Stau im Kopf

Verkehr Die Regierung will eine teure und komplizierte Pkw-Maut einführen. Dabei gibt es bessere Alternativen. Wie wäre es etwa mit einer höheren Besteuerung von Benzin?
Ausgabe 09/2015
Zu seiner Idee gehört natürlich eine Flatrate: Alexander Dobrindt ist auch eine Art Internetminister
Zu seiner Idee gehört natürlich eine Flatrate: Alexander Dobrindt ist auch eine Art Internetminister

Foto: Common Lens/Imago

Die „Ausländer-Maut“ hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt aus seinen öffentlichen Reden verbannt. Die Zuhörer könnten auf den Gedanken kommen, dass Dobrindts Lieblingsprojekt gegen das Europarecht verstößt, das eine Diskriminierung von EU-Bürgern untersagt. Der CSU-Politiker spricht lieber von einer „Infrastrukturabgabe“, die sei „fair, sinnvoll und gerecht“. In dieser Woche soll das Maut-Gesetz in den Bundestag eingebracht werden. Für die Opposition ein gefundenes Fressen: Die Koalition muss das Gesetz vor allem deshalb beschließen, weil es sich um ein Wahlkampfversprechen der CSU handelt. Doch wer die Maut nur als Wählergeschenk abtut, macht es sich zu leicht.

Der Ansatz ist nämlich durchaus richtig: Die Teilnehmer des Straßenverkehrs sollen für die von ihnen verursachten Kosten aufkommen. Derzeit ist das nicht so, wie das Umweltbundesamt für das Jahr 2005 beispielhaft ausgerechnet hat: Der Staat nahm knapp 50 Milliarden Euro ein, über Steuern und Abgaben, Lkw-Maut und Parkgebühren. Die Gesamtkosten lagen jedoch bei mehr als 100 Milliarden Euro und damit doppelt so hoch, wenn man Erhalt und Erneuerung von Straßen, Unfälle und Umweltschäden in die Kalkulation einbezieht. Es ist also durchaus gerechtfertigt, die Autofahrer stärker zur Kasse zu bitten.

Nur ist die geplante Dobrindt-Maut für Pkw der falsche Ansatz. Dabei gibt es eine Reihe von Alternativen, beispielsweise die Erhöhung der Mineralölsteuer oder andere Maut-Varianten. Die Vorteile sind längst bekannt, aber Dobrindt ignoriert sie einfach.

Ausländerfeindlich?

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass für Autobahnen und Bundesstraßen eine Jahresmaut erhoben wird. Die Höhe soll von Hubraum und Schadstoffausstoß des Autos abhängen, jedoch maximal 130 Euro betragen. Die inländischen Fahrer werden bei der Kfz-Steuer um den gleichen Betrag entlastet. Für sie gibt es also keinen Unterschied zur heutigen Situation. Ausländische Autobesitzer hingegen müssen für Autobahnen bald zahlen. Sie können sich aber auch für eine billigere Zehn-Tages- oder Zwei-Monats-Maut entscheiden. Für alle Varianten gibt es eine Vignette.

Kritiker halten diese Regelungen für ausländerfeindlich. Die CSU hingegen sieht darin eine Gleichbehandlung und findet, dass für den Straßenbau nicht alleine der deutsche Steuerzahler zahlen sollte. Dabei wird jedoch übersehen, dass die ausländischen Autofahrer hier tanken und damit die Infrastruktur finanzieren. Hier zeigt sich bereits die beste Alternative zur Maut: eine höhere Mineralölsteuer. Die wäre gerecht, ökologisch und unbürokratisch.

Vielfahrer profitieren

Gerecht, weil alle zahlen müssen, egal ob Inländer oder Ausländer. Und gerecht, weil umweltbewusste Wenigfahrer auch weniger zahlen müssen. Die Dobrindt-Maut hingegen ist eine Flatrate, von der Vielfahrer profitieren. Eine höhere Mineralölsteuer wäre auch ökologisch sinnvoll, denn so wird der tatsächliche Kraftstoffverbrauch und damit der CO2-Ausstoß teurer. Die Dobrindt-Maut hingegen wird zwar unter anderem anhand der Schadstoffklasse des Wagens berechnet. Wie viele Kilometer gefahren werden, spielt jedoch keine Rolle.

Die Verwaltungskosten sprechen ebenfalls gegen die Maut. Die Regierung rechnet mit Einnahmen in Höhe von 700 Millionen Euro, nach Abzug der Kosten sollen 500 Millionen übrig bleiben. Die Kritiker glauben jedoch nicht daran. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter spricht von einem „Bürokratiemonster“ und bezweifelt, ob unterm Strich überhaupt mehr Geld in die Staatskasse kommt als bisher. Bei einer höheren Mineralölsteuer hingegen entfällt der Verwaltungsaufwand, weil die Steuer ohnehin erhoben wird.

Diese Variante bringt weitere Vorteile: So werden Autofahrer nicht auf Landstraßen wechseln, um sich die Maut zu sparen. Dieser Ausweichverkehr stört die Anwohner, verursacht mehr Unfälle und schadet der Umwelt, wenn die Strecken länger sind. Zudem haben höhere Benzinpreise eine psychologische Wirkung: Die Autofahrer sehen die Preise an der Tankstelle und überlegen sich, ob eine Bahnfahrt nicht billiger ist. Die Maut hingegen wird wahrscheinlich in der Rechnung ignoriert, so ist es heute schon mit Kfz-Steuer und Versicherung.

Umweltsteuern sinken jährlich

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) setzt sich als Nichtregierungsorganisation dafür ein, dass in der Wirtschaft mit den wahren ökologischen Kosten gerechnet wird. Die Umweltökonomen vom FÖS sind gegen die Maut in der jetzigen Form und schlagen stattdessen vor, Benzin und Diesel um einen Cent stärker zu besteuern. Das brächte 650 Millionen Euro pro Jahr und damit mehr, als sich die Regierung aus der Maut erhofft. Zudem ist die Mineralölsteuer seit 2003 nicht mehr erhöht worden. Sie wird auch nicht prozentual erhoben, sondern pro Liter Kraftstoff fällt ein fixer Betrag an. Weil dieser Satz nicht an die Inflation angepasst wird – was sinnvoll wäre –, gehen die realen Einnahmen jedes Jahr zurück.

Wenn das Benzin zu teuer wird, könnten gewiefte Autofahrer im Ausland tanken. Doch dieser „Tanktourismus“ ist hauptsächlich ein Lkw-Problem. Viele Lastwagen haben so große Tanks, dass sie die Bundesrepublik ohne Halt durchqueren können. So verliert der deutsche Staat heute riesige Summen an Luxemburg, wo der Treibstoff billiger ist. Im Pkw-Verkehr ist das Problem zwar deutlich kleiner, doch auch dort lässt sich das Problem nur durch einheitliche europäische Steuern komplett beheben. Das spricht aber nicht für die Maut, denn auch dort sind die Zahlsysteme in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich. Eine einheitliche EU-Maut ist ebenfalls weit entfernt.

Lkw verursachen mehr Schäden

Die Lkw-Maut auf Autobahnen lässt sich übrigens durchaus rechtfertigen, auch wenn man die Pkw-Maut ablehnt. Schließlich tragen Lastwagen deutlich stärker zur Abnutzung der Straßen bei als Personenwagen. Das liegt unter anderem daran, dass die Belastung nicht proportional zum Gewicht steigt, sondern deutlich stärker. Das Umweltbundesamt hat ermittelt, dass die Gesamtkosten pro Autobahnkilometer etwa sechs bis sieben Mal so hoch sind, wenn man auch Raststätten, Lärmschutzwände und andere Notwendigkeiten einkalkuliert. Es ist also sinnvoll, die Lkw extra zu belasten – zusätzlich zur Mineralölsteuer, die für alle Verkehrsteilnehmer gleich ist.

Überraschenderweise ist der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) dagegen, die Pkw-Maut ganz durch die Kraftstoffbesteuerung zu ersetzen. „Wenn alle zahlen sollen, dann müssen auch die Elektroautos einbezogen werden“, sagt eine Sprecherin. Bislang bewegen sich auf den deutschen Straßen kaum elektrische Fahrzeuge, doch nach dem Willen der Bundesregierung soll sich das in den kommenden Jahren ändern.

Zahlen pro Kilometer

Vorstellbar wäre, den Strom genauso zu besteuern wie den Kraftstoff, wobei das schwerer zu überwachen ist, weil ein Wagen auch an der Steckdose zu Hause geladen werden kann. Alternativ könnte man den Elektroautos auch den finanziellen Vorteil lassen. Derzeit wird ohnehin diskutiert, wie man die strombasierte Mobilität fördern kann. Oder es gibt mittelfristig eine ökologische Maut, wie es etwa der VCD fordert.

Sie müsste sich an den gefahrenen Kilometern orientieren. Das bringt aber andere Probleme mit sich. Wenn alle Straßen mit einbezogen werden soll, müssten die Daten per Satellit erfasst werden, oder jedes Auto bekommt einen manipulationssicheren Kilometerzähler. Beides wäre extrem aufwendig. Hinzu kommen Datenschutzprobleme.

Eine intelligente Maut

Also doch eine Maut, aber besser als die Dobrindt-Variante? Alexander Mahler vom FÖS sagt: „Die perfekte Maut würde so viele externe Kosten wie möglich berücksichtigen. Zum Beispiel würde der Verursacher auch für Klimaschäden oder Lärm und Schadstoffe in der Stadt zahlen. Das ist allerdings sehr aufwändig.“

Er plädiert langfristig für eine „intelligente Pkw-Maut“: „Sie kann einen Anreiz schaffen, in Zeiten mit wenig Verkehr zu fahren und so Staus zu vermeiden.“ Die Höhe der Maut wäre abhängig von der Verstopfung der Straßen. Der Verkehr würde gleichmäßiger auf die Tageszeiten und das Straßennetz verteilt, das könte auch die Unfallgefahr senken.

Haben die Autofahrer nicht schon heute ein Interesse, Staus zu umgehen? Ja, aber in ihrer Kosten-Nutzen-Rechnung kommt die Zeit der anderen Verkehrsteilnehmer nicht vor. Das würde sich durch eine intelligente Maut ändern: In der Rush Hour ist es teurer, einige freuen sich, wenn sie mehr zahlen, dafür aber keine wertvolle Arbeitszeit im Stau verlieren. Die anderen freuen sich, wenn sie weniger zahlen.

In Stockholm gibt es bereits eine Maut in Abhängigkeit von Wochentag und Uhrzeit. In London und Singapur ist es ähnlich. Manchmal hilft für Zukunftsvisionen ein Blick über den nationalen Tellerrand. Doch Dobrindt fällt es offenbar schon schwer, über die Grenzen Bayerns zu schauen. Mit seiner Maut mag er CSU-Wähler daheim zufriedenstellen. Gute Verkehrspolitik sieht aber anders aus.

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