Schwul, durchtrainiert, das Englisch fließend, einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften. So wie Li Wei kannte ich die Kader der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) gar nicht. In der Provinz war ich meist Mittvierzigern mit schwarz nachgefärbten, seitengescheitelten Haaren begegnet, die das Polohemd in die Hose steckten, eine prächtige Gürtelschnalle hatten und jede Rede mit einem Lob auf den Generalsekretär anfingen. Sie tranken zu viel, und das sah man ihnen auch an.
In der Hauptstadt Peking herrscht ein anderer Typus vor, jener des gestressten Fachbeamten. Zum Beispiel die Mitarbeiter des Außenministeriums, mit denen wir Journalisten oft zu tun haben: Sie sind kompetent, sprechen alle möglichen Fremdsprachen. Doch an sie kommen wir kaum noch persönlich heran. Waren die Mitglieder der KPCh noch in den 1990er Jahren neugierig auf die Abgesandten anderer Länder, sind sie im derzeitigen politischen Klima zurückhaltend geworden. Kontakte zu Ausländern – erst recht zu Journalisten – könnten der Karriere schaden.
Jetzt also Li Wei. Geboren im Jahr 1991, scheint er einen neuen Typus Parteimitglied zu repräsentieren: Optimistisch, fast amerikanisch anmutend mit seiner Mischung aus Erfolgsorientierung und Patriotismus. „Ich glaube an China“, sagt er. „Und ich glaube, dass ich China in einer guten Position am besten dienen kann.“ Zugleich kommt er offen und zugänglich rüber. Er weiß jedoch genau, wo die Grenzen der Offenheit liegen: Fragen nach den Seminarinhalten auf der Parteischule geht er aus dem Weg – meine Schuld, ihm gleich mit dem ganzen politischen Zeug zu kommen.
Es hätte mich nicht verwundern sollen, so fitte Parteimitglieder anzutreffen. Die chinesischen Kommunisten verstehen sich als Eliteorganisation, anders als bei Parteien in Deutschland ist es gar nicht so leicht, Mitglied zu werden. Nur einer von elf Bewerbern wird derzeit aufgenommen. Zum Antrag gehören ein handgeschriebener Aufsatz und ein Lebenslauf, eine Kommission entscheidet über die Aufnahme.
Für Li Wei war das allerdings ein Leichtes. Er gehörte zu den Jahrgangsbesten seiner Schule mit 9.000 Schülern und stellte seinen Antrag vor zehn Jahren, nach dem Übertritt in die Oberstufe. Die Partei hat ein Interesse daran, schlaue Köpfe anzuziehen, und nimmt bevorzugt Schüler und Studenten mit guten Noten.
Trotz der strengen Aufnahmekriterien hat die KPCh knapp 90 Millionen Mitglieder, ein Sechzehntel der chinesischen Bevölkerung. Die Partei hat ihre Augen und Ohren überall. Es gibt keinen Betrieb ohne Parteizelle, kein Uni-Seminar ohne aufmerksam lauschende Mitglieder wie Li Wei, die notfalls einen Bericht über die Haltung des Professors schreiben. Als China Ende der Neunziger sein Weltraumprogramm auflegte, waren die Kriterien für die Taikonauten: körperliche Fitness und makelloses Parteibuch.
Dass der chinesische Sozialismus heute nur noch wenig mit den Lehren von Karl Marx zu tun hat, ist den Beteiligten klar. Li Wei erklärt seine Motivation zum Eintritt so: „Die Mitgliedschaft ist wirklich nützlich. Man lernt da tolle und wichtige Leute kennen.“
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.