Spiel mit dem Feuer

Linkspartei Darf man SPD und Grüne ärgern, indem man sich zu Koalitionsgesprächen bereit erklärt? Die Linke könnte das teuer zu stehen kommen: Innerparteilich gibt es schon Streit

Der Mindestlohn-Vorstoß war wohl der pfiffigste Trick von Katja Kipping. Noch vor der Wahl einer neuen Bundeskanzlerin sollten SPD und Grüne zusammen mit der Linkspartei einen gesetzlichen Mindestlohn beschließen, schlug die Linken-Chefin vor. Die Bevölkerung freut sich darüber, im Bundestag gibt es die Mehrheit dafür. Warum also nicht?

Auch sonst mangelt es seitens der Linken-Spitze nicht an verdeckten oder offenen Angeboten, in rot-rot-grüne Koalitionsverhandlungen einzutreten. Bislang wurden diese stets ausgeschlagen, trotzdem droht nun Ärger in den eigenen Reihen. Dort wird nämlich diskutiert: Was wären die inhaltlichen Zugeständnisse, die die Linken machen müssten?

Sticheln und ärgern

Eigentlich ist die Linkspartei nach der Wahl in einer sehr komfortablen Position. Um das zu erkennen, reicht ein Blick auf die anderen Bundestagsparteien: Die SPD wird aufgerieben zwischen dem Streben zur Macht und der Angst vor einer vierjährigen Schrumpfkur als Juniorpartnerin von Angela Merkel. Die Grünen werden durch die Option einer öko-konservativen Regierung innerlich zerrissen. Und die Union muss an allen Fronten verhandeln und dabei die Hardliner in den eigenen Reihen beruhigen.

Die Linke aber kann aus dem sicheren Sattel der Opposition heraus sticheln und ärgern: Warum verweigern Sozialdemokraten und Grüne das Gespräch? Zeigt das nicht deren Ignoranz und Überheblichkeit? Ist das nicht undemokratisch? Dieses Spiel geht so lange gut, bis sich SPD und Grüne tatsächlich auf Verhandlungen einlassen.

An die Substanz

Dann steht auch die Linkspartei vor einer Zerreißprobe. Die Anzeichen sind schon jetzt sichtbar. Der Reformer Stefan Liebich hat in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau gefordert: "Wir müssen an unserer Substanz arbeiten." Heißt: Auch die grundlegenden Positionen der Linkspartei müssen in Frage gestellt werden, um für SPD und Grüne attraktiv zu werden.

Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr – das ist die offizielle Parteilinie. Liebich aber will, "dass jeder Einzelfall genau geprüft wird". Bei Blauhelm-Missonen beispielswiese solle Deutschland "nicht grundsätzlich Nein sagen".

Sofort widerspricht die friedenspolitische Sprecherin im Bundestag, Christine Buchholz. "Die Linke lehnt nicht den einen oder anderen Einsatz ab, weil er schlecht konzipiert oder schlecht begründet ist. Wir lehnen die strategische Gesamtausrichtung ab, wonach Deutschland als eine Mittelmacht in internationalen Einsätzen militärische Stärke zeigen will, um für das deutsche Kapital geopolitischen Einfluss, Markt- und Rohstoffzugänge zu sichern."

Von Gesprächen mit SPD und Grünen hält Buchholz nicht viel. "Das einzige, was in solchen Verhandlungen unter die Räder zu kommen droht, ist unsere eigene prinzipielle Haltung gegen jede Form militärischer Auslandsinterventionen."

Keine faulen Kompromisse?

In der Tat spricht einiges dafür, dass die Linke ihre größten Zugeständnisse in der Außenpolitik machen wird. Schon im ZDF-Sommerinterview hatte Spitzenkandidat Gregor Gysi gesagt, dass die Auflösung der NATO ein Punkt sei, von dem er wisse, "dass wir den jetzt nicht durchbekommen".

Zudem wird es bei Mindestlohn, Hartz IV oder der Rente leichter sein, mit SPD und Grünen einen (möglicherweise faulen) Kompromiss zu finden. Bei Auslandseinsätzen lässt sich klar sagen: Ja oder nein? Aber die Parole "Weg mit Hartz IV" lässt sich im Zweifel übersetzen in: 100 Euro zusätzlich, mehr lässt sich nicht heraushandeln.

Was bedeutet all dies für die anstehenden Koalitionsverhandlungen? Strategisch klug wäre es für die Linke, ihre Rot-Rot-Grün-Spielchen weiterzuspielen, dabei aber sehr vage zu bleiben, was mögliche Kompromisse angeht – oder dieses Thema schlicht totzuschweigen. Die Gesprächsangebote, so heißt es in einem Positionspapier der Antikapitalistischen Linken, sind eben ein Spiel mit dem Feuer.

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