Bekannt wie Mickey Mouse

Kulturkommentar Seit 9/11 ist Osama ein Symbol des Bösen, aber auch eine Karikatur seiner selbst. Erst diese popkulturelle Dimension verleiht seiner Liquidierung den nötigen medialen Glanz

Superman ist neben Mickey Mouse, Tarzan und Sherlock Holmes eine der vier Figuren mit dem weltweit größten Wiedererkennungseffekt. Osama bin Laden ließe sich problemlos in diese Liste einfügen. Nachdem Superman im Jubiläumsband gerade beschlossen hat, die amerikanische Staatsbürgerschaft aufzugeben – „Truth, justice and the american way – it’s not enough anymore“, so sagt er –, töten die USA Osama bin Laden und inszenieren zumindest an dieser Front die unbedingte Durchsetzbarkeit ihres Traumes globaler Reglementierung. Die popkulturelle Dimension bin Ladens ist für die mediale Wirkmächtigkeit der militärischen Erfolgsnachricht zentral. Denn so wie Osama als ikonographischer Hybrid aus Karl-May-Charakter und Comicbösewicht durch das Netz und die Bildmedien gespenstert, taugt er als Feindbild ebenso für militärische wie rassistische Diskurse. Gleichzeitig dient er tausenden Jugendlichen einer islamistischen Öffentlichkeit als positiver Bezugspunkt und unangefochtener Held. Nicht umsonst geht die Sorge vor Anschlägen und gewaltsamen Ausschreitungen um.

Die Dämonisierung bin Ladens ist aber kein simples Ausschlussverfahren, bei dem die Figur zum Inbegriff des Bösen reduziert wird. Die Ikone Osama schreibt sich vor allem als Witzfigur in den westlichen Medienbetrieb ein: als regelmäßig erscheinende Karikatur in Tageszeitungen, Fernsehsketchen und Computerspielen. Der Terrorist Osama erfährt dabei entweder eine Verniedlichung oder er wird lächerlich gemacht, was seiner Bedeutung als „gefährlichstem Mann der Welt“ diametral entgegengesetzt zu sein scheint.
Nur ist diese menschliche Seite, in der er sich in einer Karikatur wie ein kleiner Lausejunge grinsend selbst den Oscar als bester ausländischer Schauspieler verleiht, die Kehrseite der Dämonisierung, die sie erst komplettiert. Kein Wunder, dass dies am radikalsten der konservative US-Fernsehsender „Fox“ durchdekliniert. In der Zeichentrick-Serie „Family Guy“ ist bin Laden in einer Folge zu sehen, wo er in einer Höhle eine Videobotschaft mit Anschlagsdrohungen produziert, bis er plötzlich zu lachen beginnt und vor guter Laune nicht mehr weitermachen kann, wobei er im Stil eines redegewandten Entertainers zur sympathischen Identifikationsfigur wird.

Das Böse als Symbol funktioniert im popkulturellen Medienbetrieb nur, wenn es gleichzeitig in Frage gestellt wird, sonst ist es nur einförmig inszenierte Propaganda. Der lächerlich gemachte Osama, der mit Pamela Anderson Alkohol trinkt oder als Gollum auf einem Felsen hockt, bietet eine multifunktionale Projektionsfläche satirischer bis zynischer Zurschaustellung. Übrig bleibt eine scheinbar vielschichtige Figur, die unsere Medienwelt als politischen Feind so abbilden will, weil wir ihn für unser Selbstverständnis - demokratisch wie wir sind oder zu sein glauben – in dieser Vielschichtigkeit benötigen. Osama bin Laden wäre ohne Popkultur außerdem ein eindimensionaler verruchter Schurke, der kaum das Potential hätte, die Weltmacht Nummer eins zu bedrohen. Sein mythischer Glanz mehrt den Erfolg, ihn „zur Strecke gebracht zu haben“. Superman mag dem amerikanischen Präsidenten, der selbst schon seine Stilisierung in diversen Comics erlebt hat, nicht mehr zur Seite stehen. Osama bin Laden als Trophäe kann sich der Beinahe-Namensvetter Obama im Weißen Haus an die Wand nageln, während im Fernseher die Hysterie nationalistischen Fahnentaumels wütet. Amerika hat popkulturell den Hals noch einmal aus der Schlinge gezogen.

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