Tchibo und die "18"

Geheimcodes Die Sportschuhe von Tchibo dürften Nazis erfreuen: Die Aufschrift "18" steht bei ihnen für Adolf Hitler. Dabei können Codes nützlich sein – für eine freie Gesellschaft
Ausgabe 32/2013
Tchibo und die "18"

Foto: Screenshot, tchibo.de

Deutsche, kauft deutschen Kaffee! Oder zumindest bei Tchibo. Das Hamburger Unternehmen verkauft inzwischen schließlich allerlei Dinge, jetzt auch für den alltäglichen Neonazi-Bedarf. Im Angebot gibt es Sportschuhe für 24,95 Euro, mit der Aufschrift: „18“.

Die Designer werden sich dabei wenig gedacht haben, die Näherinnen in Südostasien noch weniger. Aber Neonazis wissen: Der erste Buchstabe im Alphabet ist das A, der achte das H – die Initialien von Adolf Hitler.

Das Anti-Nazi-Blog publikative.org hat sofort reagiert und das Sportschuh-Angebot bei Facebook gepostet, seitdem verbreitet sich die Nachricht im Netz. Hätte Tchibo nicht aus der Vergangenheit lernen können? Vor wenigen Jahren bewarb der Konzern seine Kaffeesorten mit dem Slogan „Jedem den Seinen“, über dem KZ Buchenwald prangte einst der Spruch „Jedem das Seine“. Tchibo stoppte die Werbung.

Lustiges Versteckspiel?

Heute ist es komplizierter. Denn die „18“ ist ein Geheimcode, den nur versteht, wer der rechten Szene angehört – oder sich intensiver mit ihr beschäftigt.

Antifa-Aktivisten mögen es interessant finden, sich in Broschüren ausführlich über Dresscode, Zeichen und Symbole der Nazis zu informieren. Sie mögen es lustig finden, die Rechtsextremen auf der Straße zu identifizieren, indem sie ihre Codes entschlüsseln,und dann auszulachen, anzupöbeln oder auch zu verkloppen.

In Wirklichkeit sind Geheimcodes eine bedeutsame Errungenschaft für eine freie Gesellschaft – gerade in Zeiten von Prism und Tempora. Sie bieten Minderheiten Schutz vor Verfolgung durch Staat und Mehrheitsgesellschaft.

Die wirklich geheimen Symbole von heute sind – natürlich geheim. Daher lohnt ein Blick in die Geschichte: Die Urchristen, im Römischen Reich anfangs verfolgt, verwendeten einen Fisch als ihr Symbol. Treffpunkte in den Katakomben von Rom wurden so markiert, auch zeigten die Christen in ihren Wohnungen oft Bilder von Fischen. Glaubensgeschwistern konnte das auffallen, andere dachten sich nichts dabei.

Auch in der Nazizeit gab es Geheimsymbole wie „O5“ für den österreichischen Widerstand. Dieser Code wurde zwar an Wände gemalt, er war aber viel zu bekannt, als dass konspirative Gruppen ihn zur Wiedererkennung hätten nutzen können.

Und heute? Sind nur halb-geheime Symbole bekannt. Linke haben ihren rot-schwarzen Stern, militante Tierfreunde ihr Vegan-Zeichen. So lassen sich Gleichgesinnte entdecken, die für andere unsichtbar bleiben. Und wer es ganz konspirativ haben will, hatte früher Klopfzeichen – und heute die E-Mail-Verschlüsselung.

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