Wo bleibt die Demokratie?

Justiz Geld aus Auflagen wird von Richtern an Vereine vergeben. Mehr Transparenz reicht nicht aus. Über die Verwendung des Gelds sollten Volksvertreter entscheiden
Ausgabe 40/2014

Wie kann es sein, dass Staatsanwälte und Richter allein und weitgehend unkontrolliert über die Vergabe von Millionen Euro an Geld aus Auflagen entscheiden? Die Politik hat Angst vor dem Vorwurf, die Unabhängigkeit der Justiz zu gefährden. Daher gibt es für Staatsanwälte auch strengere Regeln als für Richter. Trotzdem darf die Gewaltenteilung nicht als Vorwand genutzt werden, um ein ungerechtes System aufrechtzuerhalten. Es geht dabei nicht nur um die unzureichende Transparenz, es geht auch um mangelnde demokratische Kontrolle. Staatsanwälte und Richter sind nicht vom Volk gewählt, daher sollten Parlamente über das Geld entscheiden. Noch besser wäre es freilich, die Justiz zu demokratisieren und auch dort die Bürger wählen zu lassen.

Die Bundesregierung jedoch sieht kein Problem. „Das System der Zuweisung von Geldauflagen in Strafverfahren hat sich im Grundsatz bewährt“, erklärt das SPD-geführte Justizministerium auf Freitag-Anfrage. Dadurch eröffne sich ein „verantwortungsvoll wahrzunehmender Entscheidungsspielraum“ für Staatsanwälte und Richter. „Missbräuchliche Zuwendungen, hinter denen persönliche Interessen stehen“ könnten dienstrechtliche und gegebenenfalls auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Aber am System etwas zu ändern, das die Korruption erleichtert, auf diese Idee kommen die Ministeriumsbürokraten nicht.

Sammelfonds als Fortschritt

Das verärgert die Linken-Politikerin Halina Wawzyniak. Die Abgeordnete plädiert für einen Sammelfonds, in den mehrere Richter einzahlen lassen und dann gemeinsam mit anderen Personen entscheiden, welche Vereine das Geld bekommen. In einigen Bundesländern gibt es das bereits, doch die Regierung weiche der Bewertung des Modells aus, kritisiert Wawzyniak.

Die Grünen im Bundestag finden die Sammelfondsidee „interessant“. Dabei müsse jedoch „bedacht werden, dass nicht nur einige wenige große Vereine Nutznießer solcher Ausschüttungen werden“, sagt die rechtspolitische Sprecherin Katja Keul. Außerdem solle der Tatbezug erhalten bleiben. Bei einer Verkehrsstraftat geht das Geld beispielsweise an eine Hilfseinrichtung für Verkehrsopfer. Keul sagt aber auch: „Grundsätzlich ist nichts gegen alleinrichterliche Entscheidungen einzuwenden.“ Es sei dabei nur „mehr Transparenz“ nötig.

Das reicht nicht. Durch den kritischen Blick der Öffentlichkeit dürften willkürliche Entscheidungen einzelner Richter zwar unwahrscheinlicher werden. Sie gehören jedoch komplett verhindert. Ein Sammelfonds wäre ein Fortschritt, aber auch diese Option erfüllt nicht die grundlegenden Anforderungen einer Demokratie. Über die Vergabe der Gelder aus Auflagen muss ein gewähltes Gremium entscheiden. Die Landesparlamente könnten diese Rolle zumindest vorläufig übernehmen.

Wer eine Justiz will, die selbst entscheiden darf, muss sie eben demokratisieren. Dazu müsste es Richterwahlen geben – unabhängig von den Parlamentswahlen; mit eigenen Listen; und kandidieren darf nur, wer mit dem Parlamentspersonal nichts zu tun hat. Die Justiz wäre dann wirklich unabhängig und deutlich gestärkt.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes war von Bußgeldern die Rede. Dieser Begriff ist jedoch juristisch nicht korrekt. Daher wurde er ersetzt.

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