"Spielraum über das Existenzminimum hinaus".

Kommentar. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat sich dann auch schon zur Debatte um die Essener Tafel gemeldet...

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und verrät dabei seine katastrophale renten- und sozialpolitische Gesinnung.

Das entscheidende Kriterium für die Versorgung durch die Tafeln ist für Herrn Laschet die Bedürftigkeit. Interessant aber sind seine Maßstäbe für Bedürftigkeit.

Die Unterhaltssätze für gerade in Deutschland angekommene junge Flüchtlinge seien ausreichend, "sodass die Tafeln eigentlich für andere gedacht sind". Zugleich verlangte er, dass auch ein türkischer Gastarbeiter, der in Deutschland 40 Jahre gearbeitet habe und eine kleine Rente erhalte, selbstverständlich Zugang zur Tafel haben müsse. Deshalb sei "eine Verkürzung auf Deutsche und Nichtdeutsche falsch".

Einen türkischen Mitbürger, der in Deutschland 40 Jahre lang gearbeitet hat, nennt dieser privilegierte Oberlehrer Armin Laschet immer noch rotzfrech Gastarbeiter – so etwas nenne ich obszön. Und Herr Laschet findet es zudem in Ordnung, wenn dieser Gastarbeiter nach 40 Jahren Arbeit und kleiner Rente selbstverständlich Zugang zur Tafel hat.

Lieber Herr Laschet, in einem so reichen Land wie Deutschland dürfte es diese Art von Sklaven, wie sie ihn hier definieren, gar nicht geben. Doch wir haben sie dank der Politiker Ihrer Gesinnung. Ich finde, Sie sollten sich schämen und schleunigst dafür sorgen, dass es der Tafeln wie in Deutschland nicht bedarf. Ihr politischer Auftrag ist es, eine ausreichende Lebensgrundlage für alle Bürgerinnen und Bürger zu gestalten - auch für arme.

Doch stattdessen erklären Sie uns, die zunehmende Anzahl ehrenamtlich betriebener Tafeln sei kein Signal für steigende Armut im Land, sondern ein "Spielraum über das Existenzminimum hinaus". – So grotesk arrogant verhalten sich Menschen, die Brosamen für eine von ihnen ausgesuchte Population für eine ausreichende Lebensgrundlage halten.

Ich wette, Herr Laschet musste seine eigenen Kinder nie von 3,70 Euro am Tag ernähren, sonst hätte er diesen Stuss nicht so ausdrücklich von sich gegeben. 3,70 Euro stehen Kindern bis 14 Jahren laut Hartz-IV Satz täglich für Nahrungsmittel zur Verfügung, die Sätze für Geflüchtete liegen da nicht drüber.

Es gab mal eine Zeit, da war die Sozialhilfe in Deutschland ein Rechtsanspruch. Doch Konsorten wie Gerhard Schröder und Angela Merkel machten daraus die wunderbare Brosamenvermehrung, eine Fürsorgeleistung, angeblich um das Existenzminimum zu sichern. – Die Tafeln sind dann "Spielraum über das Existenzminimum hinaus", meint jedenfalls Herr Laschet.

Und wie sekundiert der künftige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über die Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe". Mit Hartz IV habe "jeder das, was er zum Leben braucht".

"Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut", so sein Kredo.

Aus genau diesem Grunde haben Politiker der Gesinnung von Laschet und Spahn den vormaligen Sozialhilfeanspruch gegen erbärmliche Fürsorgeleistungen ausgetauscht. – Man hat nicht mehr für sie über!

Und wenn das Hartz-IV-Geld nicht reicht, muss man auf die Straße, um seinen fehlenden Lebensunterhalt zu erbetteln. Doch wenn das Jobcenter Wind davon bekommt, kürzt es das Geld. – Auch dann sind die Tafeln wohl "Spielraum über das Existenzminimum hinaus". Ich kann es nicht fassen!

Die Gesinnung von Armin Laschet und Jens Spahn, der Maßstab zukünftiger Sozial- und Gesundheitspolitik. – Erbärmlich!

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Geschrieben von

Flegel

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