Unappetitliche Trickserei

Verbraucherschutz Wie fördert man gesunde Ernährung? Das Landwirtschaftsministerium hat eine Umfrage in Auftrag gegeben, doch bei Fragen und Antworten wurde manipuliert
Will lieber kochen als Gesetze beschließen: Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU)
Will lieber kochen als Gesetze beschließen: Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU)

Foto: Imago / Mauersberger

Was denken die Deutschen über ihr Essen? Das Landwirtschaftsministerium hat die Bürger befragt, und die Ergebnisse im „Ernährungsreport 2016“ zusammengefasst. Unter anderem geht es um die Frage, wie man gesunde Ernährung am besten unterstützen kann. Und weil das Landwirtschaftsministerium unter Christian Schmidt (CSU) da seine ganz eigenen Vorstellungen hat (möglichst keine Gesetze für die Lebensmittelindustrie!), wurde an Fragen und Ergebnissen der Umfrage ein wenig gedreht.

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch schlägt nun Alarm. Der Ernährungsreport sei ein „interessengeleitetes Zerrbild“. Die Liste der Vorwürfe ist lang: „Es wurden Ergebnisse unterschlagen, sachlich falsche Angaben in den Fragestellungen gemacht, die Befragten mit suggestiven Formulierungen oder durch die Vorgabe von Antwortmöglichkeiten geleitet, Zahlen falsch in den Ernährungsreport übertragen sowie für dien Grafik manipulativ-verzerrte Größenverhältnisse gewählt.“ Das Ministerium hingegen gibt sich wortkarg: „Zu Interpretationen von Einzelpersonen und Verbänden zum Ernährungsreport 2016 nehmen wir keine Stellung“, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Übersetzt heißt das: Die Zahlen und Fakten, auf die sich Foodwatch in der Kritik beruft, sie stimmen. Wer möchte, kann sie auch detailliert in dem fast 200-seitigen Tabellenband des Ministeriums überprüfen, den Foodwatch veröffentlicht hat.

"Deutlich teurer"?

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa wollte im Auftrag des Ministeriums wissen, welche Maßnahmen wie gut geeignet sind, um eine gesunde Ernährung zu fördern. Konkret genannt wurden drei Ansätze: Die Aufklärung in Kindergärten und Schulen, die Bereitstellung neutraler Informationen sowie die Besteuerung ungesunder Lebensmittel. Die Industrie ist gegen Steuern und in der Umfrage wird diese Option ebenfalls negativ dargestellt. Es wird extra darauf hingewiesen, dass dadurch ungesunde Lebensmittel „deutlich teurer“ würden (warum eigentlich „deutlich“?) – und zudem die Möglichkeit weggelassen, dass gesunde Lebensmittel im Gegenzug steuerlich begünstigt werden könnten.

So ist es kein Wunder, dass diese Option mit 43 Prozent weniger Akzeptanz findet als in einer Foodwatch-Umfrage, die mit einer anderen Formulierung auf 49 Prozent kommt. Gegen die Aufklärung in Kindergärten und Schulen – wer hätte etwas dagegen? – kommt der Vorschlag aber ohnehin nicht an: 92 Prozent der von Forsa Befragten halten diese Maßnahme für geeignet. Also: 43 zu 92. Die Differenz wird aber vom Ministerium noch größer dargestellt als sie ist. Die Optionen werden als verschieden große Kreise dargestellt. Jedoch entspricht die Prozentzahl nicht der Fläche, sondern dem Durchmesser. Konkret heißt das: Eine doppelt so große Zustimmung erzeugt einen viermal so großen Kreis. Die Besteuerung wirkt da als eine Idee einiger kleiner Randgruppen.

Wie halten es die Bürger mit dem Gesetz?

Das Ministerium zieht aus den Umfrageergebnissen erstaunliche Schlüsse: Auf der Website heißt es, „dass die Mehrheit der Deutschen zwar staatliche Maßnahmen für besonders geeignet hält, um einer gesunden Ernährung den Weg zu ebnen, aber nicht in Form von Verboten und Gesetzen“. Die Abneigung gegenüber Verboten und Gesetzen wurde aber gar nicht abgefragt. Und das, obwohl Verbraucherschutzorganisation wie Foodwatch seit Jahren eine Beschränkung von Werbe- und Marketingmaßnahmen für ungesunde Lebensmittel fordern. Diese Option wurde in den Fragekatalog des Ministeriums gar nicht erst aufgenommen.

Also hat Foodwatch selbst nachgeholfen: Die Organisation hat beim Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid eine eigene Umfrage in Auftrag gegeben. Das Ergebnis wurde am Sonntag präsentiert: Drei von vier Befragten wollen eine „Regelung, die an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung nur für gesunde Lebensmittel erlaubt“. So viel zum Thema Verbote und Gesetze.

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