sich mit SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf eine Art Abwrackprämie. Sie schalten einige ihrer Anlagen schrittweise ab, halten sie noch vier Jahre im Reservebetrieb, nehmen sie dann ganz vom Netz und bekommen dafür in sieben Jahren insgesamt 1,6 Milliarden Euro. Das Herumgejaule von Energiekonzernen und Gewerkschaften hat also seine Wirkung erzielt. Der ursprüngliche Plan, die ältesten, dreckigsten Kraftwerke durch eine gesetzliche Klimaabgabe unrentabel zu machen, ist jetzt endgültig vom Tisch.

Nun kann man sich zwar darüber freuen, dass in den Jahren 2016 bis 2019 erstmals per Gesetz Kohlekraftwerke stillgelegt werden. Es geht um rund 13 Prozent der insgesamt in Deutschland installierten Braunkohleleistung. Doch langfristig wird der Kohleausstieg durch diese Regelung schwierig. Nach 2019 muss es weitergehen, und die Kraftwerksbetreiber werden regelmäßig die Hand aufhalten. Die Politik kann darauf eingehen, legt sich dann aber mit den Stromkunden an, die diese Abwrackprämie über den Strompreis zu zahlen haben. Oder die Politik kuscht, lässt die Kraftwerke weiterlaufen und schraubt die künftigen Klimaziele nach unten.

Unterwürfiges Vorgehen

Auch das jetzige Einknicken der Politik vor der Kohlelobby geht nicht nur auf Kosten der Stromzahler, sondern ebenfalls auf Kosten des Klimaschutzes. Im ursprünglichen Plan sollten durch das Abschalten der Kraftwerke nämlich 22 Millionen Tonnen CO2 gespart werden, nun sind es trotz Abwrackprämie bloß 12,5 Millionen. Die Lücke soll durch verstärkte Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung und des Energiesparens geschlossen werden. Das kostet Geld, zudem ist unklar, ob die Maßnahmen ausreichen. Durch strenge Vorgaben für Kohlekraftwerke hätte die Politik auf Nummer sicher gehen können.

Ohnehin ist das Aushandeln mit der Industrie ein unterwürfiges Vorgehen. In der Energiepolitik scheint das inzwischen üblich zu sein – schon der rot-grüne Atomausstieg wurde in einem fragwürdigen Konsens vereinbart. Wenn das um sich greift, wird die Politik bald keine Gifte im Essen mehr verbieten, sondern die Hersteller bitten: Könntet ihr das Produkt vom Markt nehmen? Wir zahlen euch dafür Millionen!

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