»Zeigen, wer das Gewaltmonopol hat«

Bannmeile. Berliner Corona-Demo: Die Herrschaften aus Politik fühlen sich gestört.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Deutschlands Parlamente, die Heiligtümer der Parlamentarischen Demokratie, wurden zum Schutz vor Protesten ihrer Bürgerinnen und Bürger mit einer Bannmeile versehen – na bravo! Warum in einer angeblich offenen und demokratischen Gesellschaft ausgerecht im Umfeld der Parlamente kein Protest erlaubt ist, erschließt sich vielen Menschen nicht.

[Dieser Post ist auch auf meiner persönlichen Homepage zu finden]

»Die Bannmeile … ist eine Schutzzone um die Sitzungsorte der Gesetzgebungsorgane des Bundes (insbesondere Bundestag und Bundesrat) und der Länder (Landtage) sowie des Bundesverfassungsgerichts, in der öffentliche Versammlungen verboten und nur in Ausnahmefällen zugelassen sind. Damit wird bereits im Vorfeld der Schutz vor einer strafbaren Nötigung von Verfassungsorganen beabsichtigt.« (Wikipedia)

»Der Staat muss zeigen, wer in diesem Land das Gewaltmonopol hat. Es kann nicht sein, dass der Staat resigniert, wenn viele Demonstranten kommen, um bewusst die Regeln zu verletzen«, sagte Justizministerin Christine Lambrecht den Zeitungen der Funke Mediengruppe, zu der auch meine Tageszeitung Ruhr Nachrichten gehört. Sie hat den Polizeieinsatz mit Wasserwerfern gegen Demonstranten verteidigt, die am 18.11.2020 in Berlin gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen protestiert haben. Die Berliner Polizei setzte erstmals seit Jahren Wasserwerfer ein - im Sprühmodus, ohne scharfen Strahl.

Doch das reichte: Der Einsatzleiter, Polizeidirektor Stephan Katte, bekennt sich offen dazu, wenn er sagt: Bei 30 Grad Außentemperatur hätte der Einsatz sicherlich weniger Sinn gemacht. Am Nachmittag des 18. November herrschten am Versammlungsort um die 10 Grad.

Es war ein Protest Tausender Menschen im Regierungsviertel. Allein am Brandenburger Tor versammelten sich nach Angaben der Berliner Polizei rund 7.000 Menschen. Rund 2.200 Polizisten waren im Einsatz.

Am Rande der Proteste kam es vereinzelt zu Rangeleien zwischen Polizisten und Demonstranten. Hunderte Menschen demonstrierten am Abend noch vor dem Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, gegen das Gesetz.

Einige verschafften sich Zugang zum Bundestag – nicht als Zuschauer, sondern als Akteure und verließen damit die Bürgern zugedachte Rolle.

Erwartungsgemäß die Kommentare der Etablierten:

SPD-Vorsitzende Saskia Esken etwa lobte ganz generell das Vorgehen der Polizei. Sie begrüße es, dass die Polizei frühzeitig und konsequent zum Schutz von Demokratie und Gesundheit gehandelt habe, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Dass vorgeschriebene Verhaltensregeln zur Corona-Bekämpfung nicht eingehalten wurden, sei an sich schon Grund genug gewesen, die Versammlung aufzulösen, sagte Esken. Sie kann offensichtlich nur gehorsame Bürgerinnen und Bürger gebrauchen. "Dass aber - wie schon bei ähnlichen Ereignissen - rechtsradikale Symbole bis hin zum Hitlergruß gezeigt werden, während gleichzeitig unsere Politik mit der Ermächtigung der Nazis gleichgesetzt oder die Maskenpflicht mit dem Massenmord der Schoah auf eine Stufe gestellt wird, das liegt jenseits aller demokratischen Toleranzgrenzen und muss ein Alarmsignal für uns alle sein." Warum? Dürfen Bürgerinnen und Bürger nicht anderer Meinung sein als die gewählten Politiker, die sie ansonsten grandios missachten?

Siehe auch: »Der Wasserwerfer-Einsatz war keine polizeiliche Maßnahme, sondern eine politische Machtdemonstration«

»Für den Einsatz, der von etwa 12:30 Uhr bis 14:45 Uhr dauerte, bestand keine Notwendigkeit. Insgesamt waren vielleicht 10.000, maximal 20.000 Menschen an verschiedenen Stellen rund um das Brandenburger Tor auf der Straße. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, der Bundestag war weiträumig abgesperrt, die Situation unter Kontrolle. Für die erfahrene Berliner Polizei eher eine leichte Übung, zumal sich die Menge insgesamt zivil und friedlich verhielt. Selbst noch, als mit dem Wasserwerfer-Einsatz begonnen wurde. Neben Pfeifkonzert und "Schämt euch"-Rufen wurde sarkastisch "Oh wie ist das schön" gesungen.«

Grünen-Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter sagte der "Passauer Neuen Presse": "Wenn Menschen um ihre Existenz bangen, wie die Gastronomie und die Kulturbranche, und die Bewegung 'Alarmstufe Rot' friedlich und unter Einhaltung der Regeln demonstriert, habe ich dafür sehr großes Verständnis." Rund um den Reichstag seien aber wieder Rechtsradikale, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker ohne Maske und Abstand unterwegs gewesen und hätten den Bundestag stürmen wollen. "Das ist ein Angriff auf die Demokratie und ihre Institutionen."Hallo? Das ist nicht freundlich, aber noch lange kein „Angriff auf die Demokratie“. So wird eine Bannmeile dann eben auch zur „Institution“.

Selbstverständlich fehlt bei keinem Kommentar der Hinweis auf Rechtsradikale, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker. Das verwenden Sie als Alibi, dabei ist es ihre eigene Brut und die Brut ihrer Politik seit 20 Jahren, die sich da zeigt.

Was sie wollen, ist ergebenes Wohlverhalten. Im Notfall holen sie den Knüppel (in diesem Fall Wasserwerfer) aus dem Sack.

Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen wirft der AfD vor, "der Steigbügelhalter für Demokratiezerstörer" zu sein. "Wer Störer in den Bundestag lässt, damit demokratisch gewählte Abgeordnete bedrängt und eingeschüchtert werden sollen, greift unsere parlamentarische Demokratie an", sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Die Herrschaften von Politik und Medien fühlen sich durch die Proteste gestört und Bundesinnenminister Horst Seehofer verteidigte das Vorgehen der Polizei. "Der demokratische Rechtsstaat lebt und die Polizei ist sein Schutzschild", erklärte er.

...

Und dann sind da die medialen Verbündeten, die die bürgerverachtende Politik seit Jahren mit Chorgesang begleiten.

Einen ganz besonders raffinierten Kalauer leistet sich Markus Decker vom RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Er verbreitete in den Ruhr Nachrichten vom 19.11.2020 seine Meinung, der zufolge der Bundesrat eine Kammer des Bundestagsparlamentes ist und verteufelt ansonsten die damit verbundenen Proteste anlässlich der Bundestagsdebatte zum sogenannten Infektionsschutzgesetz. Er machts ganz pathetisch:

»Dieser 18. November 2020 wird in die Parlamentsgeschichte eingehen – als Tag, an dem der Bundestag in bisher nicht gekannter Art und Weise von innen und von außen in die Zange genommen wurde.

Vordergründig ging es um das Infektionsschutzgesetz. In Wahrheit ging es um die Freiheit frei gewählter Abgeordneter und die Zukunft der Republik.«

Weiß er eigentlich nicht? Die „Freiheit frei gewählter Abgeordneter“ hat die Republik in eine Lobbykratie umgewandelt, die die Bürgerinnen und Bürger beutelt.

Für den Einfluss der Lobbyisten hat die „Freiheit frei gewählter Abgeordneter“ ein undurchsichtiges Regelwerk geschaffen, das ihnen freien Zutritt zu Abgeordneten und Regierung gewährt und selbst noch die Möglichkeit, ganze Gesetzeswerke zu entwerfen. Währenddessen darf der Michel auf der Zuschauertribüne die sakralen Handlungen „frei gewählter Abgeordneter“ aussitzen.

Weiß Markus Decker das alles nicht? Warum unterstützt er das vorbehaltlos?

»Nur zog die AfD vor allem im Reichstagsgebäude sichtbar die Fäden, in dem sie offenbar „Gäste“ mit dem Ziel einschleuste, Parlamentarier anderer Fraktionen oder gar Minister unter Druck zu setzen. Derlei muss künftig mit allen Mitteln unterbunden werden.«

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast twitterte am 18.11.2020: „In den #Bundestag eingeschleuste Personen haben u. a. versucht, in Büros einzelner Abgeordneter einzudringen.“ „Ich bin fassungslos. Freigewählte Abgeordnete an Abstimmungen zu hindern und zu bedrängen, ist das Allerletzte. Das Ziel: Die Demokratie zersetzen.“

Starker Tobak: Was ist schlimm daran, „Parlamentarier anderer Fraktionen oder gar Minister unter Druck zu setzen“ – zumal diese? Es ging doch nicht darum, sie zu erschießen! Sie haben doch allenfalls den Komfort der Herrschaften gestört.

Hätte es nicht schon 20 Jahre lang das Ziel sein müssen, das ignorante Parlament und die ignoranten Regierungsmitglieder „unter Druck zu setzen“. Darf ich daran erinnern, dass sich die „traditionellen“ Parteien des Deutschen Bundestags zu einem »Parteienkartell aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn« gegen das Volk und für Big Money zusammengetan haben? Dass sie ganz bewusst gigantische Kürzungen der Masseneinkünfte bis hin zur Prekarisierung ganzer Bevölkerungsgruppen selbst noch über das Mittel der Einfuhr von Billigst-Arbeitskräften aus z.B. Rumänien und Bulgarien organisiert haben, ebenso die Mittäterschaft an militärischen Regime-Change-Kriegen – völkerrechtswidrigen zudem.

Die Politiker des »Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn« haben unter medial/laudatierten Chorgesang aus der Demokratie Bundesrepublik Deutschland eine Lobbykratie gemacht.

Und jetzt regt sich ein bisschen Aufstand, und da fühlen sich die Damen und Herren Parlamentarier nebst Journaille gestört?

»Wir müssen aufpassen, dass die Corona-Krise nicht zu einer schleichenden Demokratiekrise wird“, warnt Jan Korte von der Partei DIE LINKE.« – JETZT ERST?

...

[Dieser Post ist auch auf meiner persönlichen Homepage zu finden]

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Flegel

Manches, was vom Tisch gefegt wird, findet sich unter dem Teppich wieder.

Flegel

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden