Arbeit zuerst für Deutsche! Das ist nicht nur ein NPD-Slogan, sondern auch gelebte Praxis in Teilen Deutschlands. Wenn Asylbewerber einen Job annehmen wollen, wird manchmal zunächst geprüft, ob es nicht auch Deutsche oder EU-Ausländer gibt, die diese Tätigkeit ausführen können. Dieses Prozedere entfällt seit kurzem in vielen Regionen Deutschlands und generell bei allen Flüchtlingen, die sich seit 15 Monaten oder länger legal in Deutschland befinden. Manchmal wird aber immer noch geprüft. In jedem Fall wird von Behörden beurteilt, ob die Beschäftigungsbedingungen in Ordnung sind. Nur dann gibt es die Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge.
Bis zu einer Entscheidung dauert es aber häufig ziemlich lange – obwohl in der entsprechenden Vorschrift ein maximal zweiwöchiges Verfahren beabsichtigt ist. Umgeht die Bundesagentur für Arbeit diese Vorschrift systematisch? Der Freitag hat im Juni über zwei Asylbewerber berichtet, die wochenlang auf ihre Erlaubnis warten mussten. Die Arbeitsagentur sprach von einem „bedauerlichen Versehen bei zwei Einzelfällen“. Doch Nachfragen bringen nun weitere Merkwürdigkeiten ans Licht – und nähren so den Verdacht, dass es sich doch nicht bloß um Einzelfälle handelt. Womöglich ist die Arbeitsagentur überlastet und traut sich nicht, das einzugestehen.
Eine Störmeldung
Ein Antrag auf Arbeitserlaubnis muss innerhalb von zwei Wochen entschieden werden, ansonsten gilt die Zustimmung als erteilt. So ist es in der Beschäftigungsverordnung nachzulesen. Doch eine Ausnahme von dieser sogenannten Fiktionswirkung ist möglich: wenn etwa „die übermittelten Informationen für die Entscheidung über die Zustimmung nicht ausreichen“, oder aber wenn „der Arbeitgeber die erforderlichen Auskünfte nicht oder nicht rechtzeitig erteilt hat“. Dann gibt die Arbeitsagentur eine Störmeldung an die Ausländerbehörde, und die erteilt dann dem Asylbewerber vorerst keine Erlaubnis.
Normalerweise wird parallel der Arbeitgeber informiert, dass Unterlagen fehlen. Was aber, wenn die Dokumente vollständig sind und die Arbeitsagentur trotzdem eine Störmeldung absetzt, möglicherweise nur, um die Zwei-Wochen-Frist zu umgehen? Es ist ein schlimmer Verdacht.
Wundersame Entwicklung
Bei Shoel Bin Abdulla aus Bangladesh hat nichts gefehlt, er wollte als Altenpflegehelfer beim Münsteraner Klarastift arbeiten. Die Arbeitsagentur hat den Arbeitgeber auch nicht um zusätzliche Dokumente gebeten. Der Ausländerbehörde hat sie aber mitgeteilt, dass Unterlagen fehlten. Ganz ähnlich war es bei einer 39-jährigen Kosovarin, die in einem Eiscafé als Putzkraft arbeiten wollte.
In beiden Fällen räumte die Arbeitsagentur damals auf Freitag-Anfrage Fehler ein. „Es ist versäumt worden, den Arbeitgeber zu kontaktieren“, hieß es damals. Doch danach passierten wundersame Dinge. Beide Asylbewerber bekamen eine Erlaubnis – ohne dass Dokumente angefordert worden wären.
Sie fehlen, sie fehlen nicht
Wie kann das sein? Die Arbeitsagentur hat eine Erklärung parat: Im Fall von Shoel Bin Abdulla hatte die Sachbearbeiterin „die Unterlagen (vor allem die Stellenbeschreibung) vorerst nicht gefunden“. Es wurde also nicht nur versäumt, den Arbeitgeber zu kontaktieren. Wichtige Unterlagen wurden von der Arbeitsagentur auch noch verschlampt – was aber erst auf Nachfrage herauskam.
Im Fall der Kosovarin lag es angeblich daran, dass die Zahl der Wochenstunden nicht angegeben war. Allerdings wurde die auch später nicht abgefragt. Stattdessen hat die Bundesagentur den Fall dann „ohne Angabe der Wochenstunden“ an die lokale Arbeitsagentur weitergeleitet – „damit sich die Bearbeitungszeit nicht länger hinauszögert“. Und siehe da: die Wochenstunden waren doch gar nicht so wichtig, es konnte auch ohne sie eine Entscheidung getroffen werden. Auch in diesem Fall haben in Wirklichkeit also gar keine erforderlichen Unterlagen gefehlt. Trotzdem wurde in beiden Fällen der Eindruck erweckt, als sei nur vergessen worden, den Arbeitgeber zu kontaktieren, die Störmeldung an sich aber zu Recht gesetzt worden.
Ein ausgefülltes Formular
Der Freitag hat noch einen dritten Fall recherchiert. Ein 20-jähriger Flüchtling aus Bangladesch wollte als Produktionshelfer arbeiten, wartete Wochen auf die Erlaubnis. Offenbar fehlten Unterlagen, die aber seitens der Arbeitsagentur nicht angefordert wurden. Dann kam plötzlich die Absage.
Die Bundesagentur für Arbeit erklärt das ähnlich wie im Fall der Kosovarin: Die genaue Zahl der Wochenstunden habe im Antrag gefehlt, trotzdem sei die lokale Arbeitsagentur angefragt worden. Die habe dann mitgeteilt, „dass es für die Beschäftigung ausreichend bevorrechtigte Arbeitnehmer gibt“. Ein Asylbewerber darf den Job also nicht bekommen. Hier verwundert nicht nur, dass die Angaben zur Wochenarbeitszeit zwar die lange Bearbeitungszeit verursacht haben, am Ende jedoch gar nicht so relevant waren. Vor allem überrascht die Antwort der Bundesagentur, weil die Wochenstunden sehr wohl eingetragen waren.
Das ausgefüllte Antragsformular liegt dem Freitag vor. Dort ist für die Tage von Montag bis Freitag die Arbeitszeit angegeben: jeweils von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr, zusammen mit dem Vermerk „incl. Pause“. Der Arbeitsagentur aber reicht das offenbar nicht: „Die einzelnen Arbeitszeiten sagen nicht unbedingt etwas über die tatsächlich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit aus.“ Beispielsweise sei unklar, ob es sich um Arbeits- oder um Anwesenheitszeiten handele. In dem Formular ist jedoch eindeutig von den „Tagesarbeitszeiten“ die Rede.
Es existiert darüber hinaus auch kein Feld, in der die Wochenstunden eingetragen werden könnten. Und wenn man schon so pingelig ist: Eigentlich hätten die Tagesarbeitszeiten überhaupt nicht angegeben werden müssen, weil diese Felder nur „bei Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung“ auszufüllen sind und der Arbeitgeber zuvor schon bei „Vollzeit“ das Kreuz gesetzt hatte.
Kaum zu beweisen
Sucht die Arbeitsagentur im Nachhinein irgendwelche Gründe, um die Störmeldungen zu rechtfertigen? Manche Flüchtlingshelfer glauben, dass regelmäßig und ohne besonderen Grund die Zwei-Wochen-Frist ausgesetzt wird – nur weil die Arbeitsagentur überlastet ist und das nicht zugeben will. Laut geltenden Vorschriften müsste die Agentur bei Zeitmangel sagen: Wir haben es in den zwei Wochen nicht geschafft, also gilt die Arbeitserlaubnis als erteilt. Das wäre wohl ziemlich peinlich.
Ein systematisches Aushebeln der Zwei-Wochen-Frist ist kaum zu beweisen. Jeder Verstoß lässt sich als „Einzelfall“ abtun. Oft fliegt das nicht mal auf, weil die Flüchtlinge und die Arbeitgeber von den Vorgängen nichts mitbekommen.
Rechtlich nahezu chancenlos
Asylbewerber können nur wenig dagegen tun. Rechtliche Schritte sind sehr schwierig, wie der auf Migrationsrecht spezialisierte Anwalt Christoph von Planta erläutert: „Wenn die Arbeitsagentur fehlende Unterlagen nicht anfordert, ist das ärgerlich, hat aber keine Auswirkung auf die Fiktionswirkung.“ Sprich: Die Zwei-Wochen-Frist kann überschritten werden, eine Arbeitserlaubnis gibt es deswegen nicht.
Eine Option gebe es zwar noch, erläutert von Planta: „Wenn gar keine Unterlagen gefehlt haben, kann man im Fall der Nichterteilung der Zustimmung versuchen, rechtlich gegenüber der Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis dennoch durchzusetzen. Allerdings hält kein Arbeitgeber eine Stelle so lange offen, wie ein Rechtsmittelverfahren dauern würde.“ Am Ende haben die Flüchtlinge das Nachsehen.
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