Strammstehen, Veganer!

Militär Auf der Suche nach Nachwuchs werben Armeen jetzt gezielt um Ökos, Homosexuelle und Väter. Gelebte Toleranz oder ein Schritt zur Militarisierung der Gesellschaft?
Ausgabe 33/2015
Ursula von der Leyen möchte die Bundeswehr familienfreundlicher machen
Ursula von der Leyen möchte die Bundeswehr familienfreundlicher machen

Foto: Thilo Schmülgen/Imago

Der Soldatenberuf war noch nie besonders begehrt, seit der Abschaffung der Wehrpflicht haben die Armeen noch größere Probleme, geeigneten Nachwuchs zu finden. Kaum jemand kommt noch wegen des Solds.

In Schweden hat das Militär daher eine neue Kampagne gestartet, in der um Homosexuelle geworben wird. Auf einem Poster ist eine Soldatin in Tarnuniform zu sehen, nur die Regenbogenfahne am Arm sticht hervor. Dazu ist der Slogan zu lesen: „Manche Sachen solltest du nicht verstecken müssen.“ Darunter wird ausgeführt: „Im Militär behandeln wir jeden mit Respekt und betrachten Vielfalt als Bereicherung.“ Seit 40 Jahren dürfen Lesben und Schwule in der schwedischen Armee dienen – das soll gefeiert werden.

Die Soldaten haben aber nicht nur mit Vorurteilen von Konservativen zu kämpfen, sondern auch mit linken Kritikern. Vor fünf Jahren nahmen einige Soldaten an der Pride Parade in Stockholm teil und demonstrierten für ihre Rechte. Friedensaktivisten liefen hinter ihnen her und hielten Schilder hoch: „Ich kann genauso gut Leute töten wie ein Hetero-Soldat“ oder „Ich verteidige meine eigenen Menschenrechte, während mein Job die der anderen verletzt.“

Vorteile für Veganer

Warum brauchen die Armeen überhaupt Werbekampagnen für den Soldatenberuf? Die konservativen Vorurteile sind bekannt: Für Familie ist in der Armee kein Platz, es müssen harte Kerle sein. Schwule sind irgendwie komisch und verweichlicht, sollen die Hetero-Soldaten mit denen auch noch gemeinsam duschen und in einem Zimmer schlafen? Und Veganer gelten sowieso als Öko-Spinner.

Die israelische Armee wagt sich nun als erste an die Veganer heran. Auf Facebook preist sie die Vorteile, die sie ihren Soldaten bietet: Sie können Stiefel ohne Leder bekommen, eine Mütze ohne Wolle, jeden Mittag ein veganes Hauptmenü und außerdem Geld für Frühstück und Abendessen. Dazu erklärt sie: „Vegan zu werden ist eine persönliche Entscheidung – diese Entscheidung zu respektieren ist unsere Verpflichtung.“

Auch der Bundeswehr mangelt es an Freiwilligen – sie soll, auf Wunsch der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, familienfreundlicher werden. Mehr Kinderbetreuung in der Kaserne. Aber dieses Gerede von Teilzeitvätern beim Militär trägt auch absurde Züge. Kann man eine Institution, deren Ziel darin besteht, Menschen umzubringen, ernsthaft als familienfreundlich bezeichnen?

Muss man das gut finden?

Die Initiativen aus Deutschland, Schweden und Israel zeigen deutlich – die Armee muss nachholen in Sachen respektvoller Umgang. Und sicherlich sind die Initiativen für Eltern, Homosexuelle und Veganer beim Militär ein Fortschritt. Aber es stellt sich für Linke die Frage – ähnlich wie bei der Frauenförderung: Muss man die neue Offenheit des Militärs jetzt gut finden? Soldaten dürfen sich um ihre Kinder kümmern, dürfen ihre Sexualität ausleben, dürfen auf die Ausbeutung von Tieren verzichten. Gleichzeitig werden damit jedoch Leute zum Militär gelockt, die sonst womöglich nie auf die Idee gekommen wären, als Soldaten zu dienen. Nun stünden der Armee mehr Personen zur Verfügung, die bereit sind, in den Krieg zu ziehen und im Ernstfall auch Zivilisten zu töten.

Und selbst wenn diese Kampagnen wirklich den Nachwuchs überzeugen könnten, das wären dann Leute, die glauben: Tiere darf man nicht töten, Menschen schon. Lesben und Schwule, Veganer und junge Väter als Teilzeitsoldaten – sie sind eine kleine Revolution: Was kommt als Nächstes? Fehlt nur noch, dass das Militär den Weltfrieden bringt – aber das behaupten die Armeen von jeher.

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