Ist eine IP-Adresse eher Handy oder Festnetztelefon? Um diese Frage geht es mittlerweile im Streit zwischen den USA und ihrem Lieblingsfeind, der Enthüllungsplattform Wikileaks. Das US-Justizministerium will vom Kurznachrichtendienst Twitter vertrauliche Daten über Anhänger von Wikileaks bekommen; drei von ihnen wehren sich juristisch. Vor rund einem Monat hatte ein US-Bundesbezirksgericht entschieden, dass Twitter die Daten herausrücken müsse. Die Wikileaks-Sympathisanten haben Berufung eingelegt.
Gegen die Gerichtsentscheidung wenden sich nun auch mehrere Wissenschaftler, es sind Professoren für Informatik und Sicherheitsexperten – der Beginn einer Grundsatzdiskussion. Sie argumentieren, IP-Adressen seien sehr sensible persönliche Daten, nicht vergleichbar mit Informationen über Telefongespräche. Eine IP-Adresse ist eine Art Anschrift im Internet. Sie ist nicht an einen Computer gebunden, sondern an den Ort des Zugangs. Im Büro hat man mit demselben Laptop eine andere IP-Adresse als zu Hause. Sammelt man alle Daten eines Twitter- Kontos, ließe sich ein Bewegungsprofil erstellen, so die Computerexperten. Angenommen, zwei Personen loggten sich zeitgleich bei Twitter von einer IP-Adresse ein, die einem Café in Island gehört, würde diese Information "nahelegen, dass sich die beiden dort getroffen haben", schreiben sie.
Um an solche Informationen über Mobilität und Vernetzung zu gelangen, sollten Behörden daher höhere Hürden nehmen müssen als bei Telefondaten, meinen die Wissenschaftler. Sie wollen, dass dafür eine richterliche Anordnung nötig ist, für die es in der Regel einen "hinreichenden Verdacht" geben muss. Um an Handy-Ortsangaben zu gelangen, kann diese Anordnung schon verlangt werden. Bei Festnetzdaten reicht der Nachweis, dass Informationen ermittlungsrelevant seien.
In Deutschland würden Festnetz- und Handydaten gleichermaßen geschützt, erklärt eine Sprecherin des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar. Der Aufenthaltsort eines Handynutzers gehöre auch nicht zu den Daten, die Geheimdienst oder Polizei abfragen können. Was der Verfassungsschutz im Geheimen tatsächlich tut, lässt sich freilich schwer prüfen. Zumindest können deutsche Behörden das US-Unternehmen Twitter nicht zwingen, IP-Adressen herauszurücken.
Die Wikileaks-Freunde freilich haben es mit der US-Rechtsprechung zu tun. Sollten sie gewinnen, fällt der Regierung aber bestimmt ein anderer Weg ein, um das Netzwerk hinter Wikileaks zu schwächen.
"Das große Leck: WikiLeaks und die Folgen: Welche Informationen sollen privat bleiben, welche öffentlich gemacht werden?" ist eines der Themen auf dem Medienkongress von taz und Freitag am 8. und 9. April 2011. Es diskutieren: Cem Özdemier (Die Grünen), Constanze Kurz (Chaos Computer Club), Daniel Domscheit-Berg (OpenLeaks) und Hans Leyendecker (Süddeutsche Zeitung). Moderation: Daniel Schulz (Ressortleiter tazzwei).
Für mehr Informationen zum Kongress klicken Sie bitte auf den Button.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.