dass sie mit zu den signifikanten Verursachern der von ihnen scheinheilig kommentierten Missstände gehören, dass sie selbst es sind, die hieran ursächliche Mitschuld tragen.
...
Ein erneuter Versuch!
[Dieser Post ist auch auf meiner persönlichen Homepage zu finden]
…
From: j.beineke@t-online.de
Sent: Thursday, May 21, 2020 4:18 PM | To: andreas.niesmann@rnd.de
Subject: Ausgabe 'Ruhr Nachrichten Castrop-Rauxel', 21.05.2020, Seite 2
Arbeit in den Schlachthöfen: Das Ende der Lohnsklaverei
Siehe auch: Das Ende der Lohnsklaverei in den Schlachthöfen
»Die Pandemie hat den deutschen Verbrauchern schonungslos vor Augen geführt, welche Folgen ihre Geiz-ist-geil-Mentalität an Supermarktregalen und Kühltheken hat. Und zwar sowohl für Tier als auch für Mensch.
Um die Gier der Verbraucher nach billiger Wurst und günstigem Hack zu befriedigen, tritt die Fleischindustrie nicht nur das Tierwohl mit Füßen. Sie hat auch eine moderne Form der Lohnsklaverei erschaffen.«
Hallo Andreas Niesmann,
»Stammbelegschaften wurden über Jahre abgebaut und durch ein Heer von namen- und de facto weitgehend rechtlosen Arbeitern aus osteuropäischen Billiglohnländern ersetzt, die häufig genug von windigen Subunternehmen in die Schlachthöfe gekarrt wurden.«
Und das alles „um die Gier der Verbraucher nach billiger Wurst und günstigem Hack zu befriedigen“?
Sagen Sie mal, haben Sie noch alle Tassen im Schrank?
War es nicht vielmehr Media-Saturn, der Betreiber der deutschen Elektronik-Fachmarktkette, die zugleich die größte Europas ist und die ihre Kundschaft mit diesem Slogan konditioniert hat?
War es etwa „die Gier der Verbraucher nach billiger Wurst und günstigem Hack“, die die Sippschaften von Aldi und Lidl zu Multimilliardären gemacht hat?
Die Gründungs-Väter der Vorzeige-Diskounter ALDI und Lidl haben mithilfe der angeblichen Billigpreise ein Milliarden-Vermögen gescheffelt und deren Familien gehören zu den reichsten weltweit.
»Als Karl Hans Albrecht 2014 im Alter von 94 Jahren verstarb, war der Besitzer von Aldi Süd laut Forbes mit einem geschätzten Vermögen von 25 Milliarden Dollar der reichste Mann Deutschlands. Die Angehörigen seines jüngeren Bruders Theo Albrecht, der bereits vier Jahr zuvor 88-jährig gestorben war, listete das Business-Magazin im gleichen Jahr auf Rang drei der wohlhabendsten Deutschen.
Dazwischen lag damals Dieter Schwarz - und auch er verdankt seinen Reichtum zum Teil den Aldi-Brüdern. Als Eigentümer von Lidl verfolgt Schwarz das gleiche Geschäftsmodell wie Aldi: das Discount-Prinzip.«
…
Ja, die hemmungslose Ausbeutung ost- und südosteuropäischer Arbeiter als Geschäftsmodel für die wunderbare Geldvermehrung in den deutschen Schlachthöfen wird seit Jahren scharf kritisiert. Sie eröffnen nicht zuletzt auch die Chance, auf dem Weltmarkt um Exportanteile zu konkurrieren. Der größte deutsche Schlachtbetrieb, Tönnies aus dem nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück, erzielte im vergangenen Jahr mit der Verarbeitung von 20,8 Millionen Schweinen - davon mehr als drei Viertel in Deutschland - sowie von 440.000 Rindern einen Rekordumsatz in Höhe von um die 7,3 Milliarden Euro. Angaben zu seinem Gewinn macht das Unternehmen nicht.
Sie sollten Konsumenten nicht dafür tadeln, so preiswert wie möglich einzukaufen. Das ist das herrschende Prinzip unserer Gesellschaft. Und Sie wissen ganz genau, dass Unternehmen Bedarfe regelrecht züchten. Siehe Autoindustrie, die aktuell wieder einmal vom Staat verlangt, mangelndem Kaufinteresse mit Käuferködern zu begegnen.
Die Lebensmittel sind zu billig.
Unter diesem Narrativ läuft seit Wochen die konzertierte Kampagne deutscher Medien. Bei Ihnen heißt das: »Um die Gier der Verbraucher nach billiger Wurst und günstigem Hack zu befriedigen, tritt die Fleischindustrie nicht nur das Tierwohl mit Füßen«.
Und dieses unternehmerische Konditionieren der Kundschaft ist auch die Absicht der Medienprodukte Ihres Hauses, das von DER SPIEGEL und SZ, um nur ein paar zu nennen. – Ihr begleitet die neoliberale Ausbeutungspolitik des „Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn“ seit Dekaden mit Chorgesang. Und jetzt labern Sie uns doofen Bürgerinnen und Bürgern mit diesem läppischen Kommentar die Ohren voll, wollen in bekannter Manier die Schuld für unerträglich prekarisierte Arbeits- und Lebensbedingungen, in diesem Fall „de facto weitgehend rechtlosen Arbeitern aus osteuropäischen Billiglohnländern“, dem Verbraucher in die Schuhe schieben.
Was habt Ihr euch doch all die Jahre für Mühe gegeben, uns die AGENDA 2010-Politik des „Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn“ schmackhaft zu machen. Alle Schweinereien dieser Politik wurden von euch in Symbiose mit monetären Machthabern und ihren Politikvasallen öffentlich promotet, auch über das Mittel der Diskreditierung gegenläufiger Ansichten und Meinungen bzw. deren Protagonisten.
Und damit sind wir bei einem anderen Thema gelandet, nämlich bei EURER MITSCHULD an diesem Dilemma, dem sich Ihr Standpunkt widmet: GeldPolitikMedien haben sich längst zur Gestaltung und Pflege einer symbiotischen Kultur der Kumpanei zusammengetan.
Die Voraussetzungen für diese skandalösen und erbärmlichen Zustände wurde in feinem Zusammenspiel zwischen euch und Politik und mithilfe der erwähnten AGENDA 2010-Politik des „Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn“ signifikant/schuldhaft herbeigeführt.
Die BRD seit Gerhard Schröder wurde von Ihnen Dreien, den monetären Machthabern, deren politischen Vasallen und dem Propagandaapparat der Medienlandschaft, gezielt zu Europas Billiglohnland Nr. EINS umgebaut. Ihr habt dafür herkömmliche Arbeitsverhältnisse fragmentiert und modulisiert, habt das seit 1960 nahezu gleichgebliebene Arbeitsvolumen von ca. 58 bis ca. 61 Milliarden Arbeitsstunden von ehemals rund 26 Mio. auf 44,5 Mio. einkommensabhängiger Personen umverteilt.
Von 1991 bis 2010 z. B. wurde lt. Böckler Impuls, Ausgabe 03/2012, die Anzahl der Beschäftigen im Öffentlichen Dienst um 1,6 Millionen gesenkt; das sind über 30 Prozent.
»Die erfolgsverwöhnten Deutschen«
(so Ihr Kollege Matthias Koch in den Ruhr Nachrichten (Ausgabe ‘RN DN-Dorsten’, 01.11.2018))
sind »in wechselnden Koalitionen« systematisch prekarisiert worden: Die Masseneinkommen der deutschen Bevölkerung wurden massiv reduziert, das Geld den monetären Machthabern zur Verfügung gestellt.
Die Löhne der Beschäftigten entwickeln sich durch Leiharbeit und Werkverträge immer mieser, während die Bezüge der Vorstandsebene explodieren. Viele Arbeitsplätze wurden ausgesourced, um sie dem Tarifrecht zu entziehen und die Stelleninhaber schlechter zu bezahlen. Verschärfte Ausbeutung durch einen wachsenden Niedriglohnsektor, Sozial- und Bildungsabbau (u. a. Lehrermangel), Aneignung gesellschaftlichen Eigentums durch Privatisierung sind Alltag. – Das ist der ausdrücklich gewünschte Nährboden.
Und was schreiben sie für einen Blödsinn:
»Dass die Politik mit diesen Zuständen endlich Schluss machen will, ist richtig. Dass sie sich dafür so viele Jahre Zeit gelassen hat, ist bitter. Und dass es einer solchen Extremsituation wie der Corona-Pandemie bedurft hat, um diese überfälligen Reformen anzustoßen, ist einfach nur beschämend.«
„mit diesen Zuständen endlich Schluss machen will“? Diese Zustände sind mit eurer medialen Hilfe durch Politik bewusst herbeigeführt worden, auch durch den von Ihnen so hochgelobten Arbeitsminister Hubertus Heil, einen glühenden Anhänger der Schröderschen AGENDA-Politik. – Offensichtlich wollen Sie sich und den anderen Verursachern dieser miesen Zustände Absolution erteilen.
Sauberes systemisch/analytisches Denken scheint Ihnen fremd zu sein. Sie bevorzugen systemtreue Agitation und Konditionierung der Bevölkerung à la Media Markt.
Für Ihre Redaktion gibt es nur »die erfolgsverwöhnten Deutschen« und »die Gier der Verbraucher nach billiger Wurst und günstigem Hack«.
Mit eher unfreundlichen Grüßen, Jürgen Beineke
...
[Dieser Post ist auch auf meiner persönlichen Homepage zu finden]
Kommentare 14
Ohne billige Ramschware könnten unsere "Wettbewerbsverlierer" und Aufstockersklaven gar nicht überleben. Richtig, "Gier nach Profit" volkswirtschaftlich organisiert, wäre die richtige Schlagzeile.
Ach, da meldet sich der andere der beiden alten Herrn aus der Muppet Show.
Danke für Ihre Wortmeldung!
»Die Gier der Verbraucher...« - ZWEITER ANLAUF!
Dieser Eintrag ist nötig, da der Ursprungstext umgehend in den Tiefen des Archivs verschwand und damit der dFC faktisch vorenthalten wurde.
Was war passiert? Ich stellte mein Blog »Die Gier der Verbraucher...« zwar um 16:14 Uhr hier in diese Plattform ein, doch wurde es zunächst mit freundlichen Grüßen vom freitag.de-Team kassiert und in den Moderationszustand versetzt. Aus dem wachte es dann um 21:50 Uhr wieder auf und steht seit diesem Moment einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung – theoretisch, denn es erschien als Logbucheintrag erst an 35. Stelle und war damit geradezu unsichtbar.
Und die Kommentarzahl ändert daran nichts. Manche Blogs bleiben auch mit 50 Kommentaren im Logbucch unsichtbar.
Jetzt könnte man fragen, ob die aktuellen BDA-Forderungen wohl die masslose Gier der Verbraucher weiter anfeuern können.
Guten Morgen, liebe Claudia!
Für mich ist schon lange klar, dass ein Großteil der Medien nur darauf angesetzt ist, Gehirnwäsche der Bevölkerung im Sinne der monetären Machthaber zu betreiben. Ganz herausragend in diesem Sinne die Mannschaft vom RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Über Jahre hinweg haben sie uns erzählt, wie geil die Jobentwicklung in Deutschland verlief, haben gar vom zweiten deutschen Wirtschaftswunder geschwärmt. Sie lobten die Regierung in den höchsten Tönen, alles war Superlative. Dass die wundersame Jobvermehrung durch immer größere Zerstückelungen herkömmlicher Arbeitsverhältnisse erfolgte und schließlich in menschenrechtsunwürdige und letztlich sittenwidrige Beschäftigungsverhältnisse einmündete, für die Sklaven importiert wurden, eben diese „de facto weitgehend rechtlose Arbeiter aus osteuropäischen Billiglohnländern“, interessierte diese Medien nicht, wurde als Kollateralschaden verschwiegen.
Und jetzt, wo diese Medien die arbeitsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Skandale der AGENDA 2010-Politik nicht mehr ignorieren können, weisen sie – obszön, wie sie sind – der Bevölkerung, in diesem Falle den Verbrauchern unter ihr, die Schuld zu.
So auch ein hiesiger Lokalreporter in den 'Ruhr Nachrichten Castrop-Rauxel' vom 12.05.2020. Seine vorlaute Wortmeldung: »Wir wollen Grillfleisch für Einsfuffzig - Wir tragen Mitschuld!« Freundlicherweise bezog er sich selbst allerdings mit ein: »Wir alle sind mit unserem Einkaufsverhalten Schuld daran, dass solche Infektionsküchen wie bei Westfleisch überhaupt entstehen konnten... «
Gott-sei-Dank war ich nicht der Einzige, der ihm per Leserbrief widersprach.
Diese Medien betreiben bewusst und gezielt Indoktrination um jeden Preis und scheuen selbst vor Rufmordkampagnen nicht zurück.
Erst etwas über ein Jahr teilnehmend, den Herausgeber für einen wahrlich Suchenden haltend, und sehr dankbar für ein Zeitungsforum, in dem Tacheles zugelassen ist wie in keinem anderen; las ich gestern von Foristen, daß in der Vergangenheit nahe am Nukleus schürfende Forumsmitglieder geschaßt worden, und heute eben, was mit diesem Artikel geschehen sein soll, der zwar ins Schwarze trifft, aber keine Majestätsbeleidung an republikanischem Hofe darstellen sollte.
Einsehbar, daß Kritik wohl ausgedünnt werden muß, um nicht als ‚extremistischer‘ Hort abgeschossen zu werden (in Medienlandschaft, wo von solcher Couleur ja bereits gilt, was aus der Kunstwelt etablierter Darstellung ausschert) und wie gesagt, aufrichtig froh über Inhalte, die der dF bietet.
Doch wird einem das Herz schwer, zu verstehen, wie auch das liberalste deutsche Blatt zu beschneidenden Eingriffen gezwungen scheint.
Mein Traum wäre ja, daß Jakob Augstein das gekaperte und umgedrehte, ehemals investigative Magazin seines Vaters unter neuem Namen wiederauferstehen ließe.
Doch: Auch, wenn er es wollte, ließen das wohl mannigfaltige Umstände kaum noch zu. Weder herrscht eine Marktlage wie vor 70 Jahren, keine öffentliche Diversität der Sechziger / Siebziger, noch eben Einnahmen, die Derlei wie ausgedehntes Korrespondentennetz und veritable Rechtsabteilung möglich machten.
Und was drohte, wenn dF dringend ausstehende Debatte zu konzertierten Medien und abgerichtetem Journalismus, anfachte?
Ich vermute einmal: Eine Menge.
Die Wehrhaftigkeit eines ehemaligen SPIEGELs gibt es ja nicht mehr.
Und der Michel kapiert nicht einmal mehr, was das zu bedeuten hat.
Eine Tragödie. :O[
-
Flegel, Sie,
vielen Dank für diese wieder einmal präzise Beobachtung!
Man stelle sich vor, wie sich so ein Inhalt als Artikel in großen deutschen Tageszeitungen machte!
Die Kampagne ach so billiger Nahrung kam ja um die Jahrtausendwende auf. Und ich weiß noch, wie z.B. meine älteste Schwester sich prompt nicht mehr erinnern mochte, welch geringen Anteil am Einkommen das Essen früher hatte, während zum einen Kleinerzeuger und -verkäufer anständiges Auskommen beschert war, und ein guter Teil der Produkte Qualität innehatte, die heute in Delikatessenläden zu horrenden Preisen ausliegt.
Mehr aber noch, Ihr Fingerzeig auf den servilen Journalismus durch abgerichtete Schreiber in einhelligen Redaktionen.
Wie gestern in einem Community-Artikel zu Marginalisierung als Verschwörungstheoretikern verlinkter Artikel aus Nachdenkseiten, in denen eine Zeugin namens Julia Weiß zitiert wird: ||„Man fragt sich wirklich, wie Journalisten so grenzenlos benutzbar werden können.“||
Ich denke die Antwort lautet:
In dem sie vor der Ausbildung bei Springer & Co. und gleichgeschalteten, öffentlichen Stätten nach devoter Einfalt handverlesen, und dann durch Disneyland geführt werden.
Versiegelt durch Redaktionsleitungen des Establishments, welche immer weniger Zweifel daran aufkommen lassen, was sich schickt.
Hallo Knossos,
haben Sie herzlichen Dank für Ihren beachtenswerten und gescheiten Beitrag. – Er hat mir richtig gutgetan.
Meine Beteiligung hier in der dFC erlaubt mir, meine kritische, systemisch/analytischen Sichtweise bestimmter Sachverhalte darzustellen, was vor dem Hintergrund des Märchenjournalismus, den ich in meinem Blog angesprochen habe, bedeutet, dass ich den fehlenden Part seiner Darstellung liefere, die historischen Fakten, die er nur zu gerne pathologisch verfremdet.
Was ich ganz sicher nicht will, ist, mich mithilfe von philosophischen Endlosdiskussionen für das in Teilen verkommene politische Geschehen disziplinieren zu lassen.
Vor diesem Hintergrund allerdings mache ich auch in diesem Forum schon lange die Erfahrung, dass es zwar gestattet ist, die eigene Meinung zu äußern, jedoch nur in einem eng gesteckten Rahmen, die von der Toleranz der Teilnehmer abhängt. – Auch in der dFC!
Wer diesen verlässt, muss mit gesellschaftlicher, auch beruflicher Marginalisierung rechnen. Im schlimmsten Fall droht die soziale Ächtung. – Auch in der dFC!
Alles in Allem aber hat mir das freitag.de-Team in der Vergangenheit sehr viel Spielraum gelassen.
"...durch abgerichtete Schreiber in einhelligen Redaktionen." - Hervorragend!
Lieber Flegel,
ich denke, uns und andere Mitforisten verbindet u.a. das Bewußtsein, darüber, welchen Verlust das Land durch die Metamorphose des SPIEGEL in sein Gegenteil erlitten hat. (Ohne dF herabwürdigen zu wollen, dessen Dasein als größeres Treibholz auf Totem Meer, das letzte scheint, auf das sich Geist noch retten kann.)
Das will sich mir noch gewichtiger ausnehmen, als sonstige Katastrophe einer Orchestrierung der Medienlandschaft.
Rudolf Augstein (den ich verehre / im Herzen trage, und sein Magazin, das meinersich heranwachsend bei weitem mehr Aktualitäten erfahren ließ, als irgend eine Quelle sonst) hatte alles Recht der Welt, sich in seinen letzten ~ 15 Jahren zurückzuziehen / es in seinem Haus schleifen zu lassen.
Aber ich meine, daß er einen grundsätzlichen Fehler gemacht hat.
Immerhin hatte er sprichwörtlich die fähigsten Journalisten der Welt bei sich versammelt. (Zugegeben: Unter dem gesamten Spektrum auch rechts außen. Das jedoch, ob man es eingestehen mag oder nicht, über seine Kontakte gleichwohl so Manches zu lüften vermochte, das sonst im Dunkeln geblieben wäre.)
Er fand es irgendwann vielversprechend, junge Talente aus Schülerzeitungen zu fördern, doch geschah dies meinem Eindruck nach eher auf eine Weise, daß Dreikäsehoch ins Metier Einzug hielt, (man korrigiere mich, wenn nötig) statt umgekehrt, ihm die Welt und analytischen Journalismus näherzubringen.
Augstein nutzte das Potential seiner alternden Haudegen nicht, um sie zu Lehrern der anspruchsvollsten Journalistenschule überhaupt zu machen; zu der es mithin nicht kam.
Aus ihr wären Rechercheure und bewanderte Schreiber hervorgekommen, die in den Mainstream-Buden dieser Tage kaum drei Wochen Probezeit überstünden, ohne in hohem Bogen rauszufliegen, so, daß sie gezwungen wären, sich zusammenzutun und selbst eine Gazette zu gründen, oder besser noch: Beim SPIEGEL wären, und vielleicht mit Jakob Augstein zusammenarbeiteten, um weiterhin auszugeben, was sich gewaschen hat / den Reichstag und Klienten wöchentlich zittern ließe.
-Ich wüßte ohnehin zu gern, wie es Bertelsmann & Co. gelang, sich dort einzukaufen und den Laden auf den Kopf zu stellen.
Ob es dadurch möglich wurde, daß Mitarbeiter am Verlagshaus beteiligt waren?
Augstein hat diese Großzügigkeit schon kurz darauf ohnehin bereut.
Und es sollte nicht wundern, wenn in diesem Gesellschaftssystem Fehlentscheidung gewesen sein sollte, was man sich als Demokrat doch nur wünscht.
Als Familienbetrieb dürfte das Haus es weder nötig gehabt haben, den Boulevard einziehen zu lassen, noch journalistischem Ethos des Gründers solch eine Schmach anzutun.
Na ja, was weiß ich schon darüber. Außer, daß die Republik jetzt das entscheidende Nachsehen als seelenruhige Oligarchie hat.
Unbeschreiblich, wie ein so sagenhafter GAU unterm Teppich bleibt.
"Flegel, Sie,"
Dieser Einschätzung schließe ich mich an ;-) ...
"vielen Dank für diese wieder einmal präzise Beobachtung!"
und diesem Dank natürlich auch!
Der SPIEGEL fehlt natürlich, nicht als "Meinungsmedium", die Ausrichtung war ja letztlich immer "staatstragend" und kapitalismusfreundlich, aber egal, es gab das berühmte Archiv, gute Schreiber und leider zu wenige Autorinnen, und man ließ die Leute bis zu einem gewissen Grad gewähren.
Andererseits war die Situation eine monumental andere als heute: Bei Zeitschriften wie SPIEGEL, ZEIT & STERN handelte es sich um regelrechte Gelddruckmaschinen.
Klar. Auch in des SPIEGELs Blüte hieß manch privates Bakschisch „Parteispende“, oder Coups schon mal „(Amts-)Versagen“. Und aufgespürte Tretmienen wurden zuweilen gegen genehmere Indiskretion eingetauscht (in Bonn dann Mißliebige zum Abschuß freigegeben), damit das Fundament der Republik nur keinen Riß erführe.
Das Maß jedoch, in dem Augstein seine Leute gewähren und das Archiv eben entstehen ließ, war und bleibt weltweit einzigartig. (Und dies obwohl seines Zeichens Konservativer! Das will als geradezu übermenschliche Ausnahmeerscheinung gewürdigt und geehrt sein. –Darin kommt ihm wider gleichen politischen Weltbilds allenfalls Solcher wie Michael Moore in Eigenschaft als unbeirrter Sklave der Realität näher.) Obwohl Meinungs- und Pressefreiheit in den USA oder GB größer ist, geben deren Watergate u.s.w. Affären gegen Aufdeckungen der SPIEGEL-Crew investigative Bagatellen ab. (Nicht zu verwechseln damit, daß ein Präsi in USA schonmal sein Amt verlieren, und anderswo gar interniert werden kann; was einem deutschen Kanzler unter keinen Umständen zu widerfahren vermag.)
Und Recht haben Sie zu wirtschaftlicher Situation damaliger Presse. Den Anzug aus den Vierzigern hat Rudolf Augstein gewiß nicht mehr auftragen müssen. :O)
Sie denken aber wohl nicht, daß heute ein gedrucktes Äquivalent zur Recherche und Aufdeckung einstigen SPIEGEL-Magazins existierte; respektive: Stand der Information und Aufklärung in Deutschland sei unverändert?
"Sie denken aber wohl nicht, daß heute ein gedrucktes Äquivalent zur Recherche und Aufdeckung einstigen SPIEGEL-Magazins existierte; respektive: Stand der Information und Aufklärung in Deutschland sei unverändert?"
Nein.
Zum Stichwort Recherche: Erst können die Redaktionen sich eine Recherche nicht mehr leisten, dann rücken solche Vorgehensweisen als "Phänomene" langsam aus dem journalistischen Bewusstsein, oder ist es manchmal auch umgekehrt?
Vielleicht ist schon der Ansatz völlig verkehrt, einen Artikel mit einer Unzahl von Links zu unterfüttern.
Der SPIEGEL war wichtig, keine Frage, auch als Lesefutter für uns junge ... (was auch immer), weg von den betulichen Verlautbarungen, aber die Zeit ist lange vorbei.
Lese ihn aber immer noch, auf Hochglanzpapier, im Schnelldurchgang.
Ja. Die Zeit ist lange vorbei.
„R.I.P“ muß man sagen.
… und ich komm´ nicht drüber weg.
… Niemand sollte es.