Wo sind die schwulen Manager?

Homosexualität Apple-Chef Tim Cooks hat sich geoutet, ansonsten ist öffentlich aber wenig bekannt über schwule Wirtschaftsbosse – im Unterschied zu Politikern. Woran liegt das?
Ausgabe 45/2014
Wo sind die schwulen Manager?

Bild: Justin Sullivan / Getty

Ein Geschenk Gottes sei seine Homosexualität, hat Apple-Chef Tim Cook gesagt. Er sei stolz, schwul zu sein. Lässt man die religiöse Verirrung beiseite, bleibt der nüchterne Befund: Auch in den Chefetagen der großen Unternehmen gibt es Schwule. Wow. Trotzdem ist Cooks Coming-out etwas Besonderes, denn bisher war über homosexuelle Manager in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Niemand traut sich, offen darüber zu sprechen. Die Wirtschaft ist die letzte Bastion der Heteronormativität. Warum eigentlich?

In der Politik, den Medien, der Unterhaltungsindustrie – überall sind ganz selbstverständlich Schwule und Lesben zu sehen, mit Ausnahme des Männerfußballs. Ist es Zufall, dass in Wirtschaft und Sport nicht nur Homosexuelle, sondern auch Frauen fehlen – die als „weich“ gelten wie eben auch Schwule?

Der Markt versagt

Sportler können sich immerhin noch nach ihrer Karriere outen, wenn sie nichts mehr zu verlieren haben, der Fußballprofi Thomas Hitzlsperger hat es vorgemacht. Doch die Firmenchefs sind süchtig nach Geld, sie hecheln ihm hinterher, bis ins hohe Alter. Da verwundert es nicht, dass die Initiatoren des Stuttgarter Christopher Street Days im Jahr 2012 solche Schwierigkeiten hatten, einen Schirmherrn oder eine Schirmfrau zu finden – sie wollten mal jemanden aus der Wirtschaft. In Baden-Württemberg wurden sie trotz monatelanger Suche nicht fündig, am Ende wurde es der Berliner Harald Christ.

Eigentlich würde man denken, in der Wirtschaft zähle nur die Leistung und der Marktmechanismus erzwinge Liberalität: Die Unternehmen wären schön dumm, wenn sie homosexuelle Führungskräfte diskriminierten. Ohne die besten Leute an der Spitze müssten sie doch vom Markt gedrängt werden. Offenbar ist es anders. Oder gibt es gar kein Problem, und die Manager reden einfach nicht über Homosexualität, weil sie das als ihre Privatsache sehen? Nein, die Bosse bringen zu offiziellen Veranstaltungen ihre Ehefrauen mit, aber nicht ihre Lebenspartner.

Es fehlen bislang die Vorbilder, die sich trauen, ihre Homosexualität auch in der Öffentlichkeit zu leben. Doch das allein taugt nicht als Erklärung. Irgendwer muss immer den ersten Schritt machen, das war in der Politik genauso. Die Wirtschaft hinkt jedoch hinterher. Vielleicht liegt es daran, dass ein Coming-out immer ein schwer kalkulierbares Karriererisiko darstellt und nirgendwo die eigenen Bedürfnisse so kompromisslos hintenan gestellt werden wie in Chefetagen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Politiker mit ihrem Coming-out die Homosexualität normaler, die Welt besser machen wollen – und Managern das egal ist.

Homogene Wirtschaftselite

Interessant ist der Befund, dass in Deutschland keine Elite so homogen ist wie die der Wirtschaft. Der Soziologe Michael Hartmann erhebt seit Jahren aufwendig Daten über das deutsche Führungspersonal, das Ergebnis ist eindeutig: Wer einen Konzern leitet, ist meist ein Mann und kommt aus dem Großbürgertum. In Politik, Verwaltung, Justiz, Militär, NGOs, Wissenschaft und Medien gibt es eine größere Durchmischung. Das lässt den Schluss zu, dass es in den Chefetagen der Unternehmen nicht vorrangig um Leistung, sondern um das Auftreten geht. Man passt sich an, die kleinen Unterschiede zählen. Der gute Ruf darf keinen Kratzer kriegen, das wird um jeden Preis verhindert.

Politiker versuchen, sich bürgernah zu zeigen, da kann sich ein Coming-out auch positiv auswirken. Manager hingegen müssen vor allem bei ihren Vorstandskollegen Eindruck schinden, die sich meist heterosexuell präsentieren. Eventuell ist es kein Zufall, dass Tim Cook sich als Erster geoutet hat. Apple lebt vom Image als modernes Unternehmen, Cook geht es ein bisschen wie den Politikern.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels wurde der Abriss eines Denkmals von Steve Jobs thematisiert. Es ist jedoch unklar, ob das mit der Homosexualität von Tim Cook zu tun hat. Daher wurde der Absatz entfernt.

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