Unbeirrbarer Rebell

Porträt Enoch zu Guttenberg war Mitgründer des Umweltverbands BUND. Jetzt sieht er einen Verrat an dessen Idealen. Der Naturschutz leide unter den Windrädern
Ausgabe 14/2016
Der Freiherr könnte selbst auch mit Windenergie viel Geld machen
Der Freiherr könnte selbst auch mit Windenergie viel Geld machen

Foto: Reportandum/Imago

Etwas traurig ist er schon, dass die Klage gegen ihn fallen gelassen wurde. „Ich hatte mich auf den Gerichtsprozess gefreut“, sagt Enoch zu Guttenberg. „Weil dann die Dinge, die ich angesprochen habe, an die Öffentlichkeit kommen würden.“

Diese Dinge, das sind die angeblichen Verquickungen des Umweltverbands BUND mit der Windkraftlobby und der angebliche Verrat am Naturschutz im Namen der Energiewende, wenn der Verband den Bau von Windrädern akzeptiert oder befürwortet. An die Öffentlichkeit sind diese Dinge bereits gelangt, in einem Beitrag des ARD-Magazins Plusminus. Darin sagt zu Guttenberg: „Ich weiß allein 20 Personen vom BUND, führende Persönlichkeiten in den jeweiligen Bundesländern, die gleichzeitig in der Windlobby angestellt sind und für die arbeiten.“ Der BUND sieht darin eine falsche Tatsachenbehauptung und hat Klage eingereicht – diese aber wieder zurückgezogen, nachdem das Gericht angedeutet hatte, dass es die Meinungsfreiheit sehr weit auslegen könne.

Seit Jahrzehnten für den Umweltschutz

Es wäre ein ungewöhnlicher Prozess geworden, denn Enoch zu Guttenberg ist nicht irgendwer. Seit Jahrzehnten engagiert er sich für den Umweltschutz, gehörte im Jahr 1975 sogar zu den Gründern des BUND. Der Freiherr ist erfolgreicher Dirigent, tourt mit 69 Jahren noch um die Welt. Bekannt geworden ist er auch durch seinen Sohn Karl-Theodor, den CSU-Politiker und ehemaligen Wirtschafts- und Verteidigungsminister.

Enoch zu Guttenberg hat etwas von einem Rebellen. Auf seiner Website beginnt seine Biografie mit den Sätzen: „Bequem hat er es sich nie gemacht. Enoch zu Guttenberg ist seinen eigenen Überzeugungen gefolgt, ist nie einfach nur mit, sondern oft genug gegen den Strom geschwommen.“ Er begehrte auf, gegen seinen Vater, gegen den Adel, und nun gegen die Umweltschützer vom BUND.

Liste mit Merkwürdigkeiten

Im Mai 2012 hat er den Verband verlassen, „schweren Herzens und voller Trauer“, wie in seinem Austrittsschreiben nachzulesen ist. Die „Zerstörung von Landschaftsschutzgebieten und Naturparks“ für Windräder werde vom BUND „nicht nur geduldet, sondern aktiv unterstützt“. Seitdem macht zu Guttenberg mobil gegen seine ehemaligen Freunde und kritisiert vor laufender Kamera, „wie verquickt die sind“ mit der Windlobby. Aber stimmt es wirklich, dass 20 BUND-Führungspersonen für die Industrie arbeiten? Dass der Umweltverband „total unterwandert“ ist von den Erzeugern erneuerbarer Energie, wie eine andere Person in dem ARD-Beitrag behauptet?

Der BUND hat intern nachrecherchiert und kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: Von den 190 Vorständen und Geschäftsführern auf Bundes- und Landesebene sei lediglich eine Person für den Bundesverband Windenergie aktiv, und zwar ehrenamtlich. Nach der Klage legte zu Guttenberg eine Liste mit 60 Namen vor. Laut BUND werden dort jedoch auch Leute aufgeführt, die sich nicht auf Landesebene, sondern in einem der rund 2.000 Orts- oder Kreisvorstände engagieren oder sogar nur einfaches Mitglied sind und gar keine Funktion im Verband innehaben. Zudem reiche es schon aus, wenn jemand über eine Bürgergenossenschaft Anteile an einer Windkraftanlage halte, um als „angestellt“ zu gelten. Zu Guttenberg bleibt jedoch bei seiner Aussage. Es handele sich um Leute, die „für beide Seiten arbeiten“.

Der BUND-Geschäftsführer Olaf Bandt betrachtet die Vorwürfe als rufschädigend. „Es ist schon schräg, diesen Leuten zu unterstellen, dass sie sich aus finanziellen Interessen engagieren.“ Und er erhebt auch Anschuldigungen gegen zu Guttenberg: „Er versucht auf aggressive Art, seinen eigenen Anti-Windkraft-Verein zu promoten.“

Windkraft? Bringt nichts!

Zu Guttenberg ist nämlich Ehrenpräsident des relativ jungen „Vereins für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern“, kurz VLAB. Mit rund 9.000 Mitgliedern ist der Verein zwar winzig im Vergleich zum BUND, der alleine im Freistaat etwa 20 Mal so viele Unterstützer hat. Dafür macht der VLAB mit steilen Thesen auf sich aufmerksam. Der Vorsitzende Johannes Bradtka behauptet, dass der Bau von Windrädern den „Wandel des Klimas in keinster Weise beeinflussen kann“.

Sieht zu Guttenberg das auch so? „Ja, natürlich.“ Und er rechnet vor: Wenn Deutschland seinen Strom komplett aus Windenergie bekäme, würde der globale CO2-Ausstoß um weniger als ein Prozent sinken. „Damit können Sie den Klimawandel nicht aufhalten.“ Er setzt lieber auf Gas- und Dampfkraftwerke.

Warum kämpft ein Mann so vehement gegen die Windräder? Er sieht darin die „Industrialisierung unserer letzten Kulturlandschaften“. In einem Interviewband hat zu Guttenberg beschrieben, wie er als Kind auf Schloss Guttenberg in Oberfranken die Natur lieben lernte. „Und von einem Tag auf den anderen wurden Straßen in die verwunschensten Täler gebaut, das war für mich, als würde meine Seele zubetoniert.“

Diese Erfahrung prägt ihn offenbar bis heute. Er will das „System Wachstum“ durch das „System Nachhaltigkeit“ ersetzen und fordert, „ernsthaft von Verzicht zu reden“. Als Vermögender ist das relativ leicht gesagt. Er leistet sich ein Gas- und ein Elektroauto, eine eigene Solaranlage, und das Familienschloss wird mit Energiesparlampen beleuchtet. Er verzichtet auf die rund 500.000 Euro, die er nach eigener Aussage jährlich bekommen könnte, wenn er seine 1.000 Hektar Wald für Windanlagen zur Verfügung stellen würde. Wie viel Geld er besitzt, will er nicht verraten. Das Manager Magazin hatte das Vermögen auf 400 Millionen Euro geschätzt, diese Zahl bezeichnet er als „horrend falsch“.

Gegen Vater und Adel

Doch die Familie ist reich – und bekannt. Enochs Vater, Karl Theodor zu Guttenberg, arbeitete unter Kurt Georg Kiesinger als Parlamentarischer Staatssekretär im Kanzleramt. Er wollte, dass Enoch auch Politiker wird, doch der suchte sein Glück in der Musik. Für die Ökologie hatte der Vater ebenfalls wenig übrig, aber der Sohn ließ sich nicht beirren. Auch im Adel kam das Engagement schlecht an. Als sich Enoch zu Guttenberg 1977 auch noch von der Mutter seiner Kinder scheiden ließ, wurde er endgültig zum Außenseiter in diesen Kreisen. „Umweltschutz galt damals als eine linke Spinnerei, und weil ich zu der Zeit studierte, galt ich als 68er, auch wenn ich keiner war.“ Erst nach seinen musikalischen Erfolgen wurde er wieder eingeladen.

Wo verortet er sich politisch? Er sei „wertkonservativ“, sagt er heute. „Als die Grünen noch grün waren, habe ich regelmäßig grün gewählt.“ Mitglied ist er jedoch bei der CSU. „Aber ich bin ein unbequemer CSU-Mann“, sagt er. Da kommt er wieder zum Vorschein, der Rebell.

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