Pegida: Rechte Ideologie als Religionskritik

Kultur-Rassismus Pegida und co. sind eine der Spitzen des Eisbergs rechter Ideologie. Das Thema des "Islam" dient dabei als gemeinsamer Nenner. Doch geht es um mehr .

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Ob Pegida nach dem Rücktritt Lutz Bachmanns den Zenit überschritten hat ? Was wird aus der "islamkritischen" Bewegung ? Können die durch Pegida-Proteste und jüngst den Mord an Khaled Idris Bahray verunsicherten Asylsuchenden sowie andere Menschen mit offensichtlichem Migrationshintergrund in Dresden und anderen deutschen Städten langsam wieder aufatmen ? An dem Phänomen "Pegida" und ihrer Ableger zeigt sich, worin nicht aufgearbeitete Vorurteilstradierung, diffuse Ängste in Zeiten sozio-ökonomischer Unsicherheit und ein shift hin zu religionspolitischen Themen innerhalb der Rechten kulminieren können. Es zeigt sich aber daran auch, dass sich das "Abendland" nicht einig ist, dass es eine weltoffene und humanistische Bewegung in Deutschlands gibt, welche das Mobilisierungspotential der Islam-Gegner in vielen Städten übersteigt . Der Konflikt zwischen der Anti-Islam- und ihrer Gegenbewegung dürfte mit dem Rücktritt Bachmanns noch lange nicht vorbei sein . Er ist viel tiefer in der Gesellschaft verankert als dass es dabei lediglich um jene öffentlichkeitswirksamen Proteste ginge .
Der shift der deutschen und gesamt-europäischen Rechten weg von einem platten - offenkundigen Rassismus hin zu einem Rassismus im Deckmantel aufklärerischer bürgerlich-freiheitlicher Ideen geht schon seit langem vor sich. Oftmals werden Parteien, die sich unter anderem ein anti-islamisches Gepräge geben als "rechtspopulistisch" bezeichnet. Der Anti-Islamismus birgt dabei die Fähigkeit, ein breites Netz an Zusammenarbeit zwischen sogenannten "Rechtspopulisten" und "Rechtsextremisten", wie etwa NPD-Mitgliedern zu ermöglichen. Doch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass hier auch der Anknüpfungspunkt für die oftmals parteilose "gesellschaftliche Mitte" liegt. Jene hat schließlich den Wandel von einem in ihrem Fall "Unterschichtenrassismus" gegen GastarbeiterInnen zu einem Rassismus, der sich gegen den Glauben derjenigen richtet, deren Eltern oder Großeltern einst als GastarbeiterInnen nach Deutschland eingewandert sind mitvollzogen. Es ändert aber nichts daran, dass es sich um Gruppen-bezogene Menschenfeindlichkeit handelt . Vielfach bewegt sich nun die Diskussion auf einer Ebene, die vor allem den kultur-kolionalistischen Argumenten der IslamgegnerInnen begegnet. Es geht um die Definition des Abendlandes und dessen kultureller Identität . Jene Auseinandersetzung findet seit langem auch im akademischen Bereich statt. Lang in der Geschichts-, Literatur-, und anderen Kulturwissenschaften gehegte Vorurteile gilt es mühsam abzuarbeiten, während sie gleichzeitig hartnäckig verteidigt werden . In der Theologie ist erst nach 1945 ein Umdenken möglich geworden, welches zu einer Neubewertung der jüdischen Wurzeln der christlichen Religion und des Verhältnisses von Judentum und Christentum ermöglicht hat. Auch in anderen Bereichen muss die Idealisierung des Hellenismus - eine der vielfältigen Wurzeln für den vorher dominanten christlichen Antijudaismus und bis heute den Gedanken der Überlegenheit westlicher Kultur - kritisch hinterfragt werden. Zum Teil ist dies bereits geschehen. Hier wäre auch der ganze Bereich der postcolonial studies und der kritischen Bewertung des "Orientalismus" etwa durch Edward Said anzuführen . Doch wird eine solche Debatte jeweils nur einen Teil der Gesellschaft erreichen . Die Aufarbeitung der eigenen Kultur und dann natürlich auch ein differenzierter Blick auf kulturelle Einflüsse, welche in ihrer öffentlich sichtbaren Präsenz erst seit den 60er Jahren in Deutschland eine neue Dimension erreicht haben, ist ein mühsames Geschäft. Es besteht immer die Gefahr, dass wichtige Erkenntnisse im akademischen Bereich verbleiben, wobei es populistische AkademikerInnen mit einer einfachen Rhetokrik, die pseudo-provokativ daherkommt leichter haben, Gehör zu finden. Ich erinnere mich an eine Podiumsdiskussion, in der etwa die anti-islamischen "Hammerschläge", wie er selbst seine Thesen genannt hat, des Greifswalder Althistorikers Egon Flaig viel Beifall erhalten haben. Umso erfreulicher, dass das (nicht mehr ganz so) neue Synthese-ermöglichende Thema der Rechten, eine anti-islamische Haltung - so viele KritikerInnen jener Haltung auf den Plan ruft, die genauso öffentlichkeitswirksam gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gehen. Das so genannte "Abendland" wäre natürlich nicht ohne arabische Zahlen, Kaffee, Rezeption aristotelischer Philosophie und vielerlei weiterer Errungenschaften der islamischen Kultur zu denken. Viel wichtiger als das Konstrukt eines georgraphisch fest umrissenen Flecken der Erde, auf dem anscheinend eine bestimmte Kultur erstarrt ist, welche eine weitere dynamische Ausdifferenzierung nicht zuließe sind die Menschen, die von einer derartigen Ideologie ausgegrenzt werden. Menschen, denen wir - wenn denn christliche und aufklärerische Werte Ernst genommen würden - gegenüber verantwortlich sind und dies unabhängig von Religion, gender und Herkunft. So geht es bei dem Phänomen "Pegida" um viel mehr als um den Islam in Deutschland. Es geht um die weiterhin auszufechtende Frage, ob und wie wir in Deutschland solidarisch leben wollen. Eine Frage, die theoretische und praktische Initiativen erfordert. Insofern ist es nicht ratsam, allzu stark das von der Rechten vorgegebene Thema des "Islam" einseitig zu fokussieren oder gar isoliert zu betrachten.

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Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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