Problematisch gerahmt - glückliche Auswahl

Film Arte zeigt online bis Ende August fünf asiatische Filme. Bedient die Rahmung zwar alte Klischees, bietet die Filmauswahl durchaus Überraschendes

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So stellen sich Europäer Asien gerne vor. Dass das Bild vielschichtiger ist, bleibt den meisten verborgen
So stellen sich Europäer Asien gerne vor. Dass das Bild vielschichtiger ist, bleibt den meisten verborgen

Foto: Goh Chai Hin/AFP via Getty Images

Seit dem 01. Juni ist es wieder soweit – für eine gewisse Zeit im Sommer, bis zum 29. August zeigt der deutsch-französische Sender arte asiatisches Kino, verfügbar auf der Internetseite des Senders. Präsentiert wird die Filmreihe ohne dabei vor orientalistischen Klischees zurückzuscheuen. Das Motto „Gangs, Clans und Martial Art: Asiatisches Kino“ wird durch den kurzen Teaser „Fünf asiatische Filme aus unterschiedlichen Jahrzehnten über Gangs und Clans, in denen die Fäuste und die Säbel fliegen“ nicht weniger exotisiert dargestellt. Termini wie Gangs und Clans lassen europäische Imagination schnell die passenden Verknüpfungen herstellen. Dass die Filmauswahl dennoch lohnenswert ist, soll im Folgenden erläutert werden.

Vorneweg ist doch noch einmal zu fragen, ob es wirklich nötig ist, bei asiatischem Kino immer wieder auf Martial Arts- und Gangsterfilme zurückzugreifen. Die in Deutschland stattfindenden Festivals für ostasiatisches Kino, wie das japanische Filmfestival Nippon Connection, ebenfalls in Frankfurt am Main Project K, ein Festival für koreanischen Film oder etwa das Korea Independent Festival in Berlin zeigen eine breitere Auswahl. Im Falle der beiden zuerst genannten Festivals sind dabei sowohl größere Produktionen als auch Filme, die sich mit den klassischen Stereotypen verbinden lassen, Teil des Programms. Doch daneben gibt es ebenso Filme aus dem Indpendet-Segment, tiefsinnige Dramen, sowie Komödien. So etwa gab es zwar auf der diesjährigen – ausnahmsweise online veranstalteten – Jubiläums-Ausgabe des japanischen Filmfestivals Nippon Connection durchaus Filme, in denen Yakuza, die japanischen Gangster vorkamen – aber diese Filme hatten dem Thema doch einen gewissen Twist verliehen. So etwa Sabus Dancing Mary, von dem Kultregisseur wie gewohnt ein Genre-Mix, in der neben Yakuza auch Geister und eine Art Liebesgeschichte ihren Platz fanden. Beautiful Goodbye, ein Zombie-Film – zwar nicht so sehr stellvertretend für typisch als „asiatisch“ aufgefasste Themen aber in letzter Zeit doch auch ein wiederkehrendes Genre auch in Ostasien, entpuppte sich als Roadmovie, Beziehungsdrama und eine Geschichte über zwischenmenschliche Kommunikation (und die zwischen Mensch und Zombie). Daneben gab es aber auch Dramen, Dokumentationen und sicher für diejenigen, die bisher wenig Berührungspunkte mit kulturellen Strömungen aus Japan Berührung hatten, viel überraschendes. Auf dem Project K liefen zuletzt solch erfolgreichen Filme wie Burning und Parasite, auch solche Blockbuster wie The Gangster, The Cop, The Devil aber auch weniger aufwendige aber durchaus interessante Produktionen wie The Table oder Ghost Walk.

In der Programmauswahl von arte gibt es nicht diese Rahmung durch ergänzende Genres und damit eine gewisse kontextuelle Relativierung. Dafür bergen die Filme oberflächlich betrachtet im Gewande klassischer Genre-Filme die Überraschungen und eine gewisse Aufbrechung der Klischees selbst.

Der Filmemacher Sabu war wie gesagt auch bei der diesjährigen Ausgabe der Nippon Connection, dieses Mal mit dem Film Dancing Mary vertreten. Auf der arte-Seite gibt es von ihm Mr. Long zu sehen. Mr. Long ist ebenfalls ein Film, der Genregrenzen überschreitet: mindestens Drama und Gangsterfilm. Es steckt aber auch Humor darin. Und zu einem gewissen Grad handelt es sich um kulinarisches Kino, wenngleich weniger als beispielsweise bei Ramen Shop. Mr. Long ist ein aus Taiwan stammender Gangster, der in einem kleinen Ort in Japan untertaucht und ein neues Leben beginnt indem er Nudelsuppe verkauft. Dabei erhält er Unterstützung von der einheimischen Bevölkerung doch der Friede währt nicht allzulange. Es geht um Migration, um Liebe, um das Ausbrechen aus vertrackten Verhältnissen und die Vergangenheit, die einen jederzeit wieder einholen kann.

In Ichi -die blinde Schwertkämpferin geht es um die klassische Figur Ichi – in den herkömmlichen Erzählungen ein männlicher Schwertkämpfer. Wenngleich das Thema bei dieser Verfilmung im großen und ganzen recht traditionell verarbeitet wurde, handelt es sich bei Ichi dieses Mal um eine von Haruka Ayase gespielte Frau. Das Thema der traditionellen patriarchalen Verhältnisse schwingt im Subtext mit und fügt den Film als ein Beispiel für sehenswerte Verfilmungen des Stoffs in die Reihe der Ichi-Bearbeitungen ein.

Der Film Abrechnung in Tokyo von 1966 stammt aus der Zeit des japanischen Kinos, in dem junge Filmemacher sich bewusst von den großen Klassikern wie Ozu absetzten und mit Freude experimentierten. Die Geschichten sind zum Teil verworren, explizite Darstellungen von Erotik und Gewalt wurden als Stilmittel verwandt wie auch Jazz als Filmmusik, teils surreale Szenerien und rasante Schnitte. In den Filmen einer ganzen Reihe von Fimschaffenden jener Zeit kommen oftmals Gangster vor, doch lassen sich die Filme, so auch Abrechnung in Tokyo nicht darauf reduzieren.

Ein weiterer Yakuza-Film mit der legendären Meiko Kaji in der Hauptrolle stammt von 1970 und lässt sich ebenso kaum auf das Thema Yakuza reduzieren. Ungewöhnlich ist zuerst einmal, dass hier eine Frau als Oberhaupt einer Yakuza-Gruppe die Hauptfigur ist und ihre Widersacherin ist ebenfalls eine Frau. Zudem passieren einige übernatürliche Dinge – ein Fluch wird von einer Katze ausgelöst und ereilt einige der Protagonisten. Die Gewalt wird drastisch dargestellt und schwarzer Humor fehlt hierbei ebenso wenig. Elemente von Horror durchziehen den Streifen besonders in den Nachtszenen.

Ein weiterer Film der Reihe ist wohl der eigentlich „klassischste“. Es handelt sich um einen taiwanesischen Martial Arts Film von 1969. Ein Hauch von Zen, so schreibt es arte auf der Homepage, sei ein „Wegbereitender Klassiker des Wuxia-Genres“. Es ist einer der Meisterwerke des Filmemachers King Hu und bietet in der Tat einige der Phänomene, die sich durch das Genre durchziehen sollen: fliegende Schwertkämpfer, Referenzen zum Chan-Buddhismus, eine verlassene Festung und raffinierte Tricks der Protagonisten. In jenem Film hatte übrigens auch der damals noch junge Jackie Chan mitgewirkt.

Angesichts der aktuellen Debatten über Rassismus ist es auch zu bedenken, wie Produkte verschiedener Kulturen, bzw. kultureller Strömungen präsentiert werden und mit welchem Blick man auf diese schaut. Wenngleich gerade unbestritten aus guten Gründen die Black Lives Matter -Bewegung global auf spezifische Formen strukturellen Rassismus reagiert, ist nicht zu vergessen, dass im Zuge der Corona-Krise auch der anti-asiatische Rassismus deutlich zugenommen hat. Daher wäre es durchaus wünschenswert, wenn wir - und da nimmt sich der Autor dieses Attikels mitnichten raus - Stereotype in diesem Zusammenhang hinterfragen und mit Präsentation etwa in den Medien nicht noch weiter reproduzieren. So kann die Rahmung und Themensetzung der arte-Reihe von asiatischem Kino durchaus Kritik auf sich ziehen. Die Filme für sich genommen, sind unabhängig davon durchaus wert, gezeigt zu werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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