„Das wird das schlimmste Interview aller Zeiten!“ Noch bevor irgendetwas auf dem Bildschirm zu sehen ist, hallt dieses rauchige Lachen aus dem Computer, so unvergleichlich, dass trotzdem gleich klar ist: Am anderen Ende der Videoschaltung sitzt Pamela Adlon, Komikerin, Schauspielerin und Macherin der Serie Better Things, deren finale Staffel nun auf Magenta TV zu sehen ist. Als die etwas wackelige Verbindung steht, wird auch die gebürtige New Yorkerin selbst sichtbar. Es ist später Nachmittag, und sie sitzt auf dem Rücksitz eines Wagens, mit dem sie gerade für ihr Spielfilmdebüt als Regisseurin auf Locationsuche nördlich von New York unterwegs war. Auf der Fahrt zurück hat sie nun Zeit dafür, über Better Things zu sprechen, dessen He
„Better Things“: Schnallt euch an!
Serie Großartiges Familienchaos und jede Menge Situationskomik: Auch in der finalen Staffel der autofiktionalen Serie „Better Things“ geht es wieder hoch her. Eine Begegnung mit Regisseurin und Komikerin Pamela Adlon
Things zu sprechen, dessen Herz, Hirn und Gesicht sie sieben Jahre lang war. Seit 2015 spielte sie in der Serie Sam Fox, die ihr Leben als alleinerziehende Mutter dreier Töchter und ihre Schauspielkarriere auf die Reihe zu kriegen versucht. Eine Figur, die nicht zufällig einiges mit Pamela Adlon gemeinsam hat, die als Chefautorin, Produzentin, Regisseurin und eben Hauptdarstellerin alle Fäden in der Hand hält, vor und hinter der Kamera.Mit turbulenten Situationen, in denen improvisiert werden muss, kennt sich die 56-Jährige aus. Die Videoverbindung ist nicht die stabilste und wird mehrmals abbrechen, vor allem, wenn sich der Wagen in Bewegung setzt. Adlon nimmt es, wie es kommt; sie erzählt, stellt zwischendurch selbst persönliche Fragen an den Journalisten in Germany, gibt kurze Anweisungen an die Fahrerin, springt von Thema zu Thema und baut sich nebenbei auf der Rückbank eine Art Schreibtisch auf, um dort die Laptopkamera zu platzieren.Wer will das sehen?„Es war echt hart“, erinnert sie sich an die Anfänge von Better Things 2015. „Ich dachte, niemand würde eine Serie über mich sehen wollen, oder mit mir als Hauptfigur. Ich hatte wirklich nicht viel Selbstvertrauen.“ Sie habe schon immer unterschiedlichste Sachen gemacht, „mein ganzes Leben habe ich selbst Material geschrieben, auf Bühnen gestanden, gedreht, Songs geschrieben und fotografiert … wirklich alles“. In dem Moment setzt sich der Wagen in Bewegung und sie haut ein herzliches „Fuck!“ raus. Es wird nicht das letzte sein in der nächsten halben Stunde. „Jetzt geht’s los! Schnall dich an, Thomas!“, und sie stößt noch einen ihrer Lacher aus, bevor sie weitererzählt. „Ich wollte das alles bündeln, aber ich musste warten, bis meine Kinder in einem Alter waren, dass ich die Freiheit hatte, richtig mit der Arbeit loszulegen.“ Da war sie durch die erfolgreiche Serie Californication (2007 – 2014) mit David Duchovny bereits zum TV-Star geworden und seit fünf Jahren geschieden. „Aus dieser Situation heraus hatte ich die Idee, davon zu erzählen, wie es mir als berufstätiger, alleinerziehender Mutter dreier Töchter geht. Um mich herum war dauernd totales Chaos, gleichzeitig fühlte ich mich sehr allein. Ich spürte eine unsichtbare Glocke über mir und versuchte doch, die Bedürfnisse aller zu befriedigen.“In sieben Jahren sind so fünf Staffeln entstanden, die für Adlon „eine erstaunliche Reflexion dieser Zeit und der Entwicklung sind, die ich und meine Familie durchgemacht haben. Es waren harte Jahre, ich bin wie ein Pinball hin und her gesprungen, um keinen wichtigen Termin zu verpassen und immer im richtigen Moment genau da zu sein, wo ich gerade gebraucht wurde.“Ihr Selbstvertrauen dazu, über welche Themen sie in der Serie sprechen kann, hat im Lauf der Zeit zugenommen. „Ich habe bald gelernt, wenn ich etwas schreibe, das sich unangenehm anfühlt, ist es immer das Beste, unbedingt weiterzubohren und dem auf den Grund zu gehen. Wenn mir etwas Unbehagen bereitet und ich kann das mit Humor und Herz rüberbringen, wird hoffentlich auch das Publikum etwas darin wiedererkennen.“ Das geht weit über ihre eigene Geschichte hinaus. „Ich wollte nie nur sogenannte Frauen-Themen verhandeln“, betont sie. „Ich habe meinen Autor*innen von Anfang an gesagt: Schreibt ohne Gender im Kopf! Schreibt die weiblichen Figuren maskulin und die Männer feminin. Diese Fluidität ist ein ganz wichtiger Aspekt von Better Things – ich wollte, dass die Welt in der Serie so aussieht wie mein Umfeld und das meiner Kinder. Wir leben in einer nonbinären Realität.“Mit Angst wird es MistMit ihrem herzlich-rauen Ton und Humor eckt sie trotzdem nach wie vor an. Oder wieder, wie sie erklärt. „Es gibt in den letzten Jahren große Bedenken, Grenzen zu übertreten, jemanden zu verletzen. Ich musste meine Autor*innen immer wieder schubsen, mehr zu wagen. Wenn man mit einer Schere im Kopf schreibt, wird es nicht gut werden. Wenn man mit Angst kreiert, wird es nicht wahrhaftig, sondern Mist. Wir waren von Anfang Teil aktueller Diskurse, haben uns vor nichts gescheut. Deswegen sehen die Leute doch die Serie!“Es dürfe ruhig mal rau und dreckig zugehen, aber nicht um der reinen Provokation willen. „Leute können die Ratte riechen, sie merken gleich, ob man es ehrlich meint oder nur etwas vorgaukelt. Und die Serie funktioniert, weil sie aus dem Leben gegriffen ist und auch so wahrgenommen wird. Und ich dachte, wir hätten es nach vier Staffeln raus, aber die fünfte war mit Abstand die schwerste.“ Vor allem ein Ende für Sam und ihre Familie zu finden sei eine Herausforderung gewesen, gibt sie zu. „Ich wollte die Serie mit offenen Enden ausklingen lassen, dass die Figuren eine Zukunft haben und nur angedeutet wird, wie es für sie weitergehen könnte, auch wenn die Serie zu Ende ist.“ In dem Moment erblickt sie durch das Autofenster einen Schnellimbiss und ruft ihrer Fahrerin zu: „Oh, KFC! Halt an, ich habe Hunger!“ Das Interview muss warten, im Drive-in werden erst mal Chicken-Sandwich, Pommes, Coleslaw und noch einiges mehr geordert, sie freut sich wie ein Kind.Eingebetteter MedieninhaltIn der zweiten Episode der neuen Staffel trifft Sam an einem Blumenstand den legendären Produzenten der Kultkinderserie Land of the Lost, Marty Krofft, der ihr den Rat gibt, sich nicht übers Ohr hauen zu lassen und nie aufzugeben. Ihr Vater habe ihr etwas ganz Ähnliches mit auf den Weg gegeben. „Er sagte immer: Nolite te bastardes carborundorum“ („Lass dich von den Mistkerlen nicht unterkriegen“ – in Wirklichkeit ein Zitat aus Margaret Atwoods Handmaid’s Tale). „Und fickt euch, wenn ihr keinen Witz versteht.“Noch einmal sehr deutlich wird sie bei der Frage, wie die eigenen Töchter auf die Serie reagiert haben. „Es ist meine Geschichte, warum sollte ich mich für etwas schämen?“, sagt sie. „Ich habe nie das Leben meiner Kids für die Serie ausgebeutet, und wenn ich doch ein Ereignis fiktional verarbeiten wollte, habe ich sie um Erlaubnis gebeten. Better Things ist auch ein Ort, wo die Sorgen, Sehnsüchte und Entwicklungen der Mädchen Platz haben. Manche denken, Better Things sei eine Art Realityshow, wie die Kardashians oder was auch immer, dabei sind die viel verlogener als unsere Serie.“Während Pamela Adlon ihr Spielfilmdebüt als Regisseurin vorbereitet, machen ihre drei Töchter gerade erste Erfahrungen als Schauspielerinnen, durchaus mit dem Segen der Mutter. „Man sollte seine Kinder nie entmutigen, wenn sie leidenschaftlich für etwas brennen. Ich stand selbst schon als Kind vor der Kamera. Ich hasse es, wenn Schauspieler behaupten, sie wollen ihre Kids vor dem Showbiz bewahren. Das ist scheinheilig.“Am Ende der turbulenten Autofahrt kommen wir auf ihren Nachnamen zu sprechen, der bekannt klingt hierzulande, zumal in Berlin. Von 1996 bis 2010 war sie mit dem in München geborenen Filmemacher Felix O. Adlon verheiratet, Sohn des Regisseurs Percy Adlon (Out of Rosenheim) und Nachkomme der ehemaligen Hoteldynastie, am Brandenburger Tor trägt heute wieder eine Nobelherberge den berühmten Namen. Es bestehen noch familiäre Verbindungen zu Deutschland, sagt Adlon auf Nachfrage knapp, „meine Töchter haben alle die doppelte Staatsbürgerschaft“, und schwenkt dann schnell auf Berlin um. „Ich liebe diese Stadt, ich kann es kaum erwarten, zurückzukommen. Ich will ins Jüdische Museum und ich will Currywurst! Mein Freund Keith, der als Dragqueen Sherry Vine auftritt, lebte eine ganze Weile in Berlin. Als die Kids noch sehr klein waren, sind wir im Adlon abgestiegen und er zeigte mir die Szene. So fabulous! So gay!“Placeholder infobox-1