Versuchen wir das Unmögliche!

Klimakonferenz Die Verhandlungen in Peru über CO2-Reduktionen scheinen so gelaufen zu sein wie immer. Doch wer genau hinschaut, erkennt eine neue Strategie – und die gibt Hoffnung
Ausgabe 51/2014
Protest für einen wirksamen Klimaschutz: Der People's Climate March am Rande der Klimakonferenz
Protest für einen wirksamen Klimaschutz: Der People's Climate March am Rande der Klimakonferenz

Foto: Eitan Abramovich/Getty Images

Es ist zu einem Ritual geworden: Immer kurz vor Weihnachten treffen sich die Klimadiplomaten aus aller Welt zu einer Konferenz, diskutieren eifrig, verlängern das Treffen noch, um nach teils schlaflosen Nächten ein Ergebnis zu verkünden, das anschließend von Umweltorganisationen und Medien zerpflückt wird. Auf den ersten Blick war es in diesem Jahr bei der Konferenz in Lima auch so. Doch wer genau hinschaut, entdeckt Ansätze einer neuen Strategie.

Nach der Enttäuschung von Kopenhagen 2009 waren die Diplomaten erst in eine Schockstarre verfallen. Inzwischen haben sie sich aber etwas Neues überlegt. Ab jetzt heißt es: bottom-up statt top-down! Bisher wurden immer erst globale Ziele für den Klimaschutz vereinbart. Danach entbrannte der Streit, welches Land den Ausstoß seiner Klimagase um wie viel absenken muss. Nun geht es umgekehrt. Erst sollen alle Staaten erklären, wie viel Tonnen Abgase sie bereit sind einzusparen. Erst dann wird zusammengerechnet, um zu sehen, welches Gesamtziel man erreicht. Anschließend soll es eine Aufwärtsspirale geben: Ein Staat nach dem anderen verschärft seine Ziele.

Immer noch besser als gar kein Abkommen

Das hört sich zunächst unrealistisch an. Und gibt man so nicht das Ziel auf, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen? Die Bedenken mögen berechtigt sein, doch es gibt auch große Hoffnungen: Den Staaten dürfte es leichter fallen, mehrmals das Ziel leicht anzuheben, wenn sie zwischendurch sehen, dass auch andere Länder beim Klimaschutz mitziehen. Ein großer Sprung ist ihnen womöglich zu riskant. Zudem könnte der internationale Klimavertrag, der 2015 in Paris beschlossen werden soll, so in den Jahren darauf noch nachgebessert werden. In Kraft treten soll das Abkommen ohnehin erst ab 2020.

Ob es am Ende klappt, steht in den Sternen. Aber seien wir realistisch: Versuchen wir das Unmögliche! Ansonsten ist ein Abkommen, das die Erderwärmung auf drei Grad begrenzt, immer noch besser als gar kein Abkommen. Dann würde die globale Durchschnittstemperatur nämlich voraussichtlich um vier oder sogar fünf Grad steigen – mit verheerenden Folgen.

Der Ansatz ist also gut, die Umsetzung jedoch mangelhaft, wie man in Peru sehen musste. Umweltministerin Barbara Hendricks hat es auf den Punkt gebracht: „Der Gipfel von Lima eröffnet alle Möglichkeiten für ambitionierten, weltweiten Klimaschutz.“ Das hört sich zwar gut an, bedeutet aber im Klartext: Wie das Abkommen aussehen wird, ist vollkommen unklar. Bis März sollen die Länder melden, wie viel CO2 sie einsparen möchten. Alles freiwillig. Das ist akzeptabel. Aber wenn 2015 das endgültige Abkommen ebenso unverbindlich und ohne Sanktionen für Klimasünder bleiben sollte – und danach sieht es derzeit aus –, hätten wir ein Riesenproblem.

Was muss geschehen? In einer Aufwärtsspirale wäre nun die Europäische Union an der Reihe. Die kürzlich beschlossenen EU-Ziele stammen noch aus einer Zeit, als China und die USA beim Klimaschutz stark auf der Bremse standen. Doch inzwischen haben die beiden Großverschmutzer neue Zahlen zum Klimaschutz vorgestellt. Die reichen zwar bei weitem nicht, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Doch sie sind ein erster Schritt. Gerade wenn man bedenkt, dass US-Präsident Barack Obama seine Klimapolitik gegen konservativen Widerstand im Kongress durchsetzen muss. Die EU hätte schon in Peru neue Ziele bekannt geben sollen. Die Chance wurde verpasst. Jetzt ist es höchste Zeit.

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