Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Klimagipfel In Paris wurden tolle Ziele beschlossen. Lenken sie bloß davon ab, dass es auch in Zukunft an der Umsetzung hapert und immer noch zu viel CO2 ausgestoßen wird?
Applaus!
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Foto: Francois Guillot / AFP

Was war der Jubel groß, als auf der Klimakonferenz in Paris das neue Abkommen beschlossen wurde. Selbst Umweltschützer sind begeistert. Endlich gibt es einen Vertrag, der das Kyoto-Protokoll ablöst, der alle Staaten in die Pflicht nimmt und der sogar noch fordert, die Erwärmung auf 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen. Aber kann der Freudenrausch nicht auch den Blick versperren? Lenkt das tolle 1,5-Grad-Ziel vielleicht davon ab, dass in Wirklichkeit sogar das 2-Grad-Ziel verfehlt wird? Selbst wenn alle Länder ihre nationalen Klimaschutzpläne komplett umsetzen, läuft es auf ungefähr 3 Grad hinaus.

Das Problem: 1,5- und 2-Grad-Ziel beziehen sich auf das gesamte Jahrhundert. Es ist unklar, was sie für einzelne Jahre bedeuten. Immerhin wird jetzt im Pariser Vertrag erstmals eine Zahl vorgegeben: Im Jahr 2030 sollen weltweit nur noch 40 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen werden. Aber erstens ist nicht festgelegt, welche Länder wie viel reduzieren müssen und zweitens sind im Jahr 2030 ohnehin andere Politiker an der Macht. Wenn das Ziel verfehlt wird, wer ließe sich zur Rechenschaft ziehen? Die Regierungschefs von heute, die Regierungschefs von 2030, die Regierungschefs zwischendurch?

Keine Beruhigungspille, sondern Sprengsatz

Natürlich kommt es in erster Linie auf die Umsetzung der Klimapolitik an, trotzdem sind anspruchsvolle Ziele wichtig. Sie sind nicht bloß eine Beruhigungspille, sondern ein Sprengsatz, das sieht man schon an dem Streit, den sie auf Klimakonferenzen verursachen. Ölstaaten wie Saudi-Arabien stemmen sich gegen hohe Ansprüche, weil sie genau wissen: Das übt Druck aus. Das 1,5-Grad-Ziel dient nun als Referenzpunkt für die weiteren Verhandlungen und für die Wissenschaft, die Klimaschutzszenarien entwirft.

Wie sollten Umweltschützer die Ergebnisse aus Paris bewerten? Wer Erfolge kleinredet, verhindert, dass sich Beobachter eine realistische Einschätzung machen können. Wer Erfolge kleinredet, spielt den Fundamental-Oppositionellen in die Hände, die meinen, dass auf UN-Konferenz niemals etwas Sinnvolles beschlossen wird. Wer Erfolge kleinredet, vernichtet die Hoffnung auf bessere Ergebnisse in der Zukunft.

Das heißt aber nicht, dass man nun in einen Freudentaumel fallen muss, wie es im Sommer beim G7-Gipfel geschehen ist. Damals hatten die Regierungschefs der reichen Industriestaaten die „Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Laufe dieses Jahrhunderts“ beschlossen, ohne irgendwelche konkreteren Punkte. Beim UN-Klimagipfel in Paris gab es immerhin nationale Klimapläne und das 1,5-Grad-Ziel. Das darf man gerne loben – sollte aber auch aufzeigen, welch riesige Lücken noch bestehen zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

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