Stellt euch vor: Rund ein Drittel der Männer hat ein geschlossen antifeministisches Weltbild – und fast niemand redet darüber. Von der politischen Notwendigkeit, entsprechende Mittel dagegen zu finden, mal ganz abgesehen. Vor knapp zwei Monaten, im November 2022, wurden die neuesten Befunde der Leipziger Autoritarismus-Studie veröffentlicht. Seit 20 Jahren werden mit dieser Einstellungsstudie rechte Denkmuster und autoritäre Einstellungen erfasst. Mehr als 2.500 Menschen wurden dazu bundesweit befragt. Finanziert wird das Ganze von der den Grünen nahen Heinrich-Böll-Stiftung und der Otto Brenner Stiftung.
Das Ergebnis? Die Lage ist alarmierend. Antifeministische und sexistische Einstellungen sind in Deutschland weit verbreitet, nicht nur unter Rechten, wie oft vermutet wird. Rund ein Viertel der Deutschen stimmt antifeministischen und sexistischen Aussagen zu. Vor zwei Jahren lag dieser Anteil noch bei knapp einem Fünftel. Traditioneller Sexismus habe unter Pandemiebedingungen sogar eine „teilweise Revitalisierung“ erfahren, so die Studienleiter. Bemerkenswert ist, dass auch knapp ein Fünftel der Frauen antifeministische Einstellungen hat.
Auch wenn in den vergangenen Jahren feministische Ziele weitaus mehr ins Blickfeld gerückt sind und teilweise sogar erreicht wurden – Themen wie reproduktive Selbstbestimmung oder Debatten um Konsequenzen von sexualisierter Gewalt durch Männer –, der Antifeminismus lehnt genau diese Entwicklungen ab. Denn die patriarchale, heteronormative Dominanz mit klaren Rollenvorstellungen soll beschützt werden.
Der Druck, ständig männlich zu sein
Dabei dient, den Befunden der Studie zufolge, Antifeminismus als „Brückenideologie“ für andere rechte und diskriminierende Einstellungen. So wird unter anderem das Thema der reproduktiven Selbstbestimmung als Code benutzt, um unterschiedliche Milieus zu mobilisieren und eine Verbindung untereinander herzustellen. Im äußersten Fall wäre das ein Abdriften in autoritäre und rechte Einstellungen. Männlichkeit spielt in der Debatte eine gewaltige Rolle. Wo nach dem Ideal von hegemonialer Männlichkeit Härte und Gewaltbereitschaft unter Männern dominieren, finden sich antifeministische Haltungen besonders häufig wieder.
Das Muster ist bekannt: Es ist der ständige Druck, sich seiner eigenen Überlegenheit als dominierendes Geschlecht bewusst zu werden. Alles, was Abhängigkeit und Schwäche bedeutet, wird verdrängt und meist auf Frauen und queere Menschen projiziert. Dass das nicht ohne Gewalt geschieht, ist bekannt. Trotzdem passiert zu wenig. Besonders junge Männer radikalisieren sich über die sozialen Medien, in denen vielerorts problematische Männlichkeit vorgelebt und reproduziert wird. Männer mit Reichweite, wie der chauvinistische Influencer Andrew Tate, sind hierfür das beste Beispiel. Problematisch ist vor allem die fehlende politische Einsicht: Soziale Medien müssen als Ort antifeministischer Radikalisierung begriffen werden. Aber auch die Werbebranche oder die Filmindustrie reproduzieren die binäre Geschlechterlogik und festigen so Machtverhältnisse. Besonders jungen Männern wird somit suggeriert, dass es okay ist, nach Konkurrenz und Kontrolle zu streben. Und dabei alles abzuwerten, was als weiblich gilt.
Wenn Politik misogyner und rassistischer Gewalt entgegenwirken will, hat sie keine andere Wahl: Die Ergebnisse der Studie dürfen nicht im vergangenen Jahr verbleiben. Als Neujahrsversprechen für 2023 sollten sie den Anfang einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung markieren.
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