Versuch’s mal bei der Bank

Eventkritik Auf der Berufsmesse „Grüne Karriere“ werben Unternehmen mit umweltfreundlichen Jobs. Wem geht es wirklich um Überzeugung und wem nur um Grünfärberei?
Ausgabe 44/2013
Überzeugungstäter gesucht
Überzeugungstäter gesucht

Foto: Felix Werdermann

Es sieht aus wie eine Ein-Mann-Demo. Klaus Siemon hat sein Rad mitgebracht, seinen Tisch mit den Solarzellen und jede Menge Buttons und Aufkleber mit der Anti-Atom-Sonne. Einen Button trägt er selbst an seiner Weste, die anderen verschenkt er, wenn er danach gefragt wird. Klaus Siemon passt nicht ganz in das Bild der Berufsmesse „Grüne Karriere“, die am Wochenende in Berlin stattfand. All die Menschen in Anzügen, mit Hemd und Krawatte.

Klaus Siemon sitzt an diesem Samstag lässig auf einem Hocker hinter seinem Stand. Normalerweise verkauft er Ökostrom, wirbt neue Kunden für die Hamburger Firma Lichtblick. Doch heute sucht der 52-Jährige neue Mitstreiter, andere Überzeugungstäter. „Wir brauchen Leute, die einfach engagiert sind“, sagt er. „Den Rest kann man lernen.“ Heißt: Wer Ökostrom verkaufen will, muss vor allem mit ganzem Herzen dabei sein.

Leuchten mit Solarzellen

Lichtblick ist einer von 33 Ausstellern auf der Messe. Rund 2.000 Menschen sind am Wochenende gekommen, der Eintritt kostete fünf Euro. Es gab Vorträge, ein „Speed Dating“ mit potenziellen Arbeitgebern und einige Stände von Hochschulen, Vereinen und Firmen.

Hinter dem Tisch in Commerzbank-Gelb steht eine Mitarbeiterin aus dem Bereich „Corporate Responsibility“. Sie erzählt, dass die Nachfrage auf der ersten Messe so groß gewesen sei, dass die Bank unbedingt wiederkommen wollte. Die Commerzbank präsentiert sich als grünes Unternehmen und wirbt für ein „Umweltpraktikum“ in einem Nationalpark, Naturpark oder Biosphärenreservat.

Merkwürdig: Die meisten Besucher machen einen Bogen um den Stand. Da helfen auch die Werbegeschenke nicht: Kleine Taschenlampen für den Schlüsselanhänger, damit niemand im Dunkeln das Schloss suchen muss. Dass die Leuchten von Solarzellen betrieben werden, soll wohl besonders umweltfreundlich wirken. Man kann diese Geräte aber durchaus auch als Ressourcenverschwendung sehen.

Die Commerzbank ist auf der grünen Messe jedenfalls die einzige Firma, die so teure Produkte verschenkt. Die Flugblätter aus Hochglanz-Papier machen die Öko-Ambitionen der Bank auch nicht gerade glaubwürdiger. Doch die Commerzbank-Mitarbeiterin will über Grünfärberei nicht sprechen, sie hält das für Quatsch, ihr Ton wird vorwurfsvoll. Sie verweist auf die Internetseite ihres Unternehmens. In der Zeitung will sie nicht zitiert werden.

Dann lieber ein paar Fakten: Laut Recherchen der Umweltorganisation Urgewald hat die Commerzbank von 2005 bis 2010 insgesamt rund vier Milliarden Euro in die Kohlekraft-Industrie investiert. Fast ebenso viel Geld floss von 2000 bis 2009 in die Atomwirtschaft. Heute schließt die Commerzbank zwar die Finanzierung von neuen Atomkraftwerken aus, Urgewald kritisiert aber die Kreditvergabe an Energieunternehmen, die ihr Geld auch mit Atomkraft verdienen.

Kaum noch Wachstum

Man soll sich hier als Berufsanfänger ein Bild von grünen Jobs machen, aber wo kann man überhaupt eine Arbeit anfangen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen? Die Online-Börse greenjobs.de bietet 500 bis 600 Stellenanzeigen, einige sind auch auf der Messe zu sehen: ganz altmodisch, ausgedruckt auf DIN A4 und an eine Stellwand gepinnt.

Jan Strohschein, Anfang 40, steht an einem Infotisch, er ist Experte für grüne Arbeitsplätze. Er hat Landschaftsplanung studiert, im Jahr 2000 mit einem Freund zusammen die Stellenbörse im Internet aufgebaut und soll nun die Besucher bei der Jobwahl beraten. Kein leichtes Unterfangen. Strohschein kann vieles über den Wandel in der Branche erzählen. Und über ihre Aufs und Abs. „Wir hatten jahrelang ein sehr dynamisches Wachstum im Bereich der erneuerbaren Energien. Seit zwei Jahren ist das stark zurückgegangen.“

Zu Hochzeiten seien auf seiner Seite mehr als 1.000 Stellen ausgeschrieben gewesen. Heute sind es nur noch halb so viele. „Gerade bei der Fotovoltaik, da wird im Moment gar nicht mehr eingestellt“, sagt Strohschein. „Die Unternehmen kämpfen um ihr Überleben, die sind froh, wenn sie ihre Belegschaft halten können.“ Er berichtet das in ruhigem, analytischem Ton. Kein Vorwurf an die Politik, die das Wachsen der deutschen Solarenergie ausgebremst hat, weil sie diese Energieform als Kostentreiber sieht.

Die Erneuerbaren-Branche in Deutschland sei immer noch sehr stark, sagt Strohschein, alle technisch orientierten Berufe seien gefragt. Seit rund einem halben Jahr gäbe es zudem mehr Stellenangebote in der öffentlichen Verwaltung. „Klimaschutz und Energieeffizienz werden dort immer wichtiger.“

Unbezahlte Überstunden

Nur wer will da als junger Absolvent schon hin? Ganz oben im Ranking stehen offenbar die Umweltverbände. Zum Vortrag des BUND kommen mehr als 100 Zuhörer, einige müssen auf der Fensterbank sitzen. Als der Referent Andreas Jarfe fragt, wer BUND-Mitglied sei, gehen jedoch nur vier Hände nach oben.

Jarfe berichtet von seiner Arbeit und von unzähligen unbezahlten Überstunden. „Das sag ich auch ganz ehrlich: Einen solchen Job macht man nicht des Geldes wegen. Ich arbeite haupt- und ehrenamtlich für den BUND.“ Daran stoßen sich einige Zuhörer, wie eine 35-jährige Frau. Sie will zwar kein „wahnsinnig hohes Gehalt“, aber doch zumindest „einen sozialen Arbeitsplatz“. Sie hat BWL studiert, arbeitet bei einem Reiseunternehmen und ist auf der Suche nach einem neuen Job. Mit dem Vortrag der sozial-ökologisch orientierten GLS Bank konnte sie mehr anfangen.

Da sind zwar nur zwei Dutzend Zuhörer gekommen, aber die haben erfahren, dass in den Bankfilialen Wasserfälle plätschern und der Mitarbeiter-Chor Lieder von Bert Brecht singt – ausgerechnet Brecht, einem Anti-Banker. Aber der Dichter wusste ja noch nicht, dass Ökologie und Profit manchmal auch zusammenpassen.

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